Darum will ich hier ganz klar sagen, Frau Feußner: Wir orientieren uns bei den zu gehenden notwendigen Schritten an der europäischen Spitze und nicht am Mittelfeld, und zwar sowohl was die äußere als auch was die innere Schulstruktur angeht.
- Sie mögen sich am europäischen Mittelfeld ausrichten, Frau Feußner, uns reicht dieser beschränkte Horizont nicht aus.
Die Testergebnisse deutscher Schülerinnen und Schüler sind im Einzelnen veröffentlicht und diskutiert. Die Zahlen möchte ich nicht noch einmal herunterbeten. Allerdings werde ich auf die begleitenden Zahlen eingehen, weil Sie diese sehr gerne unter den Teppich kehren.
Zweitens. Soziale Segregation ist charakteristisch für extern differenzierende europäische Schulsysteme.
Drittens. Schullaufbahnen müssen im Hinblick auf Abschlüsse aufgrund der Überlappungen der Leistungsverteilungen offen gehalten werden.
Viertens. Die Sicherung von Mindeststandards - das sind alles Zitate aus dem Befund - ist kein Problem der Selektivität, sondern der Förderung und des professionellen Umgangs mit Leistungsheterogenität, Frau Feußner.
Fünftens. Das Ausmaß des institutionell definierten Schulversagens, Frau Freußner, das heißt also das Ausmaß strukturbedingter Demütigungen, ist in der Bundesrepublik im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hoch.
(Herr Scharf, CDU: Das ist doch Stuss! - Frau Feußner, CDU: Wo haben Sie denn das her? Das steht nicht drin! Hundertprozentig!)
Meine Damen und Herren! Diese Erkenntnisse sind so neu nicht, aber offensichtlich doch für Sie, Frau Feußner; denn alle fünf Punkte sind Schläge ins Gesicht für Ihr überholtes Schulkonzept, ein Schulkonzept, das Sie allen Ernstes in Pisa bestätigt sehen und fortschreiben wollen, auch hier in Sachsen-Anhalt. Ich kann nur sa
(Beifall bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Was nehmen Sie sich hier heraus? - Frau Wybrands, CDU: Die letzten acht Jahre, können Sie dazu mal kommen?)
Bildung muss für alle offen stehen. Die Ergebnisse zeigen, wie wenig von diesem Anspruch im gegliederten Schulsystem übrig bleibt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich mit einem Missverständnis aufräumen. Es gibt kein Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland, das nicht gliedert. Lediglich Art und Zeitpunkt unterscheiden sich. Daher möchte ich noch einmal deutlich sagen: Pisa E hat keineswegs die unterstellte Überlegenheit der Gliederung gegenüber der Integration bewiesen. Diesen Vergleich gab es nämlich dort gar nicht. Dort, wo es ihn gab, nämlich im europaweiten Vergleich, hat die Gliederung gnadenlos gegen die Integration verloren.
Ich komme zurück zur Unfähigkeit des gegliederten Schulsystems, Chancengleichheit zu gewähren. Die Chance eines Kindes aus einer Akademikerfamilie, das Abitur zu erreichen, ist in Deutschland viermal größer als die eines Kindes aus einem Facharbeiterhaushalt. In der traurigen Spitze, wie zum Beispiel in Bayern, sind die Chancen sogar acht- bis zehnmal so groß.
Wenn Sie dies auch für Sachsen-Anhalt wollen, dann sagen Sie das bitte so deutlich. Dann sagen Sie den Kindern, dass Sie die Lebensperspektive - diese können Sie nämlich von der Bildungsperspektive nicht trennen - dieser Kinder vom Einkommen und von der Bildung der Eltern abhängig machen wollen.
Wenn Sie dies nicht wollen, Frau Pieper, dann können Sie nicht gleichzeitig der Gliederung das Wort reden. Kinder aus sozial schwachen Familien, die häufig in der Lesekompetenz zurückbleiben, haben bei einer frühen Aufgliederung und damit frühen Vorbestimmung des Abschlusses kaum Zeit, den Rückstand aufzuholen.
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass keineswegs davon die Rede sein kann, die Guten unter sich würden sich optimal anspornen. Das Gegenteil ist der Fall: Heterogenität fördert das Leistungsniveau aller deutlich mehr.
Ein weiterer Punkt zur Gliederung: Durchlässigkeit der Gliederung in Deutschland heißt in Deutschland fast ausschließlich Durchlässigkeit nach unten. Abstieg, Misserfolg, Demütigung - ich habe vorhin das Zitat gebracht.
fünftens standardisierte Lehrvorstellungen aufbrechen; weg vom Frontalunterricht; Lernen soll nicht weh tun, Lernen soll Spaß machen.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal einige Dinge klar benennen, da Sie fortwährend auf unsere miserable Bildungspolitik der letzten Jahre hinweisen.
Sachsen-Anhalt - Frau Mittendorf hat es bereits gesagt - hat im Erhebungszeitraum 4,2 % seines BIP für Bildung ausgegeben, Bayern lediglich 1,98 %.
In Sachsen-Anhalt gaben 17,7 % der Schulen an, sie hätten mit Mangel an Lehrkräften bzw. fachfremdem Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern zu kämpfen. Im Land Ihrer Oberlehrerin Frau Schavan waren es unglaubliche 48,5 %.
Wir haben im Durchschnitt aller Bundesländer die kleinste Anzahl an Schülern pro Klasse und gehören zu den Besten, was die Zahl der Schülerinnen und Schüler pro Lehrkraft angeht. Dies macht noch einmal deutlich, wie unsinnig monokausale Erklärungsmuster sind. Gute pädagogische Rahmenbedingungen garantieren eben leider noch keinen Erfolg.
Ich möchte es mir nicht nehmen lassen, ganz zum Schluss Bayern wenigstens einmal lobend zu erwähnen. Bayern hat gegenüber Sachsen-Anhalt einen Vorsprung von rund 700 Unterrichtsstunden in den Klassen 1 bis 9 und kommt damit zu besseren Ergebnissen. Was sagt uns das? - Lernen braucht Zeit. Wir brauchen mehr Zeit zum Lernen. Von daher ist es geradezu unverständlich, dass Sie den Grundschulen gerade diese notwendige Zeit wieder wegnehmen mit Ihrer Reform.
Eine letzte Bemerkung. Pisa hat uns die Überlegenheit des integrativen Bildungsansatzes vor Augen geführt. Dennoch scheint es - auch heute wieder hier im Hause - so zu sein: Deutschland ist nicht reif für ein solches Schulmodell.
Ich glaube, so schmerzhaft der Pisa-Schock auch war, er ist letztlich die größte Chance seit Jahrzehnten, die Bildungslandschaft in der Bundesrepublik tiefgreifend zu verändern. Wohin es eigentlich gehen muss, wissen wir. Dennoch sei vor übereiltem Aktionismus gewarnt. Er würde niemandem helfen.
Keine Hilfe ist zweifellos die blindwütige Durchsetzung populistischer Wahlversprechen. Darum hören Sie auf, aus ideologischen Gründen, wie bei der Grundschule, Strukturen über den Haufen zu werfen,