Protokoll der Sitzung vom 27.05.2005

Danke für die Berichterstattung. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Als erster Debattenredner wird für die PDS-Fraktion der Abgeordnete Herr Höhn sprechen. Bitte sehr.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Schlips hochzie- hen!)

Sie sind nicht der erste, Herr Schellenberger, der sich über den Schlips beklagt, aber das ist okay.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Ach so!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Schellenberger hat es formuliert: Die Koalition hat sich für eine zügige Beratung im Ausschuss entschieden. Ich will darauf nur noch einmal eingehen, weil das ein bisschen zu positiv klingt.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Das ist positiv! - Herr Gürth, CDU: Das Ergebnis ist positiv!)

Ich will einmal mit einem Zitat von Herrn Dr. Volk aus der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfes anfangen. Er hat gesagt:

„Ich denke, wir sollten in den nächsten Monaten eine fachlich fundierte Debatte mit allen Beteiligten führen und dabei die Vor- und Nachteile von Studiengebühren, verschiedene Modelle der Finanzierung und die entsprechenden gesetzlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten abwägen.“

Ich will es an dieser Stelle noch einmal sagen: Ich finde, es ist kein angemessenes Verfahren, dass der Fachausschuss ohne jede inhaltliche Diskussion, sondern nach einem langen Gerede darüber, ob wir nun eine Anhörung machen oder nicht - was aus meiner Sicht bei diesem Thema selbstverständlich ist -, den Gesetzentwurf ablehnt. So geht man mit einem Gesetzentwurf nicht um.

(Beifall bei der PDS - Herr Tullner, CDU: Wir ma- chen doch eine Anhörung! Hat er doch gesagt! Ich weiß gar nicht, was Sie haben!)

- Herr Tullner, ich rede über den Gesetzentwurf und nicht über das, was Sie irgendwann einmal machen wollen.

(Herr Tullner, CDU: Der Gesetzentwurf war ja ziemlich dünn! - Frau Feußner, CDU: Mehr als das!)

Offensichtlich ist es ja so, dass die Frage, ob Studiengebühren eingeführt werden sollen oder nicht, für Sie im Grunde entschieden ist. Die Frage ist nur noch, wann und wie. Darüber hätten wir im Ausschuss durchaus reden können.

Ich will noch einmal auf einzelne inhaltliche Punkte eingehen. Wir haben im Landtag in der letzten Sitzungsperiode im April im Zusammenhang mit der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten und auch gestern im Zusammenhang mit der Regierungserklärung des Wirtschaftsministers wieder sehr viel über Innovation geredet, über Wissensgesellschaft, über den Lissabonprozess. Auch dazu zwei Zitate. Der Ministerpräsident hat im April gesagt:

„Ich halte es für unstrittig, dass Investitionen in Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis zu den Hochschulen - -“

(Die Lautsprecherverstärkung des Mikrofonsig- nals setzt wieder ein - Oh! und Beifall im ganzen Hause)

- In Sachsen-Anhalt gehen die Mikros später an, aber wir stehen früher auf.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Ich fange mit dem Zitat noch einmal an:

(Herr Tullner, CDU: Aber bitte nicht so laut!)

„Ich halte es für unstrittig, dass Investitionen in Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis zu den Hochschulen zur Entwicklung eines Wirtschaftsstandortes gehören.“

Wenn man auf die Internetseite des Landes schaut und sich unter „Wirtschaft und Arbeit“ einklickt, dann findet man vom Wirtschaftsministerium die Aussage:

„Bei der Entwicklung des Arbeitsmarktes setzt das Land auf eine aktive Arbeitsmarktförderung, die die Arbeit finanziert und nicht die Arbeitslosigkeit. Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei die Jugendlichen. Deren Bildungschancen bestimmen entscheidend die künftige Entwicklung des Arbeitsmarkts.“

Das ist wohl richtig. Aber es hilft nicht, es nur jeden Tag zu sagen, Sie müssen es auch irgendwann einmal konkret machen. Das Thema Studiengebühren passt genau in diese Aussage und genau hierbei tun Sie es wieder nicht.

Die Frage ist doch, wo diese hochqualifizierten Fachkräfte herkommen sollen, wenn wir uns nicht in der Sache auf diese Bereiche konzentrieren. Wir haben in der ersten Beratung schon einmal ausführlich darüber geredet, dass wir eine zu geringe Studierquote haben, dass wir zu wenige Studenten haben, dass wir aber in Zukunft ein sehr viel größeres Maß an hochqualifizierten Fachkräften brauchen. Wo sollen die herkommen, wenn wir den Zugang zu höherer und höchster Bildung in diesem Land nicht endlich breiter und gerechter anlegen? Das beginnt bei dem Thema Studiengebühren, was den Hochschulzugang angeht.

(Beifall bei der PDS - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Dann will ich als nächstes zu einem dieser tollen Vorschläge kommen, die man in den letzten Monaten öfter hört. Das spielt dann immer eine Rolle bei dem Thema soziale Gerechtigkeit. Sie erklären immer, Studiengebühren seien ja okay, aber Sie würden auf jeden Fall dafür sorgen, dass das sozial gerecht gestaltet werde. Dann kommt immer der Vorschlag der nachgelagerten Kredite. Nun haben wir gestern bei der Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik wieder sehr viel über Selbständigkeit und Unternehmertum gehört und wie wichtig das sei, und wir sind uns alle einig, dass wir eigentlich mehr Leute brauchen, die aktiv in die Selbständigkeit gehen. - Ja, meine Damen und Herren, wenn diese Hochschulabsolventen aber mit einem riesengroßen Schuldenberg in diese Selbständigkeit gehen sollen, dann funktioniert es eben nicht. Das sind eben keine günstigen Startbedingungen für Absolventen.

(Beifall bei der PDS - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Ein letztes Wort zu den Langzeitstudenten. Auch das hat in der ersten Beratung eine Rolle gespielt. Dazu will ich noch einmal sagen: Das klingt alles immer so ein bisschen wie bei den Arbeitslosen. Die Schuld wird mittlerweile immer zuerst bei den Betroffenen gesucht und nicht bei den Rahmenbedingungen: Die Arbeitslosen sollen mal ein bisschen flexibler sein und sich vermitteln lassen, ohne darüber zu reden, ob sie denn in der Tat ein Angebot haben, und die Studenten sind doch im Grunde selbst daran Schuld, wenn das Studium länger dauert.

(Zustimmung bei der PDS und von Herrn Kühn, SPD)

Das ist eine völlig verschrobene Debatte. Die Langzeitstudenten haben in hohem Maße das Problem, dass sie eben objektiv nicht in der Lage sind, an den Hochschulen das Studium in der vorgeschriebenen Zeit zu absol

vieren. Das Land Sachsen-Anhalt bemüht sich gerade sehr, sein Image zu fördern. Vielleicht wäre es sehr viel preisgünstiger und effektiver, wenn wir einmal mit einer Imagekampagne begännen, dass das Studium in Sachsen-Anhalt gebührenfrei sei.

(Herr Tullner, CDU: Ist es doch!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Höhn. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Dr. Volk sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Januar dieses Jahres wurde das Verbot von Studiengebühren durch ein Bundesgesetz für nicht grundgesetzkonform erklärt. Damit erhielt die bereits seit einigen Jahren geführte Debatte über die Vor- und Nachteile von Studiengebühren in Deutschland Auftrieb. Herr Höhn, in dieser Debatte befinden wir uns auch jetzt in Sachsen-Anhalt.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, was ich bereits im März dieses Jahres in diesem Zusammenhang gesagt habe. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung keine inhaltliche Positionierung zu Studiengebühren vorgenommen. Deshalb sollten wir uns in Sachsen-Anhalt dieser Diskussion über Studiengebühren auch inhaltlich nähern. Wir haben durchaus Zeit für eine sorgfältige und fundierte Diskussion. Auch andere Bundesländer wie Bayern, die nach dem Urteil eine schnelle Einführung von Studiengebühren angekündigt haben, gehen mittlerweile davon aus, dass Gebühren nicht vor dem Jahr 2007 erhoben werden können.

Wir stehen also mitten in der Diskussion, die in den Parteien zu einer grundsätzlichen Positionierung geführt hat, aus der deutlich ablesbar ist, dass es auch in Sachsen-Anhalt eine Mehrheit gibt, die die Vorteile der Einführung moderater Studiengebühren sieht. Deutlicher unklarer ist die Diskussion zur Ausgestaltung eines stimmigen Systems. Die hierzu notwendige Sachdiskussion wird aber erheblich dazu beitragen, das Polarisierungspotenzial von Studiengebühren, das die PDS als Antragsteller bewusst ansprechen wollte, abzubauen.

Für mich gibt es bei der Umsetzung drei Prämissen:

Erstens. Die Einnahmen aus den Gebühren müssen den Hochschulen als zusätzliche Mittel zur Verbesserung der Lehre zugute kommen und sie müssen für die Studierenden einen greifbaren Mehrwert erzeugen.

Zweitens. Zum Zeitpunkt der Einführung von Studiengebühren muss bereits ein funktionierendes Finanzierungssystem aufgebaut sein, das Unterstützungen und Stipendiensysteme einschließt. Das ist auch die Voraussetzung dafür, dass die soziale Situation des Elternhauses die Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums nicht bestimmt.

Drittens. Die Hochschulen oder noch besser die einzelnen Fakultäten entscheiden eigenverantwortlich innerhalb eines abgesteckten Rahmens über die Höhe der Gebühren.

Wenn wir uns über diese Grundlagen verständigt haben, können wir über die praktische Umsetzung dieser Prämissen auch in Sachsen-Anhalt diskutieren.

(Herr Kühn, SPD: Infrage stellen tun Sie es nicht!)

Dabei wird dann sicherlich eine Vielzahl von Detailproblemen zu lösen sein, aber wir sollten in diesem Land nicht zu zögerlich sein, ein Modell für Sachsen-Anhalt zu entwickeln.

Ich möchte in diesem Zusammenhang den Fokus auf ein zwar damit zusammenhängendes, aber doch viel grundlegenderes Problem richten. Es ist an der Zeit, in Deutschland das System der individuellen Finanzierung des Lebensunterhalts während des Studiums grundsätzlich zu reformieren. Ich weiß, dass ich mich damit auf ein Feld der Bundespolitik begebe, aber ich glaube, der Teufelskreis zwischen notwendiger Finanzierung des Lebensunterhalts durch Arbeit neben dem Studium und der dadurch bedingten Vernachlässigung der Studienintensität muss durchbrochen werden.

Wir brauchen finanzierbare Studienkredite, die die Lasten in die Zeit nach dem Studium und in eine individuelle Lebensphase legen, in der sich das Studium auszahlt. Nur dann kann die Entscheidung für die Aufnahme eines Studiums von der sozialen Situation des Elternhauses entkoppelt werden.

Bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes hatten mit Ausnahme der Antragsteller alle Debattenredner bekräftigt, dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eine fundierte Debatte weder angestoßen noch bereichert werden kann. Ich denke, auch das war ein Grund für die zügige Diskussion im Ausschuss.

Der allzu offensichtliche Versuch der Antragsteller, eine Frontlinie von guten Gegnern und bösen Befürwortern von Studiengebühren aufzubauen, ist gescheitert. Entsprechend klar ist auch das Votum des Ausschusses. Ich kann es hier nur bekräftigen und möchte Sie bitten, der Beschlussempfehlung des Ausschusses zuzustimmen. - Besten Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)