Es ist nicht beschämend, dass der Innenminister unseres Landes, Herr Jeziorsky, und der Landtagspräsident, Herr Spotka, einer öffentlichen Wahlveranstaltung beigewohnt haben. Aber ich denke, es ist beschämend und dem Ansehen des Landes Sachsen-Anhalt überhaupt nicht dienlich, dass sie sich bis heute nicht von den Äußerungen des Vorsitzenden des CDU-Stadtverbandes, Herrn Marsch, distanziert haben, der am 1. August auf eben dieser CDU-Wahlveranstaltung das Asylbewerberheim als „Bazillenmutterschiff“ bezeichnet hat. Ich hätte erwartet, dass dies unmittelbar nach den verbalen Entgleisungen des CDU-Politikers noch während der Veranstaltung erfolgt wäre.
Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger als „Bazillen“ zu bezeichnen, das ist für mich eine der schlimmsten Entgleisungen und ich hätte solche Worte eher bei einer Veranstaltung der DVU erwartet.
Meine Damen und Herren! Davon bekomme ich eine Gänsehaut; denn es unterstreicht den Eindruck, dass Herr Marsch mit seiner Meinungsäußerung gar nicht so falsch lag in den Augen der Christlich-Demokratischen Union. Denn sonst würde es wohl nicht so schwer fallen, sich in einer öffentlichen Erklärung davon zu distanzieren.
Nun ist nicht zu bestreiten, dass auch in Bernburg Drogen erworben und konsumiert werden können - ein Tatbestand, den es unbedingt zu bekämpfen gilt. Aber es ist für mich nicht zu ertragen, dass gleich ein Asylbewerberheim in Gänze mit all seinen Bewohnerinnen und Bewohnern als „Bazillenmutterschiff“ bezeichnet wird.
Durch den Vergleich mit Bazillen sind die Asylbewerber in ihrer Menschenwürde verletzt worden. Das ist nicht hinzunehmen. Es ist daher nur zu begrüßen, dass Herr Piening den Ortsvorsitzenden der Bernburger CDU wegen Volksverhetzung angezeigt hat.
Wo kommen wir denn hin, wenn sich demokratische Politikerinnen und Politiker einer so schlimmen Terminologie bedienen können? Haben nicht gerade Politiker eine ganz besondere Verantwortung, auch bei ihrer Wortwahl, um nicht unterschwellig geführten Diskussionen auch noch den Anschein zu geben, Recht zu haben?
Es geht um die Kultur der politischen Auseinandersetzung. Es geht darum, jeder Art rassistischer und fremdenfeindlicher Gewalt - dazu rechne ich eben auch die Äußerungen des Herrn Marsch am 1. August 2002 - energisch entgegenzutreten.
Damit bin ich wieder am Anfang meiner Ausführungen und frage, weshalb sich die CDU bisher nicht von den
unerträglichen Äußerungen ihres Ortsvorsitzenden aus Bernburg distanziert hat. In diesem Zusammenhang ist mir ganz klar, weshalb sich die CDU- und die FDP-Fraktion zu einem Alternativantrag entschlossen haben.
Es ist schlimm, meine Damen und Herren von der CDU- und der FDP-Fraktion, dass Sie mit diesem Antrag überhaupt nicht auf das angesprochene Thema eingehen. Es ist fast so, als hätten Sie nicht verstanden, worum es eigentlich geht. Die Wortwahl Ihres Alternativantrages kann sicher jeder von uns unterstreichen. Aber darum geht es ja gar nicht. Ihr Alternativantrag bezieht sich auf Integration und Förderung des Zusammenhalts - Dinge, die überhaupt nicht zu bestreiten sind und die gerade in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren eine hohe Priorität genossen haben.
Ihr dritter Abschnitt zur Verfolgung der Rauschgiftkriminalität ist längst geltendes Recht und das muss nicht noch einmal betont werden. Denn auch dies führt doch eher zu Verunsicherung denn zur Förderung des Zusammenhalts, um bei Ihren Worten zu bleiben, bedeutet es doch im Umkehrschluss nichts anderes, als dass die Strafverfolgung von Ausländern im Land SachsenAnhalt eben nicht konsequent durchgeführt wird. Spätestens hier müssten der Innenminister und auch der Justizminister ganz lauten Protest anmelden.
Ihrem Alternativantrag können wir aus diesen Gründen nicht zustimmen. Wir unterstützen den Antrag der PDS und appellieren gleichzeitig an jeden hier im Haus und darüber hinaus an jeden, der politisch aktiv ist, sich einer Wortwahl zu bedienen, die demokratischen Menschen gebührt.
Frau Präsidentin, ich werde mich bemühen, mindestens 49 Sekunden einzusparen, um Herrn Lukowitz im Anschluss noch Gelegenheit zu geben, seine Botschaft an Herrn Püchel los zu werden.
Meine Damen und Herren! Die Liberalen - ich spreche hier für die FDP als Partei - haben sich in der Vergangenheit oft und ausführlich zum Thema Ausländer und Ausländerpolitik geäußert. An den dargelegten Positionen hat sich grundsätzlich nichts geändert.
Natürlich sind auch wir gegen jede Form von Diskriminierung und Gewalt gegenüber Ausländern, wie das auch im Alternativantrag grob dargestellt worden ist. Es ist überhaupt keine Frage, dass politischer Streit nicht zulasten anderer - da meine ich nicht nur Ausländer und Ausländerpolitik -, auch nicht zulasten von ausländischen Mitbürgern gehen darf.
Eine andere Frage ist, ob jeder Politiker verpflichtet werden soll, auf jede Äußerung eines anderen unabhängig vom Thema und der politischen Farbe, auf Äußerungen, die er selbst für daneben oder für fatal hält, sofort öffentlich zu reagieren. Es gibt Äußerungen auch in der letzten Zeit, in den jüngsten Wahlkämpfen, von Politikern bis in
sehr hohe Ebenen, die sich von selbst deklassieren, ohne dass man darauf im Stil einer Parteikontrollkommission oder eines Erziehungsberechtigten sofort reagieren muss.
Der Begründung dieses Antrags folgend, müsste sich Herr Püchel daran messen lassen, ob es nach der Flut tatsächlich niemandem schlechter geht als zuvor. Das wäre die logische Folge.
- Das ist kein Ausländerthema, aber es ist eine logische Folge der Begründung, dass jeweils Spitzenpolitiker derselben Partei Verantwortung übernehmen sollen für Äußerungen anderer. Das war eine Äußerung Ihres Bundeskanzlers.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend einen grundsätzlichen persönlichen Eindruck ansprechen, der sich nicht nur und ausschließlich durch diesen Antrag und Teile der Begründung, sondern auch in den letzten Wochen generell ergeben hat.
Zwischen der ersten und der jetzigen Legislaturperiode habe ich acht Jahre lang ständig im unmittelbaren Kontakt mit arbeitenden Menschen, Arbeitslosen und Ruheständlern, ihren Ängsten, Sorgen und Problemen gearbeitet. Als Bürgermeister einer kleineren Gemeinde kann man sich diesem Kontakt ohnehin nicht entziehen.
Ohne Abstriche an der eingangs geäußerten grundsätzlichen Position zum Thema machen zu wollen, entsteht für mich aus dem Erleben heraus in Inhalt und Form manchmal der Eindruck, dass einiges von dem, das uns hier ab und zu so intensiv beschäftigt, ein Stück am wirklichen Leben vorbeigeht.
Meine Damen und Herren! Wir empfehlen dem Hohen Hause, den Alternativantrag der Fraktionen von CDU und FDP anzunehmen.
Meine Damen und Herren! Zu dem Vorwurf bezüglich der Begründung will ich sagen: Nicht die Begründung hat beide Politiker in die Nähe gerückt, sondern das Ereignis. Die Frage, die im Raum bleibt, ist: Was hat Herrn Professor Spotka und den Innenminister dieses Landes davon abgehalten, wenigstens die Formulierung zu nehmen: Das war eine zu missbilligende Äußerung?
Das kann ich Ihnen genau sagen. Er hätte damit seinen Kollegen belastet, und das Einzige, das Schlimmste, was ihm hätte passieren können, ist: Er wäre in diesem Wahlkreis möglicherweise nicht mehr gewählt worden.
(Frau Feußner, CDU: Sie machen sich lächerlich! - Herr Tullner, CDU: Mein Gott! Das ist ja wohl nicht wahr! - Herr Gürth, CDU: Sie deklassieren sich selbst! - Unruhe bei der CDU)
- Ja, warum war er denn so feige, Himmel, Arsch und Zwirn? Warum hat er denn nicht wenigstens das gesagt, was sein Kollege heute sagen kann? Mein Gott, was hätte ihn das gekostet?
(Zustimmung bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Nicht hier im Hohen Hause! - Zurufe von Herrn Gürth, CDU, und von Herrn Tullner, CDU - Un- ruhe)
Ich kann doch als jemand, der Verantwortung trägt, bei einer solchen Bemerkung nicht sitzen bleiben und meinen Mund halten.
Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf den Alternativantrag der CDU. Ich will daraus zitieren. Darin steht:
„Um die Integrationsbemühungen nicht zu gefährden, müssen schwerwiegende Straftaten von Ausländern, insbesondere im Bereich der Rauschgiftkriminalität,“
Straffällige Ausländerinnen und Ausländer sind selbst schuld, wenn Ausländern in diesem Land Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit entgegenschlägt. Ich will es einmal im Möllemann‘schen Deutsch zuspitzen: Friedman darf kein unsympatischer Typ sein, sonst ist er nämlich schuld an Judenverfolgung und Judendiskriminierung.
Ich will eines klarstellen, weil das der PDS sehr oft auch vor Ort vorgeworfen wird. Ausländerinnen und Ausländer haben sich genauso wie alle Menschen in diesem Land an Recht und Gesetz zu halten.