Protokoll der Sitzung vom 16.11.2007

Dadurch würden die Landwirte im Land viel Geld verlieren und die Kaufkraft im ländlichen Raum würde enorm zurückgehen; denn ein Rückfluss dieser Mittel in die Regionen oder an die Landwirtschaft ist nicht sicher und derzeit nicht erkennbar. Selbst wenn man dieses Problem lösen würde, muss uns klar sein, dass die Mittel aus der zweiten Säule auch mit Landes- und Bundesmitteln kofinanziert werden müssten.

Daran wird schon erkennbar, dass dem Land ein großer Teil an Finanzkraft verloren gehen wird. Genaueres werden wir aber voraussichtlich am 20. November 2007 erfahren. Dann werden die Kommissionsvorschläge der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Fakt ist: Diese Degression träfe die Betriebe und Regionen in Deutschland und in den einzelnen EU-Mitgliedsländern sehr ungleich. Die Betriebe in den neuen Bundesländern müssten einen besonders hohen Tribut zollen. Der finanzielle Verlust durch die geplante Degression ist aus der Sicht der neuen Bundesländer nicht hinnehmbar. Nach Mecklenburg-Vorpommern wäre Sach

sen-Anhalt durch diese Kürzungen am zweitschwersten betroffen.

Ebenso schwer würde der dadurch erfolgte Eingriff in den Wettbewerb wiegen, den wir eigentlich wollen. Der Wettbewerb wird durch diesen Eingriff aus dem Gleichgewicht gebracht; denn die betriebsgrößenabhängigen Kürzungen schränken den strukturellen Wandel der Unternehmen in der Landwirtschaft in unzulässiger Weise ein.

Größenwachstum ist nun einmal eine Variante, um wettbewerbsfähig zu bleiben, wenn auch nicht die einzige. Auch in Bezug auf eine nachhaltige Landwirtschaft lässt sich kein positiver Effekt erkennen; denn diese ist nicht größenabhängig.

Im Rahmen der Cross-Compliance-Kontrollen, also der Kontrollen, bei denen die Einhaltung des Fachrechtes auf dem Prüfstand steht, haben wir feststellen müssen, dass gerade größere Betriebe eher in der Lage sind, einschlägige Fachrechtsbestimmungen einzuhalten.

Außerdem geht der Vorschlag der Degression in die Richtung, dass wir mit Betriebsteilungen würden rechnen müssen. Das würde für alle Beteiligten höhere Verwaltungsaufwendungen nach sich ziehen. Die Juristen würden mehr Geld verdienen, was nun wirklich nicht sinnvoll ist.

In diesem Zusammenhang weise ich noch einmal darauf hin: Die Ausgleichszahlungen seit der Reform 2003 sind Zahlungen für nicht am Markt entlohnte Gemeinwohlleistungen. Diese Gemeinwohlleistungen bzw. diese Anforderungen sind auf jedem Hektar gleich zu bewerten. Sie nehmen nicht betriebsgrößenabhängig ab.

Bei aller Euphorie auf den Agrarmärkten ist Vorsicht geboten. Ob, wann und in welchem Umfang sich die überaus positive Stimmung in der Landwirtschaft in den Ergebnissen der Jahresabschlüsse wiederfindet, ist offen. Sicher ist, dass die Betriebe hinsichtlich ihrer Ertragskraft und Eigenkapitalbildung einen deutlichen Nachholbedarf haben.

Wie sagt man so schön, meine sehr verehrten Damen und Herren: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und ein Hochpreisjahr auf dem Agrarmarkt lässt das Problem geringer Einkommen in der Landwirtschaft nicht gleich in Luft aufgehen, zumal auch die Kosten für Betriebsmittel deutlich gestiegen sind.

Es ist im Übrigen viel zu kurz gesprungen zu behaupten, die Gelder der Agrarhaushalte kämen nur einer kleinen Gruppe der EU-Bevölkerung, eben den Landwirten zugute. Von hochwertigen, preiswerten Lebensmitteln, von attraktiver Kulturlandschaft, von einem wirtschaftlich starken ländlichen Raum und damit von gesicherten Arbeitsplätzen profitieren alle.

Ich sage es ganz klar: Diese gestaffelten Kürzungen sind aus unserer Sicht nicht zu akzeptieren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Der Gesundheitscheck hat seinen Namen nur verdient, wenn es auch tatsächlich um die Heilung von Fehlern geht. Patienten von helfender Medizin weitreichend abzusetzen, wie es jetzt aussieht, war nicht das ursprüngliche Ziel.

Es gibt Rezepte, die sinnvoller sind, beispielsweise die Flächenstilllegung. Das ist ein überaltertes Instrument

der Agrarpolitik. Angesichts der bestehenden Marktlage hat die EU-Kommission die Flächenstilllegung für das Anbaujahr 2008 ausgesetzt. Sie sollte aus meiner Sicht völlig entfallen. Das wäre ein konsequenter Schritt in Richtung Bürokratieabbau, Verwaltungsvereinfachung und Entscheidungsfreiheit.

Aber wie das bei Entscheidungen immer ist: Schon mehren sich die Stimmen, die auf die ökologische Bedeutung der Stilllegung verweisen. Ich stelle diese Nebenwirkung nicht grundsätzlich in Abrede. Aber wenn es uns darum geht, die natürlichen Lebensbedingungen zu verbessern, sollten wir eher auf gezielte freiwillige Maßnahmen der Flächenbewirtschaftung setzen. Diese stoßen auf mehr Verständnis und bewirken mehr Initiative als staatliche Zwangsmaßnahmen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Außerdem gibt es bei den eben schon genannten CrossCompliances, diesen Überkreuzkontrollen, einiges zu tun. Dahinter verbergen sich systematische Kontrollen der Einhaltung des Fachrechts. Mit 23 verschiedenen Verordnungen und Richtlinien hat sich Cross-Compliance zu einem praxisfernen Bürokratiemonster entwickelt.

Sachsen-Anhalt hat sich im Rahmen der Agrarministerkonferenz mit mehreren Vorschlägen, die auf offene Ohren gestoßen sind, in die Diskussion eingebracht. Gerade deshalb ist es für uns unverständlich, dass die Kommission andeutet, Cross-Compliance-Regelungen auf neue Standards ausweiten zu wollen. Ich befürchte, meine Damen und Herren, der Landwirt als Bürokrat wird uns noch eine Weile beschäftigen.

Auch innerhalb der Europäischen Union haben wir in der Frage der Wettbewerbsgleichheit noch Hausaufgaben zu machen; denn die optional gekoppelten Direktzahlungen in anderen Mitgliedstaaten verzerren in ungerechtfertigter Weise den Wettbewerb. Dies könnte für eine Übergangszeit durchaus berechtigt gewesen sein. Diese Ecken sind meines Erachtens im Rahmen des Gesundheitschecks auszubügeln.

Falten wirft auch das System der Milchquoten. Nach mehr als 20 Jahren hat die Quote das Ziel einer effektiven Mengenbegrenzung und Preisstabilisierung nicht erreicht. Dafür schnellten die Agrarausgaben in die Höhe und wachstumswillige Unternehmen wurden mit Quotenkosten belastet. Ein Leben ohne Milchquote würde den Strukturwandel in diesem Bereich forcieren. Dabei, meine Damen und Herren, wird sich die Spreu vom Weizen trennen.

Aber auch das ist klar: Wir brauchen ein klar definiertes Szenario mit einer angemessenen Übergangszeit und Abfederungsmaßnahmen nur für die aktiven Milchproduzenten. Die so genannten Sofamelker sind uns bekannt. Wir sind der Meinung, nur den aktiven Milchproduzenten sollen Abfederungsmaßnahmen zugute kommen.

Für den Übergang zum Quotenende plant die Europäische Union derzeit zunächst eine Ausweitung der Quote. Diesen Weg lehnen wir ab. Wir plädieren deshalb für eine Senkung der Superabgabe. Das heißt, Betriebe mit gutem Management könnten zusätzlich Milch erzeugen, ohne Investitionsmittel an ein sterbendes System zu binden.

(Zustimmung bei der CDU)

Nach geltender Beschlusslage läuft die Milchquotenregelung 2014/2015 aus. Auch das muss im Rahmen des Gesundheitschecks eindeutig festgezurrt werden.

Meine Damen und Herren! Bei all diesen Diskussionen scheint die Agrarwirtschaft nur aus Getreide- und Milchwirtschaft zu bestehen. Es wird aber auch an anderen Stellschrauben gedreht. Der Weinmarkt steht im Fokus der Reformdiskussion. Wir haben sicherlich nur ein kleines, aber feines Weinanbaugebiet. Die Reform der Weinmarktordnung soll die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weinerzeuger verbessern, soll Erzeugereinkommen sichern. Die Wege dorthin sind ebenso umstritten wie andere Reformansätze und in der jetzigen Form für Deutschland und für Sachsen-Anhalt nicht akzeptabel; denn bei der Abschaffung bewährter Weinbezeichnungen besteht die Gefahr der Uniformierung der Weine.

Warum soll in Europa das traditionelle Verfahren der Saccharoseanreicherung nicht angewandt werden, das in Verträgen mit Drittländern durch die EU anerkannt wird? Also Drittländer dürfen, die europäischen Weinbauern nicht. Wir müssen nicht unsere Weinwirtschaft fallenlassen, damit andere diese Lücken schließen.

(Beifall bei der CDU und von der Regierungs- bank)

Beim Zuckermarkt haben wir das erste Jahr nach dem Inkrafttreten der Reform der Zuckermarktordnung aus dem Jahr 2006 bald hinter uns. 40 Jahre lang war diese Marktordnung ohne große Veränderungen existent. Durch Reformen und Verbindungen mit der Preisentwicklung für konkurriende Marktfrüchte hat jedoch die wirtschaftliche Überlegenheit des Zuckerrübenanbaus erheblich abgenommen. Der mit der Zuckermarktordnung angestrebte Produktionsrückgang wurde allerdings noch nicht erreicht.

Jetzt sollen die Anreize zur freiwilligen Quotenaufgabe erhöht werden. Sollte die freiwillige Quotenabsenkung nicht von Erfolg gekrönt sein, werden alle Quoten, das heißt auch in wirtschaftlich attraktiven Zuckerrübenanbauregionen, wie es Sachsen-Anhalt nun einmal ist, linear und ohne Prämie gekürzt. Es wird erwartet, dass die Zuckerrübenanbauer in Sachsen-Anhalt mit der optimalen Lage zu den drei bestehenden hochmodernen Zuckerrübenfabriken nicht in großem Umfang als potenzielle Quotenrückgeber aufwarten; aber die Gefahr der Quoten über alle Betriebe hinweg steht dann auch vor uns.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben Globalisierung ist das Schlagwort des Klimawandels in aller Munde und bei der Agrarpolitik längst angekommen. Das Risiko von Ernteausfällen wird zunehmen, so die Voraussagen. Die Europäische Union regt deshalb an, über die staatliche Maßnahme des Risiko- und Krisenmanagements nach dem Jahr 2013 nachzudenken.

In einer solchen Diskussion sehen wir Vorteile weder für die Landwirtschaft noch für die Steuerzahler. Das Risikomanagement ist Sache des Unternehmers und damit eine unternehmerische Entscheidung.

Soll der Staat einen Zuschuss in ein System zahlen, in dem die Versicherungen Gewinne erwirtschaften? Denn ohne die Aussicht darauf, dass sie Gewinne erwirtschaften, wird es keine Angebote auf dem Versicherungsmarkt geben. Wäre es nicht sinnvoller, die Direktzahlun

gen zu stabilisieren und letztlich dem Landwirt die Entscheidung zu überlassen, ob er das Geld in eine Versicherung steckt?

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik erfolgte auch eine schrittweise Hinwendung der Förderpolitik von einer sektoralen zu einer räumlichen Ausrichtung, der so genannten zweiten Säule - ich habe sie eingangs schon erwähnt -, für viele mit dem EPLR, dem Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum, verbunden. Ohne Frage ist die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig im ländlichen Raum, aber nur die Landwirtschaft allein reicht für attraktive ländliche Räume nicht aus.

Aufgabe der zweiten Säule ist die Begleitung der Landwirtschaft beim strukturellen Anpassungsprozess. Lebenswerte ländliche Räume für alle Menschen zu schaffen, die auf dem Lande leben, ist das erklärte Ziel. Das geht weit über agrarstrukturelle Anforderungen hinaus. Der Rahmen, in dem wir uns bewegen - ich nannte ihn schon -, ist die ELER-Verordnung. Sie ist die Lanze für die Multifunktionalität der Landwirtschaft und den Ausbau vitaler ländlicher Räume.

Wir haben uns in Sachsen-Anhalt mit der Allianz für den ländlichen Raum und den Leitlinien zur Entwicklung des ländlichen Raumes früh auf den Weg gemacht, um den ländlichen Raum zu stärken. Wir haben dabei berücksichtigt, dass der ländliche Raum eben viele Gesichter hat. Wir halten einen ganzen Koffer verschiedenster Werkzeuge für die ländliche Entwicklung vor. Das Maßnahmenspektrum ist weiter geworden, aber auch bewährte investive Maßnahmen werden fortgeführt.

Natürlich ist die wirtschaftliche Entwicklung, die Schaffung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen ein sehr wichtiger, aber eben nicht der alleinige Faktor. Auch die anderen Punkte, beispielsweise der Zugang zu Grundversorgungseinrichtungen, müssen stimmen. Bei fehlenden Bildungs-, Kultur- und Gesundheitseinrichtungen, bei fehlenden Kindergärten und Schulen fällt die Entscheidung der Unentschlossenen gegen ein Leben auf dem Land. Deshalb ist zum Beispiel die Förderung von Schulen und Kindertageseinrichtungen in zentralen Orten im ländlichen Raum neu im Programm.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Schon an diesem Beispiel ist unschwer zu erkennen: Die zweite Säule der Agrarpolitik hat sich mit diesem Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum weiterentwickelt. Da hinkt die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ noch hinterher; denn Maßnahmen können über diese Gemeinschaftsaufgabe nur kofinanziert werden, wenn sie einen agrarstrukturellen Bezug haben. So sehen es die geltenden gesetzlichen Regelungen vor. Die Gemeinschaftsaufgabe kann die ganze Breite der ELER-Verordnung noch nicht abdecken. Zum Beispiel fällt die Förderung von bestimmten Infrastruktureinrichtungen zur Grundversorgung hier durch das Raster.

Auch die Honorierung von Bewirtschaftsauflagen in Natura-2000-Gebieten ist derzeit über die Gemeinschaftsaufgabe nicht förderfähig. Aber Herr Bundesminister Seehofer beabsichtigt, diese Gemeinschaftsaufgabe stärker zu einem Förderinstrument für den ländlichen Raum zu entwickeln. Das wird ohne Frage von uns unterstützt, aber - auch das füge ich hinzu - wenn

man dieses breite Spektrum abdecken will, dann wird es ohne eine Aufstockung der Bundesmittel nicht machbar sein. Ich zähle aber auf das Wort der Bundesregierung, die angedeutet hat, die Gemeinschaftsaufgabe für die Jahre 2008 und 2009 aufzustocken.

Meine Damen und Herren! Ein immer noch brisantes Thema in der hiesigen Agrarpolitik ist die Privatisierung ehemals volkseigener Flächen. Die Verfügbarkeit von Grund und Boden ist und bleibt für ein landwirtschaftliches Unternehmen von existenzieller Bedeutung.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

In Sachsen-Anhalt ist der Anteil der Eigentumsflächen an der selbstbewirtschafteten Fläche mit 15,2 % immer noch gering. Unsere Landwirtschaft bleibt eine Pachtlandwirtschaft. Die größte Bedeutung bei Flächenverkäufen aus öffentlicher Hand hat die BVVG. Problematisch war, dass die Privatisierung vorrangig über den Verkauf der Flächen erfolgen sollte. Das stellte die Landwirte in den neuen Bundesländern zum Teil vor massive Liquiditätsprobleme.

Der Landwirt ist auf Flächen angewiesen. Flächenverluste bezahlt er mit Rentabilitätsverlusten, die ihrerseits negativ auf die Liquidität wirken. Er wird bei einem drohenden Flächenverlust letztendlich den Flächenkauf bevorzugen, aber dadurch werden finanzielle Mittel gebunden, die er für andere betrieblich notwendige Investitionen nicht zur Verfügung hat. Das heißt, die Flexibilität der Unternehmen wird dadurch eingeschränkt.

Zum Ende des Jahres 2006 wurde zwischen dem Bund und den Agrarministern der neuen Länder ein Privatisierungskonzept vereinbart, das die Probleme bei der Privatisierung entschärfen soll. Dabei musste man den unterschiedlichen Interessen, einerseits denen der Agrarstruktur und andererseits den fiskalischen Interessen des Bundes, gerecht werden. Optimal ist die Lösung nicht, aber ich denke, dass ist der kleinste gewonnene Kompromiss.

Sachsen-Anhalt wird sich - das sei an dieser Stelle gesagt - auch in Zukunft für eine marktschonende Privatisierung einsetzen, wie wir sie zum Beispiel mit den Landesflächen durch die Landgesellschaft in SachsenAnhalt praktizieren.