komplexe Dinge einfacher lösen kann - Ärger, wo auch immer -, die Welt muss nur noch das machen, was Sie sagen. Insofern ist es gut, dass es die Debatte gibt.
Ich spreche hier als Regierungsmitglied - das werden Sie auch erwarten -, das von dem zutiefst überzeugt ist, was es sagt. Ich weiß aber auch, dass es bei einigen Mitgliedern meiner Partei - bevor es mir andere sagen - unterschiedliche Sichtweisen zu dieser Thematik gibt. Auch da versuche ich zu bekehren, dass unsere Haltung nicht falsch ist, und gebe die Hoffnung nicht auf. Ich nehme diese unterschiedliche Meinung zur Kenntnis und finde sie auch gut. Aber ganz so einfach, Frau Dr. Klein, geht es dann doch nicht.
Sie sprachen von Bofinger. Ich habe das alles gelesen. Ich glaube, ich habe bisher noch keinem Gremium angehört, das mehr Papier produziert hat als dieses Gremium. Ich weiß nicht, ob Sie das ein wenig nachvollzogen haben. Die Drucksachen schwirrten nur so durch den Raum. Es waren ganze Pakete, und vor jeder Kommissionssitzung gab es eine Auslage und man konnte, wenn man es nicht schon hatte, sich den Packen nehmen. Ich hatte ihn meistens schon gut abgeheftet bei mir. Das Lesen aller Drucksachen war aber gar nicht möglich. Es gab auch Anhörungen mit Professoren - ich komme gleich zu meinem eigentlichen Text -, und nach der Anhörung mit diesen Professoren war ich ratloser als vorher.
Sie haben Bofinger angesprochen. Ich könnte genau das Gegenteil anführen, will aber nicht Professor Seitz nennen. Aber es gibt dazwischen noch einige, die versucht haben, ausgewogen zu argumentieren. Auch die Ausführungen von Professor Seitz habe ich nachvollziehen können, nur er hat mit seiner Art und Weise das Kontrastprogramm dargestellt.
- Er war nicht unumstritten. Sehen Sie, das passt Ihnen nun wiederum nicht, was er gesagt hat. - Insofern muss man sich das genau anschauen. Es gab dort viele Diskussionen.
Wir haben im Landtag anlässlich der Haushaltsdebatten die hohe Verschuldung thematisiert. Die vier Fraktionen in diesem Landtag - das will ich keiner Fraktion ersparen - waren sich meistens einig, dass die hohe Verschuldung des Landes erstens zurückzuführen ist auf die Politik aller Regierungen, aller Fraktionen, die hier direkt oder indirekt mit Verantwortung getragen haben.
Das trifft auch auf Sie mit bestimmten Entscheidungen zu. Kollege Gallert hat vorhin mit erhobenem Zeigefinger auf mich gezeigt. Diese Entscheidungen gab es damals
- Genau! Ich habe aber auch andere Fraktionen dort gesehen, Herr Scharf. Ich glaube, es sind alle dort gewesen.
Beide zusammenarbeitenden Blöcke, die man thematisiert hat, haben ungefähr - das war, glaube ich, nicht beabsichtigt, kam aber dann doch so, dass es stimmte - die Hälfte durch ihre Arbeit hinzugefügt.
Zweitens. Wir waren uns immer einig, dass die hohe Verschuldung sowohl die finanzpolitischen als auch die fachpolitischen Spielräume, die wir uns alle wünschen, enorm einengt. Mit anderen Worten: Die hohe Gesamtverschuldung ist eine der größten Entwicklungshindernisse in Sachsen-Anhalt.
Sie haben heute früh die Kostenfreiheit in Sachsen so gelobt. Das ist in Ordnung. Sachsen hat es zwar nicht leicht, aber trotzdem sehr konsequent geschultert, was die Auswirkungen der SachsenLB betrifft, im Vergleich zu der Pro-Kopf-Belastung an Zinsen, die wir haben. Deswegen sollte sich keine Fraktion hier hinstellen und sozusagen mit dem Finger auf die andere Fraktion zeigen und sagen: Ihr wollt das doch bloß nicht.
Wir haben unter dieser Milliarde Euro mehr zu leiden als Sachsen unter seiner Zinsbelastung mit diesem Haushalt. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.
Das ist die Situation in Sachsen-Anhalt. Ähnlich sieht es beim Bund und in einigen Ländern und Kommunen aus. Die Länderstruktur ist sehr unterschiedlich.
Nun verlangt die Finanz- und Wirtschaftskrise von uns, dass wir zusätzliches Geld einsetzen. Wir haben gerade darüber gesprochen; ich will das nicht weiter ausführen. Insbesondere der Bund sieht sich in der Pflicht, mit zusätzlichem, nämlich geborgtem Geld die Krise zu bekämpfen.
Ich habe immer über die Bundespolitiker gestaunt, die uns dauernd Vorhaltungen machen und sagen, was die Länder tun sollten. Teilweise können die Länder einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Der Bund hat sich davon bereits verabschiedet. Trotzdem haben viele Bundespolitiker ihren Habitus nicht abgelegt, uns zu erklären, wie es geht. Das hat auch zu mancher Spannung in der Kommission geführt.
Ausgehend von der Befürchtung, dass eine nach einigen Jahren erneut wachsende Verschuldung der öffentlichen Haushalte künftige Generationen in unverantwortlicher Weise belasten wird, haben sich Bund und Länder im Rahmen der Föderalismusreform II auf Grundsätze verständigt, wie im Laufe der Krisenbekämpfung und nach Überwindung der Krise die Verschuldung begrenzt werden kann. Das war eine sehr komplizierte Diskussion.
Im Vordergrund steht der Gedanke, künftigen Generationen wieder Spielräume zu ermöglichen. Auch wir haben die Gesamtverantwortung, zukünftigen Parlamenta
riern mehr Möglichkeiten der Gestaltung zu geben, als wir sie heute haben. Ich denke, das ist auch ein Auftrag an uns. Deshalb hat sich am 12. Februar 2009 die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf folgende Ergebnisse geeinigt:
Die Haushalte von Bund und Ländern sind spätestens ab dem Jahr 2020 grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Beim Bund ist dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass die Einnahmen aus Krediten in der konjunkturellen Normallage 0,35 % vom BIP nicht überschreiten. Für die Landeshaushalte wird für die Zeit ab dem Jahr 2020 kein struktureller Verschuldungsspielraum vorgesehen. Es gibt also praktisch ein Verschuldungsverbot.
Das ist übrigens nichts Neues in unserer Diskussion. Sie haben von der Landesregierung in der mittelfristigen Finanzplanung im letzten Herbst konsequent die Hinführung der Ausgabenstruktur zu einer strukturellen Null, zu Überschüssen erlebt. Das ist praktisch das Gleiche. Es gibt die klare Ansage, dass wir durch Personalabbau, Strukturveränderungen und die Rücknahme von Ausgaben dieses Strukturdefizit, das wir heute noch haben, abbauen und die Überschüsse zum Normalfall in unserem Landeshaushalt machen. Das ist die praktische Überlegung.
Die Wirklichkeit hat die Mipla natürlich schneller überholt, als ich das damals ahnen konnte. Darüber muss man jetzt nicht lächeln, denn ich gebe es offen zu. Ich glaube aber, dass niemand geahnt hat, dass eine mittelfristige Planung in dieser Art über den Haufen geworfen würde.
Eine symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Situation ist für Bund und Länder zulässig. Das heißt, konjunkturbedingte Defizite im Abschwung sind zulässig, wenn in entsprechender Weise konjunkturbedingte Überschüsse im Aufschwung vorgesehen werden. Das ist eigentlich ein Lehrsatz, den alle Haushaltspolitiker schon seit vielen Jahrzehnten kennen. Das war auch immer die Diskussion beim Bund: Wohin das geführt hat, wissen alle Parteien, die im Bundestag Verantwortung getragen haben.
Es gibt ein so genanntes Kontroll- oder Ausgleichskonto. Auf diesem Konto werden nach Abschluss eines jeden Haushaltsjahres die Abweichungen von der zulässigen Kreditaufnahme festgehalten und saldiert. Bei einer Unterschreitung der Verschuldungsgrenze im jeweiligen Haushaltsjahr kommt es zu einer Gutschrift auf diesem Konto. Eine Überschreitung führt zu einer Belastung des Kontos. Überschreiten die saldierten Belastungen des Kontrollkontos den Schwellenwert von 1,5 % des BIP, so sind diese konjunkturgerecht zurückzuführen.
Das heißt, es gibt Spielräume. Es gibt Möglichkeiten, mit Konjunkturzyklen auch den Haushalt zu bewegen, allerdings dann, wenn die strukturellen Defizite zurückgefahren worden sind.
Bei Notsituationen - etwa bei Naturkatastrophen - soll es eine Ausnahmeklausel geben, die eine zusätzliche Kreditaufnahme ermöglicht. Schmunzelnd füge ich hinzu: Es gab einen langen Streit zwischen Verfassungsrechtlern in der Kommission, ob ein Tsunami nicht einer Finanzkrise gleichzusetzen sei. Leute mit gesundem Menschenverstand haben aber dafür geworben, solche Dinge auseinanderzuhalten.
Wird von der Ausnahmeklausel Gebrauch gemacht, so müssen die aufgenommenen Kredite nach einem verbindlichen Tilgungsplan zurückgezahlt werden. Ich denke, das kennen Sie.
Die neue Schuldenregelung soll erstmals für den Haushalt 2011 gelten. Aufgrund der aktuellen Verschuldung wegen der Finanzmarktkrise gibt es eine Übergangsregelung. Der Bund startet 2011 mit einem erweiterten strukturellen Verschuldungsspielraum, der dann in Analogie zu den Vorgaben der Europäischen Kommission in jährlichen Schritten von 0,25 % des BIP bis zum Erreichen der 0,35%-Grenze zurückgeführt werden soll.
Bestandteil der Vereinbarung sind auch die Konsolidierungshilfen für Länder, die stark durch ihre Gesamtverschuldung und damit durch die Zinslasten belastet sind. Hierbei gilt für Flächenländer mit einer Zinslast im Jahr 2007 von 125 bis 150 % des Länderdurchschnitts ein Betrag von 80 Millionen €. Für Flächenländer mit einer Zinslast von über 150 % des Länderdurchschnitts wird ein Betrag von 260 Millionen € zugrunde gelegt. Für Stadtstaaten mit einer Zinslast im Jahr 2007 von 250 bis 300 % wird ein Betrag von 80 Millionen € jährlich, für Stadtstaaten mit einer Zinslast über 300 % ein Betrag von 300 Millionen vorgesehen.
Hieraus ergibt sich für die Länder Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zur Erleichterung der Einhaltung der neuen Schuldenregelung die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Konsolidierungshilfen. Bei uns haben diese eine Höhe von 80 Millionen €.
Ich sage ausdrücklich: Weder der Ministerpräsident noch ich, ob in der Kommission oder jeweils in den Parteirunden, haben sich anfangs dafür stark gemacht, dass wir dieses Geld unbedingt bekommen, sonst gebe es keine Zustimmung des Landes. Das haben andere Länder gemacht. Wir haben mit unseren Möglichkeiten dafür geworben, dass man, wenn man Geld auszahlt, dann objektiv zu entscheiden versucht, welche Länder Geld bekommen.
Es gab zwischenzeitlich den Vorschlag: Ein Land von euch, eines von denen! Oder es wurde die Frage diskutiert: Welche Länder neben Bremen und dem Saarland könnten das bekommen? - Aufgrund der Zinslast pro Kopf, die wir uns nicht ausgesucht haben, ist SachsenAnhalt dann in diesen Kreis hineingeraten.
Sie werden von keiner Landesregierung, die halbwegs vernünftig durch die Welt geht, erwarten, dass sie das ablehnt, noch dazu, da wir aufgrund der Fortschrittsberichte sowieso unter starker Aufsicht stehen. Das heißt, wir sind - das wollte ich am Schluss noch einmal sagen - sowieso gehalten zu konsolidieren. Wenn man jetzt Möglichkeiten bekommt, diese Konsolidierung mit Unterstützung anderer fortzuführen, halte ich es für richtig und vernünftig, das Geld auch mitzunehmen.
Diese finanziellen Lasten sollen je zur Hälfte vom Bund und von allen Ländern getragen werden. Die Beträge - ich will das nur auf uns beziehen - liegen dann netto bei 68 Millionen € - mit den 50 Millionen €, die Sie vorhin genannt haben, kann ich jetzt nichts anfangen -, brutto sind es 80 Millionen €. Es gibt den Umsatzsteuervorwegabzug. Dann wird der Betrag für jedes Land definiert.
Im Gegenzug müssen sich die fünf Länder dann dem Stabilitätsrat mehr öffnen. Der wird neu installiert; dort werden sich die Finanzminister treffen. Dort soll offener
als bisher im Finanzplanungsrat auch die jeweilige Haushaltssituation der Länder begutachtet werden. Das gab es schon einmal. Die Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein mussten sich sehr stark der Diskussion der anderen Länder stellen, und es wurde dort aufgezeigt, dass diese Länder ihre Haushalte in Zukunft auch ohne Hilfen konsolidieren könnten. Es gibt die Hilfen. Wir werden sie nutzen. Wir werden natürlich die Kontrollmöglichkeiten erweitern müssen, das ist völlig klar.
Offen in diesem Punkt ist noch, inwieweit die Kommunen in das System einbezogen werden. Es gibt einige, die das möchten, wofür vieles spricht. Andere möchten, dass es eine klare Trennung zwischen Ländern und Kommunen gibt. Das wird noch zu diskutieren sein.
Gleichzeitig mit einer neuen Schuldenregelung wird ein Frühwarnsystem zur Vermeidung künftiger Haushaltsnotlagen eingeführt. Ein neu einzurichtender Stabilitätsrat - ich habe es erwähnt - wird das Ganze begleiten. Die Beschlüsse und Beschlussunterlagen werden veröffentlicht; das heißt, das Ganze ist ein transparenter Prozess.
Die Landesregierung hat diesem Paket zugestimmt, und zwar aus zwei Gründen: Erstens weil wir unmittelbar davon profitieren. Der zweite Grund für die Zustimmung ist die schlichte Tatsache, dass wir glauben, dass die restriktiven Regelungen - dazu mag es unterschiedliche Auffassungen zwischen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern geben - heute und auch in Zukunft nötig sind.
- Wenigstens ein einziger Parlamentarier unterstützt diese Regierung. - Ich habe aufgezeigt, dass wir trotz dieser restriktiven Haushaltsführung der letzten Jahre genug Spielräume haben, um zu gestalten. Das Land Sachsen-Anhalt hat in seinen Haushalten viel mehr Möglichkeiten, viel mehr Geld, als das Saarland und Schleswig-Holstein derzeit haben.
Ich weiß auch, dass jetzt die Diskussion anhebt: Wer darf eigentlich wem was vorschreiben? - Sprich: Der Bund beschließt für die Länder mit. Hierbei mache ich mir die grundsätzliche und auch etwas überbordende Haltung des Bundes nicht zu eigen. Ich will sagen: Da konnte ich - weil ich selbst ein Parlamentarier bin, auch wenn es manche jetzt nicht mehr glauben - so manche Diskussion auch nicht nachvollziehen, als man dann sagte: Das BMI und das BMJ haben ein Gutachten geschrieben; das ist okay so, deswegen müssen die Länder das auch nachvollziehen. - Es gab massive Kritik auch vonseiten der Ländervertreter innerhalb der Kommission. Das war okay.
Ob man nun gleich mit der Keule des Verfassungsgerichts drohen muss, wird man sehen. Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn wir heute das Signal aussenden: Macht das mal, denn dann werden diese oder jene Schritte vollzogen! - Das soll jede Fraktion, jeder Parlamentarier für sich entscheiden. Ich kann damit umgehen und habe dafür auch Verständnis. Sie müssen allerdings auch Verständnis für die Landesregierung haben. Wir sitzen als selbständiges Organ da und halten das, was jetzt gemacht wird, vom Ergebnis her für unterstützenswert.
Die Fraktion DIE LINKE hatte immer das Problem der Diskussion. Mal ist sie - Frau Dr. Klein hat das gerade
gesagt - dafür, dass wir endlich konsolidieren; das will sie auch mitmachen. Wenn aber die Restriktionen in einer Konsolidierung greifen, will man sich dem möglichst entziehen. - Es ist okay.