Protokoll der Sitzung vom 12.11.2009

Aber sie sind sich darüber einig: Wir brauchen in einigen großen Bereichen Reformen und damit müssen wir jetzt beginnen.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß, dass das noch richtig schwierig werden wird. Es gibt eine ganze Menge von Dingen, zu denen ich mich jetzt so schnell gar nicht äußern will. Aber dass im Gesundheitswesen - weil Sie das Gesundheitswesen angesprochen haben - dringender Reformbedarf besteht, das weiß in Deutschland inzwischen jeder, der Adam Riese richtig verstanden hat.

(Frau Budde, SPD: Fragt sich nur, zu wessen Lasten! - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Das können wir einmal deutlich sagen. Ich habe in den fast 20 Jahren, die ich in dem Geschäft bin, mehr Politiker an Adam Riese scheitern sehen als am politischen Gegner.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Deswegen müssen wir es uns gelegentlich schon leisten zu rechnen, bevor wir entscheiden.

Meine verehrten Kollegen von der FDP, Ihre Freude wundert mich auch manchmal. Ich habe miterlebt, dass wir hier einen Antrag zum Thema „Null Verschuldung ab sofort - keine Aufnahme neuer Schulden mehr“ behandelt haben.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Ich habe Ihren Kollegen in der Föderalismuskommission erlebt, der dort einen fast wortgleichen Antrag eingebracht hat. Wir können heute nur froh sein, dass diese Anträge keine Mehrheit gefunden haben. Wie sollten wir denn sonst mit diesen ganzen Sachen umgehen?

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Herr Miesterfeldt, SPD: Die können halt beides nicht!)

Die Bundesregierung hat in guter Absicht

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

- ihr seid ja dann noch dran -, um das Wirtschaftswachstum so schnell wie möglich zu beschleunigen, dieses

Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht, über das wir uns gegenwärtig auch deutlich kontrovers unterhalten.

Die Ausfälle, die Sie zitiert hatten, sind ein Summationseffekt aus dem Bürgerentlastungsgesetz, das die SPD in der letzten Legislaturperiode noch mitbeschlossen hat.

(Frau Budde, SPD: Richtig!)

Da sollten wir uns also jetzt ein klein wenig zurückhalten. Das sind Gesamtausfälle von etwa 14 Milliarden € für die öffentliche Hand. Hinzu käme jetzt, wenn es so beschlossen würde, dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das nach den bisherigen Kalkulationen etwa 8,4 Milliarden € zusätzliche Minderausgaben für die öffentliche Hand bedeuten würde.

Vorgesehen sind im Jahr 2010 etwa 3,8 Milliarden € für den Bund, 1,4 Milliarden € für die Länder und 0,8 Milliarden €, also 800 Millionen €, für die Gemeinden.

(Frau Budde, SPD, nickt)

Wenn das so käme - ich sage das bewusst im Konjunktiv -, würde das für Sachsen-Anhalt zusätzliche Mindereinnahmen von etwa 70 Millionen € im Jahr 2010 bedeuten. Im Jahr 2011 werden es dann mehr. Auch das muss man deutlich sagen.

(Frau Budde, SPD: Ja!)

Darüber wird zurzeit noch kontrovers verhandelt. Ich will das ganz deutlich sagen: am wenigsten mit SachsenAnhalt, weil niemand in Berlin damit rechnet, dass wir zustimmen.

(Frau Budde, SPD, lacht)

Aber mit den Ländern, die im Bundesrat gebraucht werden, finden zurzeit fast täglich umfangreiche Verhandlungen statt.

(Frau Budde, SPD: Ja!)

Ich bin dankbar - - Nein, dankbar ist das falsche Wort. Ich weiß, dass es Länder gibt, die aufgrund ihrer Haushaltssituation genauso wenig Spielraum haben wie wir.

(Herr Kosmehl, FDP: Ja!)

Zum Glück gibt es wenigstens ein Land, in dem das die FDP als Koalitionspartner offensichtlich kapiert hat. Diese Situation macht es zurzeit nicht gerade leicht, Mehrheiten zu organisieren.

Mein Problem - da bin ich ganz ehrlich, dass ich die Sicht des Landes und keine andere vertrete - ist Folgendes: Ich habe der Schuldenbremse aus Überzeugung zugestimmt - da unterscheiden wir uns -, weil ich der Meinung bin, wir müssen uns selbst in die Pflicht nehmen, eine diszipliniertere Haushaltspolitik zu betreiben.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU, und von Herrn Kosmehl, FDP - Frau Dr. Hüskens, FDP: Genau!)

Wir haben nach Verhandlungen, über die ich Ihnen im Einzelnen gar nicht viel erzählen will,

(Herr Kosmehl, FDP, und Herr Dr. Schrader, FDP, lachen)

erreicht, dass die Länder mit einer besonders schlechten Haushaltssituation aus einem Konsolidierungsfonds Geld bekommen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ja!)

Das werden 80 Millionen € brutto und 68 Millionen € netto sein. Das sieht das Grundgesetz vor.

Dieses Geld werden wir nur bekommen, wenn wir uns mit einem Vertrag, der Staatsvertragscharakter haben soll, mit der Bundesregierung und mit dem Bundesfinanzminister abgeschlossen, auf einen Konsolidierungspfad einlassen, um das Ziel der Nullverschuldung zu erreichen. Das wollen wir. Alle bisherigen Überlegungen für die mittelfristige Finanzplanung und darüber hinaus berücksichtigen dieses Ziel. Wir waren bis vor einem Vierteljahr der Meinung, wir werden es, wenn auch mühsam, erreichen können.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Wenn wir es nicht erreichen - das steht auch darin -, dann entfällt der Anspruch auf dieses Geld.

Nun ist die Situation so, dass wir einen zugesagten Anspruch auf 68 Millionen € jährliche Hilfe und aufgrund eines Gesetzes des Bundesgesetzgebers möglicherweise 70 Millionen € mehr Steuerausfälle als geplant haben. Angesichts dessen sage ich: Wir sollen dann noch damit bestraft werden, dass dieser Rechtsanspruch wegfallen würde? Das halte ich für nicht zumutbar.

(Zustimmung von Herrn Tögel, SPD)

Dem Bundesland Schleswig-Holstein geht es genauso, dem Saarland geht es genauso, Bremen geht es genauso. Deswegen gibt es zurzeit Diskussionen dieser Länder, die sagen: Das ist für uns ein juristisch noch nicht aufgearbeitetes Problem. Wir möchten wenigstens nicht dafür bestraft werden, wenn eine andere Mehrheit uns dazu zwingt, das Ziel, das wir uns gesteckt haben und das wir zugesagt haben, nicht zu erreichen. Darüber wird zurzeit sehr häufig und an vielen Stellen diskutiert und verhandelt. Ich bin der Meinung, dass wir dies auch ausdiskutieren müssen.

Das ist aber nur ein einziges Problem dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz betreffend. Mit Blick darauf den gesamten Koalitionsvertrag zu bewerten, halte ich für sachlich nicht gerechtfertigt.

Wahr ist, dass in dem Koalitionsvertrag - ich könnte Ihnen sogar die Seite sagen; ich glaube, es war Seite 12 - der für mich beruhigende Satz, den alle unterschrieben haben,

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

steht, dass jede Aussage dieses Koalitionsvertrages unter Haushaltsvorbehalt steht.

Das heißt, bevor wir die Sache beschließen, wollen wir erst wissen, ob wir uns das leisten können. Das ist etwas, das alle Länder in den gegenwärtigen Diskussionen immer wieder mahnend sagen.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Und ich bin völlig der Meinung, dass wir in Deutschland eine Steuerreform brauchen. Also, ich kenne niemanden, der das in den letzten 20 Jahren nicht behauptet hat. Da habe ich schon ganz heroische Formulierungen gehört.

Nur, über eines müssen wir uns im Klaren sein, damit wir uns nicht Illusionen hingeben: So notwendig, wie das auch ist - und das Einkommensteuerrecht in Deutschland ist das komplizierteste der Welt -: Keine einzige Passage in diesem hoch komplizierten Regelwerk ist

aus Gehässigkeit geschaffen worden. Alle Passagen sind nur aus Gutmütigkeit aufgenommen worden, um diese und jene besondere Lebenssituation im Einkommensteuerrecht noch abzubilden, dies immer mit der Absicht, noch mehr Gerechtigkeit hineinzubekommen.