Protokoll der Sitzung vom 13.11.2015

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank.

Wir wechseln das Thema, kommen vom Hund zum Brot. Der Abgeordnete Dr. Thiel stellt die Frage 6 zum Thema „Fördermittel für Lieken in Wittenberg“. Bitte schön. Es antwortet der Minister Herr Möllring.

Laut Medienberichten aus der Kalenderwoche 45 erhält der Backwarenhersteller Lieken für die Neuerrichtung eines Werkes in Wittenberg, bei gleichzeitiger Schließung des Werkes in Weißenfels, Fördermittel in Höhe von 11,25 Millionen € vom Land Sachsen-Anhalt. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Weißenfels sollen Arbeitsplätze am mehr als 100 km entfernten neuen Standort angeboten worden sein; zu welchen Bedingungen, ist unklar.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welcher Höhe hat das Land Fördermittel für

die Neuinvestition in Wittenberg in Aussicht gestellt oder bewilligt?

2. Im Falle einer in Aussicht gestellten oder er

folgten Fördermittelbewilligung: Inwiefern hat das Land qualitative Kriterien (zum Beispiel Einkommenshöhe, Vollzeitbeschäftigung, un- befristete Arbeitsverhältnisse, Übernahme und Beschäftigung von Auszubildenden) an die in Wittenberg entstehenden Arbeitsplätze geknüpft, um am neuen Standort gleich- oder höherwertige Arbeitsplätze zu schaffen?

Vielen Dank, Dr. Thiel. - Bitte, Herr Minister Möllring.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Kleine Anfrage wie folgt.

Die Entscheidung der Lieken AG bzw. des Agrofert-Konzerns, den Standort Weißenfels zu schließen, wurde unabhängig von der Frage getroffen, wo in Deutschland das einzige neue Werk der Lieken AG errichtet werden soll.

Der tschechische Agrofert-Konzern hat im Juni 2013 die damals wirtschaftlich stark angeschlagene Lieken AG übernommen und eine deutschlandweite Neustrukturierung der Lieken AG eingeleitet. Bestandteil dieser Neustrukturierung ist es, dass deutschlandweit insgesamt vier Werke geschlossen werden und bundesweit ein hochmodernes Werk einzig neu errichtet werden soll.

Im neu zu errichtenden Werk sollen die Produktionskapazitäten aus den vier zu schließenden Werken gebündelt und demzufolge auch dorthin verlagert werden. Nach meinen Informationen haben die vier Werke im Moment eine Jahresproduktion von 165 000 t. Das neue Werk soll eine Jahresproduktivität von 150 000 t haben.

Gleichzeitig sollen an den verbleibenden Standorten der Lieken AG, unter anderem in Brehna, Modernisierungsinvestitionen getätigt werden, also auch in Sachsen-Anhalt.

Von den Schließungen und Verlagerungen sind Werke in Bayern, in Hessen, in Niedersachsen und in Sachsen-Anhalt eben das Werk in Weißenfels und damit deutschlandweit ca. 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen.

Es ist selbstverständlich sehr bedauerlich, dass der Standort Weißenfels geschlossen wird. Aber letztlich ist es stets eine unternehmerische Entscheidung, ob Produktionsstandorte geschlossen werden sollen und welche dies sind.

Dass es aber gelungen ist, die bundesweit einzige Neuinvestition der Lieken AG nach Sachsen-Anhalt zu holen, bewerte ich als großen Erfolg. Bis zuletzt bestand in Bezug auf den Standort für die 200-Millionen-€-Großinvestition, die sich aus zwei Investitionen von 110 Millionen € und 90 Millionen € zusammensetzt, für ein neues Werk ein Standortwettbewerb zwischen einem Standort im Rhein-Main-Gebiet und dem Standort Piesteritz in Sachsen-Anhalt.

Ich habe mir wegen der 200 Millionen € einmal geben lassen, welche Großinvestitionen wir in den

letzten 15 Jahren in Sachsen-Anhalt hatten. In den letzten 15 Jahren waren zwei umfassender als 200 Millionen €, in den letzten zehn Jahren keine einzige. Das Aluminium-Werk Novelis hat die 200 Millionen € knapp verfehlt. Daran sehen Sie, welche Bedeutung diese Investition für unser Land Sachsen-Anhalt hat.

Der Erfolg hat natürlich viele Väter. Für den Standort Piesteritz hat sich insbesondere die Schwestergesellschaft der Lieken AG, die Agrofert Deutschland GmbH, von Anfang an starkgemacht und tritt auch als Investor am Standort Piesteritz auf.

Die Stadt Wittenberg hat durch zügige planungsrechtliche Entscheidungen die Bewerbungen für den Standort Piesteritz flankiert. Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft hat in Abstimmung mit der Investitionsbank eine Förderung aus GRWMitteln in Höhe von maximal 11 250 000 € für das Investitionsvorhaben in Aussicht gestellt; auch dies war unter anderem Voraussetzung für die Standortauswahl der Gremien der Lieken AG im direkten Standortvergleich mit dem Rhein-Main-Gebiet.

Jedes Unternehmen, das einen GRW-Antrag stellt, hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung; das habe ich gestern in Vorbereitung der heutigen Fragestunde schon einmal hier vorgetragen, allerdings in einem anderen Zusammenhang, und zwar als uns vorgeworfen wurde, dass wir die ganzen Entscheidungen bis zum Ende der Wahlperiode sammeln und das als Block abgeben, was wir ja nicht tun.

Ich will nicht verhehlen, dass wir natürlich im Ministerium auch darüber diskutiert haben, eine Höchstförderung von 11,25 Millionen € für eine Investition in Wittenberg, die immerhin die Heimatstadt unseres früheren Wirtschaftsministers und unseres heutigen Ministerpräsidenten ist, in Aussicht zu stellen.

Aber wieso soll ein Investitionsvorhaben schlechter behandelt werden als andere, nur weil es in Wittenberg stattfinden soll? - Das wäre reine Willkür und hätte mit rechtstaatlichem Handeln nichts zu tun. Im Guten wie im Negativen darf es weder positiv noch negativ bewertet werden, wo die Standortentscheidung stattfindet.

Die Agrofert Deutschland GmbH hat uns über die Großinvestition von 200 Millionen € für die Lieken AG hinausgehende Investitionszusagen von rund 5 Millionen € und weitergehende Arbeitsplatzzusagen in Piesteritz gemacht. Agrofert will nämlich Anfang 2016 die Zentrale nach Piesteritz verlegen. Die Agrofert Deutschland GmbH will also über die Lieken-Entscheidung hinaus am Standort Piesteritz weiter wachsen. Dies begründet und rechtfertigt die In-Aussicht-Stellung einer Höchstförderung von 11,25 Millionen € aus GRW-Mitteln.

Es bedarf übrigens keiner großen Vorstellungskraft, um sich vor Augen zu führen, wie die heutige Fragestunde verlaufen wäre, wenn der Standort Weißenfels geschlossen worden wäre und die einzige Großinvestition der Lieken AG im Rhein-MainGebiet erfolgt wäre. Dann wäre doch hier der Vorwurf gekommen, wir hätten nicht gekämpft oder Sachsen-Anhalt sei als Wirtschaftsstandort nicht attraktiv. Aber wir konnten das Gegenteil beweisen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Frage 1 wie folgt: Für die Neuinvestition hat das Land einen maximalen Zuschuss aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur in Höhe von 11,25 Millionen € in Aussicht gestellt; eine Bewilligung ist noch nicht erfolgt.

Vor der Bewilligung sind unter anderem die Voraussetzungen nach dem bundesweit geltenden GRW-Koordinierungsrahmen für Verlagerungsinvestitionen im Detail zu prüfen. Dieser Hinweis zeigt Ihnen auch, dass der GRW-Koordinierungsrahmen die Förderung von innerdeutschen Verlagerungsinvestitionen ausdrücklich zulässt.

Zudem haben wir den Antragsteller auf die Möglichkeit der Förderung von Forschungsprojekten nach den derzeit geltenden F&E-Richtlinien hingewiesen. Einzelne Projekte können nach der F&ERichtlinie mit maximal 400 000 € unterstützt werden.

Der Gesamtbetrag für Förderungen nach der F&ERichtlinie wurde auf maximal 5 Millionen € begrenzt. Hier liegen keine entsprechenden Anträge vor. Aber: In so einem Bewerbungsverfahren schreibt man ja den Firmen, welche Möglichkeiten alle in Sachsen-Anhalt gegeben sind. Daher habe ich eben darauf hingewiesen, dass die GRWFörderung möglich ist, aber auch die F&E-Förderung, um eben konzernintern die Stimmung ein bisschen für Sachsen-Anhalt zu bekommen.

Zur Frage 2: Die Förderung des Investitionsvorhabens soll auf der Grundlage der GRW-Landesregelungen erfolgen. Für die Bewilligung des maximal möglichen Fördersatzes in Höhe von 15 Prozentpunkten sind vom Unternehmen Struktureffekte nach Nr. 2.2.2 der geltenden GRW-Landesregelung zu erfüllen.

Dazu liegen aus dem GRW-Förderantrag des Investors folgende Informationen zu Dauerarbeitsplätzen vor: Es werden insgesamt 265 Vollzeitdauerarbeitsplätze geschaffen, darunter 27 Ausbildungsplätze. Damit liegt die Ausbildungsquote bei 10,19 %.

Von den 265 Dauerarbeitsplätzen sind 30 Dauerarbeitsplätze mit einem Mindestarbeitskommen

von 36 000 €, darunter acht Dauerarbeitsplätze für Frauen, vorgesehen. 53 neue Mitarbeiter haben einen Universitätsabschluss, einen Fachhochschulabschluss oder einen Meisterabschluss, also jeweils oder, nicht alle drei Abschlüsse.

Darüber hinaus hat der Investor, die Agrofert Deutschland GmbH, mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 zusätzliche Investitionszusagen von rund 5 Millionen € und weitergehende Arbeitsplatzzusagen in Piesteritz gemacht.

Die Agrofert Deutschland GmbH will über die Lieken-Entscheidung hinaus am Standort Piesteritz weiter wachsen. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister. Herr Minister, der Kollege Erben würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Gern.

Herr Minister, Sie haben vorgetragen, dass die Antragstellerin ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung für den Fall hat, dass die Voraussetzungen für die Förderung innerstaatlicher Verlagerungsmaßnahmen gegeben sind. Sie geben mir sicherlich darin Recht, dass sie keinen Anspruch auf Förderung hat. Aber das ist nicht meine Frage.

Soweit ich weiß, ist die Förderhöhe für innerstaatliche Verlagerungsmaßnahmen auf 10 Millionen € begrenzt. Sie haben jetzt mehrfach von 11,25 Millionen € gesprochen. In dem Zusammenhang würde mich interessieren, wie es zu der deutlich höheren Zahl als 10 Millionen € kommt.

Sie wissen, dass 10 Millionen € die normale Obergrenze ist, dass es aber die sogenannte Ministerentscheidung gibt. Das ist aber keine Entscheidung, die der Minister unter seiner Schreibtischlampe sitzend allein und aus dem Bauch heraus fällt; vielmehr hat es entsprechende Empfehlungen der Investitionsbank gegeben und es hat eine Prüfung in der entsprechenden Abteilung meines Ministeriums gegeben. Beide Prüfungen haben ergeben, vorzuschlagen, hierbei über die 10 Millionen € hinauszugehen. Dafür haben wir nicht nur das Werk mit der Investition von 200 Millionen €, sondern auch die Zusage, dass die Agrofert ihren Sitz nach Piesteritz verlegt, einhandeln können. Deshalb haben wir das in Aussicht gestellt.

Vielen Dank. - Gibt es eine weitere Nachfrage?

Ja. - 11,25 Millionen € ist ja eine recht krumme Zahl. Wie kommt es denn zu den 11,25 Millionen € im Verhältnis zu der Investitionssumme, die recht rund ist?

Also die Frage habe ich mir bis heute nicht gestellt. Das war der Vorschlag der IB; dem bin ich gefolgt. Ich kann gern einmal fragen, wie die IB auf 11,25 Millionen € kommen.

Möglicherweise hat das etwas mit den Wertgrenzen zu tun, bei denen Sie eine Genehmigung der Europäischen Kommission brauchen.

Das glaube ich nicht. Nein.

Jetzt hat Herr Gallert noch eine Nachfrage.

Herr Minister, mir geht es noch einmal um die Qualitätskriterien der Arbeitsplätze. Sie haben die 36 000-€-Grenze genannt. Ich weiß jetzt nicht mehr ganz genau, wie viele von den 256 Arbeitsplätzen darüber liegen. Darüber hinaus sprachen Sie von Dauerarbeitsplätzen.

Ich bin nicht im Wirtschaftsausschuss vertreten und muss das nicht wissen. Daher frage ich Sie jetzt: Bedeutet der Begriff Dauerarbeitsplätze, dass es sich dabei um unbefristete Arbeitsverhältnisse handelt? Man kann auch einen Dauerarbeitsplatz durch permanent befristete Arbeitsverträge besetzen. Das hätte ich gern gewusst. Und heißt Dauerarbeitsplätze Vollzeitarbeitsplätze?