Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/441

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und des Verbandsgemeindegesetzes

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/448

Beschlussempfehlung Ausschuss für Finanzen - Drs. 6/645

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/659

Entschließungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/660

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/670

Bei dem letztgenannten Änderungsantrag handelte es sich ursprünglich um einen Alternativantrag, der dann in Abstimmung mit der Fraktion jedoch in einen Änderungsantrag umgewandelt worden ist.

Die erste Beratung fand in der 10. Sitzung des Landtages am 6. Oktober 2011 statt. Als Erster spricht Herr Barthel als Berichterstatter des Ausschusses. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gern habe ich die Berichterstattung zu der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen übernommen.

Ihnen liegen der Gesetzentwurf der Landesregierung und der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vor. Beide Gesetzentwürfe wurden in der 10. Sitzung des Landtages am 6. Oktober 2011 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Finanzen und zur Mitberatung an den Ausschuss für Inneres überwiesen.

Da das Finanzausgleichsgesetz zum 31. Dezember 2011 ausläuft, war es notwendig, das beste

hende Gesetz bis zu der geplanten Novellierung zunächst fortzuschreiben. Die kommunale Finanzausstattung zur Erfüllung der Aufgaben war unter Berücksichtigung der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen anzupassen.

Mit der Änderung des Verbandsgemeindegesetzes soll im Interesse der Rechtssicherheit eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Verbandsgemeindeumlage aufgenommen werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der 7. Sitzung am 3. November 2011 hat der Ausschuss eine Anhörung durchgeführt. Eingeladen waren neben Vertretern der kommunalen Spitzenverbände auch Vertreter von Gemeinden, Landkreisen und kreisfreien Städten. Daneben wurden auch Stellungnahmen vonseiten der Wissenschaft und vom Thüringer Finanzministerium eingeholt.

In der 9. Sitzung hat der Ausschuss den Gesetzentwurf der Landesregierung als Beratungsgrundlage festgelegt und eine vorläufige Beschlussempfehlung in der Fassung des Gesetzentwurfs der Landesregierung erarbeitet.

Der Ausschuss für Inneres hat sich in der 10. Sitzung am 24. November 2011 mit den Gesetzentwürfen befasst und dem federführenden Finanzausschuss empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung der Änderungsempfehlungen des GBD zu beschließen.

In der 17. Sitzung hat der Ausschuss für Finanzen die Ihnen in der Drs. 6/645 vorliegende Beschlussempfehlung an den Landtag erarbeitet. Zu dieser Sitzung lagen zahlreiche Änderungsanträge der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE vor. Diese wurden mehrheitlich abgelehnt.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen enthielt zum einen alle erforderlichen Änderungsbefehle, um das Finanzausgleichsgesetz hinsichtlich seines Geltungszeitraumes auf das Jahr 2012 zu begrenzen. Zum anderen hatte der Änderungsantrag zum Inhalt, dem Ausgleichsstock im Jahr 2012 Mittel in Höhe von 20 Millionen € zur Aufstockung der allgemeinen Zuweisungen für die kreisangehörigen Gemeinden zu entnehmen.

Darüber hinaus regelt der Änderungsantrag die Aufstockung dreier Töpfe der besonderen Ergänzungszuweisungen, nämlich nach SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende -, nach SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe - und nach SGB VII - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Die von den Fraktionen der CDU und der SPD beantragten Änderungen wurden mehrheitlich beschlossen und sind in der vorliegenden Beschlussempfehlung enthalten. Der Ausschuss für Finanzen bittet um Zustimmung zu der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Barthel. - Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Die Fraktionen erhalten in der Reihenfolge DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU das Wort. Für die Landesregierung spricht zunächst Herr Minister Bullerjahn. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zweite Lesung des FAG steht an. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen sehr ausführlich und intensiv in allen erdenklichen Runden über dieses Thema geredet.

Ich glaube, dieses Gesetz hat die Öffentlichkeit sehr stark beschäftigt oder jedenfalls diejenigen, die meinen, für die Öffentlichkeit zu reden, und die dann doch eher über ihre eigenen Strukturen reden. Ich denke, es ist wichtig, weil es den Bereich der Daseinsvorsorge der Kommunen und die dort wohnenden Bürgerinnen und Bürger betrifft.

Ich denke, dass so manche Debatte doch etwas über das Ziel hinausgeschossen ist und die Sachlichkeit manchmal auf der Strecke blieb. Aber das ist wahrscheinlich an dieser Stelle gar nicht anders möglich.

Das Gesetz ist auch nicht einfach. Wir haben uns rechtzeitig - das wurde schon von mir und von anderen Rednerinnen und Rednern gesagt - dazu entschlossen, das FAG strukturell nur fortzuschreiben. Ich lasse jetzt einmal die ganze Diskussion über die Frage der Quotenregelung und der Aufgabenbezogenheit weg.

Ich erinnere mich noch gut an die Anhörung. Just an diesem Tag wurde in dem Thüringer Gerichtsurteil festgestellt, dass die Auskömmlichkeit in Thüringen gewährleistet sei. Das hat in dieser Anhörung leider keine Rolle mehr gespielt, weil es auch nicht so richtig in den Tag passte.

Aber man sieht, so einfach ist es dann doch nicht, nur zu sagen: Das FAG ist dann gut, wenn es einfach mehr Geld bringt. Es wurde ja festgestellt, dass man bei noch mehr Geld im System manche vielleicht noch glücklicher machen würde, aber andere, die Hilfe brauchten, überhaupt nicht erreicht. Denn durch die Verteilungswirkungen müssten manche aufgrund der Unterschiedlichkeit der Dauer des Bezuges von Ausgleichsleistungen sehr viel Geld bekommen, damit etwas dabei herauskommt, andere würden es gleich wieder abgezogen bekommen. Deswegen glaube ich schon, dass der Ansatz, nur mehr Geld mache alle glücklich, an dieser Stelle schon sehr fragwürdig ist.

Ich habe heute früh gehört, dass einige Fraktionen jetzt mehr Sparsamkeit fordern. Aber wenn ich mir die Änderungsanträge zum Beispiel von der LINKEN anschaue, dann sage ich: Hut ab! Da geht es nicht nur um 10, 20 oder 30 Millionen €, da geht

es um mehrere Hundert Millionen Euro. Dann bin ich wieder bei der Frage, die ich heute früh gestellt habe: Wo kommt es denn her?

(Zuruf von Frau Tiedge, DIE LINKE)

Ich gönne jeder Kommune mehr Geld. Ich weiß, dass etliche Kommunen damit nicht nur Gutes machen würden und dass sich damit bestimmte Strukturfragen nicht automatisch erledigen würden. Aber diejenigen, die so etwas beantragen, müssen dann auch die Frage beantworten, wo das Geld herkommen soll.

Ich glaube schon, dass es wichtig ist. Viele Diskussionen und Gespräche mit den Kommunen und mit den Spitzenverbänden haben aufgezeigt, dass es Schwierigkeiten gibt.

Ich war nur überrascht, dass die grundsätzliche Kritik so groß war, selbst bei vielen Mitgliedern dieses Parlamentes. Wir haben dieses Gesetz hier beschlossen. Selbst Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, auch die kommunalen Spitzenverbände - ich habe mir die Berichterstattung zum letzten FAG angeschaut - haben das damals so nicht vorhergesehen.

Es mag im Nachgang allen zugestanden werden, dass niemand dabei war und dass es alle besser wussten. Aber die Verteilungsmechanismen, wie sie sich heute darstellen, sind beschlossen worden und sie sind in ihrer Wirkung - davon bin ich überrascht - auch aus meiner Sicht zum Teil sehr fragwürdig. Aber zu behaupten, es sei alles vorhersehbar gewesen, ist nicht korrekt. Das habe ich in der Bewertung der einzelnen Unterlagen so nicht gesehen.

Das Land hat die doppelte Verantwortung, zum einen für einen Haushalt, der ohne neue Schulden auskommen soll und mit dem Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Diejenigen, die mehr Geld für die Kommunen haben wollen, müssen die Frage beantworten, an welchen Stellen man mit weniger Geld auskommen kann, im Bereich der Kultur, der Wirtschaft, beim Straßenbau oder wo auch immer. Zum anderen gibt es die grundsätzliche Forderung, im Lichte der Angemessenheit strukturell etwas zu tun.

Deshalb haben wir uns entschlossen, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Die Erarbeitung steht an. Ich sage hier noch einmal: Aufgrund dessen, dass wir mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit vielen Praktikerinnen und Praktikern geschaut haben, was ist die Grundlage des Gutachtens, gehe ich davon aus, dass wir mit den Ergebnissen des Gutachtens und auf der Basis eigener Überlegungen dazu kommen werden, vernünftige Vorschläge im ersten Halbjahr 2012 zu diskutieren, sodass wir im Sommer dann hoffentlich ein längerfristiges FAG verabschieden werden, zu dem sich dann auch einige mehr bekennen.

Ganz wichtig ist die Planbarkeit; diesbezüglich gebe ich jeder Kommunalpolitikerin und jedem Kommunalpolitiker Recht. Es ist schwierig, wenn jedes Jahr neue Zahlen kommen und wenn das Thema der Verteilung der Gewerbesteuer und anderes im Lichte von drei Jahren dann dermaßen zerlegt wird. Es ist schwierig, wenn die Kreisumlage, die eigenen Einnahmen, die Gewerbesteuer, eine FAG-Änderung usw. einen Mix ergeben, angesichts dessen die meisten Ehrenamtlichen sagen, sie wüssten gar nicht mehr, worum es gehe, und sich wundern, warum sie in einem Jahr mehr bekommen und im anderen Jahr weniger. Das muss geleistet werden.

Wir haben - das hat sich jedenfalls für mich als Vorteil herausgestellt; ich hoffe, für Sie auch - längerfristige strategische Überlegungen angestellt mit dem PEK, mit den Einnahmen- und Ausgabenfragen, mit den Budgets, mit dem Top-downAnsatz usw. Das müssen wir auch für die Kommunen hinbekommen, damit sie nicht jedes Jahr kurz vor Weihnachten von einem neuen FAG, von neuen Eckwerten oder von neuen Orientierungszahlen überrascht werden.

Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir klären. Das wird sicherlich nicht einfach werden. Ich bin deshalb froh, dass wir das Gesetz jetzt erst einmal vom Tisch haben. Die Landesregierung hat auf Raten und in der Diskussion mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Fraktionen zum Beispiel die Investpauschale verändert, weil die Logik, wir wollen die Förderprogramme noch einmal ausfinanzieren, dann scheitert, wenn diejenigen, die das Geld holen sollen, den Eigenanteil nicht aufbringen können.

Wir haben auch darüber diskutiert - das ist in der Beschlussfassung mit enthalten -, dass wir aus dem Ausgleichsstock Mittel in Höhe von 20 Millionen € für die kreisangehörigen Gemeinden zur Verfügung stellen, dass bestimmte Sozialleistungen - Kay Barthel hat es gerade erwähnt - jetzt noch einmal insgesamt verbessert werden. Wir werden den Kommunen noch einmal mit Mitteln in Höhe von rund 40 Millionen € helfen, sodass sie - das sage ich an dieser Stelle noch einmal - fast mit dem gleichen Geld herauskommen wie im Jahr 2011.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Dazu stehe ich. Dazu steht auch die Landesregierung.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann aber nur noch mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen, wenn es heißt, mit dem, was aus dem Landtag komme, könne man auf kommunaler Ebene eigentlich überhaupt nicht leben. Wir sollten alle gemeinsam schauen - das sage ich immer wieder -, dass wir den jeweils anderen nicht überfordern.

Diejenigen, die mehr Ausgaben für Kultur, für Wirtschaft, für Arbeitsmarkt oder für Kindergärten fordern, die müssen auch damit klarkommen, dass bei den allgemeinen Zuweisungen nicht mehr möglich ist. Letztendlich ist es sozusagen ein großer Topf, auf dem der Deckel liegt, nämlich in Zukunft ohne neue Schulden auszukommen.

Die Schwerpunktsetzung trifft einen dann ohnehin, direkt oder indirekt. Wenn man kein Geld mehr für den Straßenbau oder für die Wirtschaftsförderung hat, trifft es einen, wenn man vor Ort die Wirtschaft entwickeln möchte, wieder bei der eigenen Steuerkraft. Insofern müssen wir auch solche Wirkungsketten diskutieren, zulässigerweise auch mit den Kommunen.

Es geht nicht nur um die allgemeinen Zuweisungen, sondern auch um die Mittel, die das Land Sachsen-Anhalt im Zusammenhang mit den StarkProgrammen, mit dem Entschuldungsprogramm und Ähnlichem für die kommunale Familie leistet.

Es ist das Recht der Opposition, mehr zu fordern. Es ist das Recht der Kommunalpolitik, Kritik zu äußern und zu sagen, ich möchte es anders haben. Klar ist aber auch: Ein kleines Dorf in einem strukturschwachen Gebiet und eine große Stadt, ein Oberzentrum mit einer völlig anderen Aufgabenstruktur haben unterschiedliche Belastungen, die sich im FAG widerspiegeln müssen.

Ob das schon alles ausreichend ist, weiß ich nicht. Nur wenn sich dann alle unterhaken und sagen, sie hätten ein gemeinsames Ziel, dann schmunzele ich doch wieder, weil die Interessenagen dann zum Teil doch auseinandergehen bis hin zu der Frage, wie ist das denn mit den Städten, den Gemeinden und den Landkreisen.