Herr Thomas, etwa 92 % aller Touristinnen und Touristen im inländischen Tourismus in Deutschland sagen, sie möchten in unversehrte Landschaften reisen und dort ihre Angebote finden. Damit sind die Landschaften eine Voraussetzung dafür - insoweit gebe ich Ihnen Recht -, aber die Angebote sind natürlich genau der Faktor, für den wir sorgen müssen, damit wir die wirtschaftlichen Potenziale erschließen können. Das hatte ich vorgetragen. Das ist genau das, was wir im Moment an Elbe und Saale noch nicht in dem Maße schaffen, wie wir es schaffen können.
Herr Kollege Erdmenger, Sie haben auf den Bundesverkehrswegeplan aus dem Jahr 2002 abgehoben. Sie wissen, wer zu dieser Zeit im Bund regiert hat; es gab die Verantwortlichkeit von RotGrün.
Sie haben in Zweifel gezogen, inwieweit der Kosten-Nutzen-Vergleich, der damals angestellt worden ist, noch den Tatsachen entspricht. Insofern würde ich gern Nachhilfe oder Auskunft von Ihnen
Nach meiner Erinnerung gab es damals Verständigungen zwischen dem Bundesumwelt- und dem Bundesverkehrsminister und in großem Einvernehmen wurde ein Sternchenvermerk in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen; das können wir im Detail noch ausführen.
Mich würde interessieren - vielleicht waren Sie noch etwas näher dran -, ob es schon damals diese grünen Bedenken gab, die Sie heute so ausführlich dargestellt haben. Mir zumindest sind sie nicht in Erinnerung.
Ich war damals nicht an den Verhandlungen beteiligt und kann Ihnen keine weiteren Insiderkenntnisse vermitteln. Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Bedenken gegen ein Projekt Saalekanal auch hier in Sachsen-Anhalt schon damals groß waren und geäußert wurden. Sie waren nicht unbekannt.
Heute, im Jahr 2011, stehen wir aber nicht hier, um über die Entscheidungen aus dem Jahr 2002 oder aus noch weiter zurückliegenden Jahren zu diskutieren, sondern heute stehen wir vor der Frage, wie wir unser Land voranbringen können. Ein wichtiger Beitrag dafür ist, dass wir heute nach einer ehrlichen Meinungsfindung sagen, mit welchem Projekt wir weitergehen wollen, und der Saale-Seitenkanal gehört aus meiner Sicht nicht dazu.
Vorausschicken möchte ich aber noch die Präzisierung, dass die Bundesregierung noch eine aktualisierte Blankostudie aus dem Jahr 2003 mit einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis nachgereicht hat, die im Jahr 2004 veröffentlicht wurde.
Meine Frage zu Ihrer Rede: Sie haben Investitionen in die Wasserwege befürwortet vor dem Hintergrund der Erreichung ökologischer Richtwerte, wie sie EU-weit vorgeschrieben sind.
Nun handelt es sich bei der Saale um eine Bundeswasserstraße. Der Bund hat zur Sicherung der Leichtigkeit und zur Sicherheit des Verkehrs Millionenbeträge in ihren Ausbau und in ihre Unterhaltung investiert. In die Schleusenautomatisierung ist
Sind Sie der Meinung - das entnehme ich Ihrer Rede -, dass bereits auch diese Investitionen sinnlos waren?
Ich möchte nicht mein Urteil über jede einzelne Investition fällen. Aber ich kann Ihnen sagen: Ja, in der Tat, ich bin der Meinung, dass die Investitionen, die in der Annahme, dass ein Kanal kommen werde - von dem auch damals viele gesagt haben, dass er nie kommen würde -, vorgenommen wurden, tatsächlich auch nicht sinnvoll sind, gerade vor dem Hintergrund des Transportaufkommens, das wir seit Jahren auf der Saale haben und das gegen Null tendiert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Erdmenger, ich bin Ihnen dankbar. Sie haben das hier sehr sachlich vorgetragen. Es geht ja gerade für Sie um ein emotionales Thema. Sie haben eben einen entscheidenden Satz geprägt: Wir wollen das Land fit machen für morgen. - Deshalb brauchen wir diesen Kanal, weil wir dieses Land für morgen fit machen wollen.
Das Problem bei den Argumenten, die wir seit nahezu 20 Jahren austauschen, ist ja folgendes - egal ob es bei der Elbe, bei der Saale, beim ElbeHavel-Kanal oder beim Mittellandkanal ist -: Wir haben die Argumente für diese Ausbaumaßnahmen, aber unsere Gegner wie Sie glauben uns nicht. Deshalb müssen wir sachlich darüber diskutieren. Deshalb bin ich Ihnen auch dankbar, dass Sie hier sachlich vorgetragen haben.
Seit Mitte des vergangenen Jahres befasst sich das Bundesverkehrsministerium mit der Frage, wie der Bereich der Verwaltung der Bundeswasserstraßen neu geordnet werden kann. Dabei wurde als erster Schritt im Januar dieses Jahres das bereits genannte Klassifizierungskonzept im Entwurf vorgelegt. Dieses Konzept ist ja auch die Grundlage für Ihren heutigen Antrag, den Sie noch sehr kurzfristig im Ältestenrat eingereicht haben.
Wichtig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der Prozess der Neuklassifizierung der Wasserstraßen, der in Sachsen-Anhalt alle Bundeswasserstraßen, also nicht nur die Saale, sondern auch die Elbe, den Mittellandkanal und den Elbe-Havel-Kanal betrifft, soeben erst begonnen hat. Der erste Entwurf aus dem Monat Januar, der
bis jetzt im Wesentlichen unverändert geblieben ist, befindet sich im Stadium der öffentlichen Erörterung.
Im Entwurf sind keine Aussagen enthalten, die einzelne Wasserstraßen betreffen, auch nicht in Bezug auf die Saale. Das BMVBS hat entsprechende anderslautende Meldungen der letzten Woche dementieren lassen. Ganz im Gegenteil, erst kürzlich hat uns ein hochrangiger Vertreter des Ministeriums in Berlin mitgeteilt, dass der im Februar ausgefallene Scoping-Termin zur Saale in diesem Sommer nachgeholt wird.
Die Länder sowie die Verbände der Schifffahrt, der Häfen und der Unternehmen sind an der Erstellung des Entwurfs nicht beteiligt worden. Deshalb hat die Verkehrsministerkonferenz am 6. April einen einstimmigen Beschluss gefasst, der auf eine Beteiligung der Länder abzielt. Darauf hat das BMVBS jetzt reagiert und die Länder für den 17. Mai zu einer Besprechung eingeladen.
Von den zehn Beschlusspunkten der Verkehrsministerkonferenz sind acht ohne Gegenstimmen gefasst worden. Nicht nur Sachsen-Anhalt, sondern alle Länder mit Binnenschifffahrtsinteressen - das sind 15 von 16 - lehnen das Konzept in der bisherigen Fassung ab.
Die Einwände beginnen bei der Fragwürdigkeit der Festlegung der reinen Gütermenge als Maßstab. Windenergieanlagenflügel zum Beispiel wiegen nicht viel. Ihr Transport ist aber bei einer absehbaren Länge von 60 m anders als auf Wasserstraßen kaum mehr zu bewältigen. Hier weitet sich der mögliche Wegfall dieses Transportweges schnell zu einer Standortfrage aus. Ähnliches gilt für Generatoren, die zwar lediglich bis zu 200 t wiegen, aber wertmäßig ganz anders zu Buche schlagen als Kiestransporte.
Ebenso verhält es sich mit der zugrunde gelegten Verkehrsprognose für 2025, die bei den Wasserstraßen vom heutigen Infrastrukturbestand ausgeht. Auf die Saale bezogen hieße das, kein Verkehrsaufkommen im Jahr 2025, weil der Status Quo zugrunde gelegt wird und die Engpässe nicht beseitigt würden.
Die Schlechterstellung der Wasserstraßen im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern und die damit verbundene Absage an Verkehrsverlagerungen widersprechen nicht zuletzt der europäischen Verkehrspolitik,
wie sie erst jüngst im Verkehrsweißbuch der EUKommission verdeutlicht wurde. Wie sollen denn sonst die Verlagerungsziele erreicht werden, ohne dass wir die Wasserstraßen ausbauen? Bleibt dieses Klassifizierungskonzept so bestehen, dann wirkt sich das auf unsere Wirtschaft und vor allem
auf die Wirtschaftskraft unserer ganzen Region negativ aus. Im Elbe-Saale-Raum sind es 140 mittlere bis große Unternehmen, die die Wasserstraßen nutzen oder im Falle der Saale nutzen wollen.
Sachsen-Anhalt hat sich mit zwei Punkten in den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz eingebracht. Der sich abzeichnende Systemwechsel bei der Verteilung der staatlichen Mittel geht über die Tragweite einzelner Haushaltspläne hinaus und bedarf deshalb einer ordnungsrechtlichen Grundlage. An dem Ziel der Herstellung ausgeglichener infrastruktureller und wirtschaftlicher Verhältnisse im Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und ihren Teilräumen muss festgehalten werden. Beide Punkte wurden ohne Gegenstimmen angenommen.
Auf der Grundlage dieses Beschlusses arbeitet eine Länderarbeitsgruppe unter der Führung Niedersachsens an einem Alternativkonzept unter wissenschaftlicher Beratung, die vor allem den Netznutzen des Systems Wasserstraße herausarbeitet. Sachsen-Anhalt beteiligt sich an dieser Arbeitsgruppe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gibt oder gäbe es Gründe, an der Wirtschaftlichkeit des Saale-Ausbaus zu zweifeln, dann würden wir sie kennen.
Gegenwärtig gehen wir - die Zahlen sind hier genannt worden - bei dem Transport von einem Jahresvolumen von 2,5 Millionen Gütertonnen aus, obwohl uns höhere Schätzungen bekannt sind. Das Vorhaben ist nach wie vor im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes und würde nach den heute gültigen Maßstäben auch wieder eine vorteilhafte Kosten-Nutzen-Relation aufweisen. Das wissen auch seine Gegner. Warum sonst sollten sie im Falle des Kanalbaus eine Erhöhung des Ausbaudrucks auf die Elbe befürchten?
Wird die Schifffahrt auf der Saale nicht ermöglicht, ist die Entwidmung als Bundeswasserstraße unumgänglich und die bisher getätigten Investitionen wären endgültig verschwendet. So wurde zum Beispiel der Hafen Halle mit Fördermitteln der Europäischen Union in Höhe von 30 Millionen € ausgebaut.
Die fünf vorhandenen Staustufen der Saale wurden sukzessive instandgesetzt und modernisiert, bis zur Fernsteuerung aller fünf Schleusen durch die im letzten Jahr für 4,5 Millionen € vollendete Leitzentrale in Bernburg. Diese Saale-Schleusen haben durch Instandhaltung und Modernisierung einen Wiederbeschaffungswert 500 Millionen € erlangt,
welcher von uns, aber insbesondere von unseren Vorfahren seit den 30er-Jahren investiert worden ist. Ich denke, wir haben auch in diesem Hause alle die Achtung vor den Leistungen unserer Vorfahren zu berücksichtigen.
Diese Investitionen sowie die jährlichen Unterhaltungskosten werden erst gemäß ihrem Verwendungszweck nutzbar, wenn die Saale wirklich als Bundeswasserstraße für die Binnenschifffahrt verfügbar ist. Die dafür notwendigen geplanten Mittel in Höhe von 100 Millionen € sind daher der Schlüssel für die aktivierten, bereits investierten 500 Millionen €, die nicht für eine Bundeswasserstraße ohne Schifffahrt ausgegeben worden wären.