Protokoll der Sitzung vom 21.09.2012

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Tögel. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Herbst. Bitte, Herr Herbst.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Tögel, mit dem Verständnis ist das so eine Sache. Ich glaube nicht, dass dieses Thema eines ist, das nur sehr wenige hier verstehen oder verstehen wollen, sondern ich glaube, Verständnis wächst immer durch den Umgang mit einer Sache.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wenn wir den Menschen immer nur sagen „Das ist alles viel zu kompliziert für euch, und das machen wir am besten in den Fachausschüssen; denn das versteht eigentlich niemand“, dann kommen sie auch nicht zu mehr Verständnis für EuropaThemen. Ein wenig mehr Verständnis würde uns gut tun.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Sehr richtig, Herr Herbst!)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Fraktion DIE LINKE dankbar, dass sie das Thema

mit ihrem Antrag auf die Tagesordnung gesetzt hat. Einem großen Teil dieses Antrages stimmen wir ausdrücklich zu.

Der Vertrag von Lissabon stärkt die Mitwirkungsrechte der Parlamente - auch der Landesparlamente - der EU-Mitgliedstaaten. Wir sollten diese Beteiligungsmöglichkeiten nutzen. Es ist zu begrüßen, dass Sie dieses Thema heute ansprechen.

Beteiligung heißt aber mehr als Information. So muss sich nicht nur die Unterrichtungspraxis durch die Landesregierung verbessern, sondern wir erwarten vor allem mehr Chancen für Beteiligung. Europa steht mit der festgefahrenen Eurokrise am Scheideweg. Nie zuvor war das Vertrauen in die europäischen Institutionen so erschüttert wie heute. Das ist zum Teil ein hausgemachtes Problem.

Mit der gestiegenen Komplexität der Strukturen und den stärker werdenden Eingriffsmöglichkeiten europäischer Politik und europäischen Rechts wird es immer wichtiger, Beteiligungen einzufordern, weil Europa eben nur über Beteiligungen zu verstehen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Gerade im Hinblick auf die Neuprogrammierung der EU-Strukturfonds - wir haben es heute schon der Fragestunde gehört - ist es unerlässlich, das Parlament ausreichend und frühzeitig sowie seinem Verfassungsrang entsprechend über die Ziele der Landesregierung zu informieren, aber vor allem ist es wichtig, diese mit den Bedürfnissen und Wünschen des Parlamentes abzustimmen und an diese anzupassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Über kaum ein anderes Instrument sind in den letzten Jahren mehr Menschen in unserem Bundesland mit einem wichtigen europäischen Gedanken in Berührung gekommen wie über die europäischen Förderprogramme. Der Gedanke ist: Wir bauen gemeinsam an Europa.

Europa als Solidargemeinschaft erschöpft sich eben nicht in Euro-Rettungsfonds, sondern wir alle - besonders in den ostdeutschen Bundesländern - profitieren seit Jahren in erheblichem Maße von diesem solidarischen Europa, von dieser solidarischen Seite der EU.

Wir sind in der glücklichen Lage, jetzt über die Neuprogrammierung eines erneuten Milliardenprogramms diskutieren zu dürfen, von dem wir möglicherweise zum letzten Mal, aber doch ganz erheblich profitieren werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mit dem Antrag möchten Sie die Europatauglichkeit des Landtages voranbringen. Sie unterbreiten dafür konkrete Vorschläge. Ihr Antrag stammt von Anfang Juli 2012 - das ist heute schon gesagt

worden - und wenige Tage darauf kam dieses viel gelobte Schreiben von Staatsminister Robra.

Auch wir sagen: Ja, das ist tatsächlich ein bemerkenswerter Inhalt. Schade, dass Herr Robra heute nicht anwesend ist. Er bekommt ja nicht so viel Lob. Deswegen ist es mir wichtig, das heute hier zu sagen.

(Ministerin Frau Prof. Dr. Wolff: Ich gebe es ihm weiter!)

- Sie geben es weiter, Frau Professor Wolff.

Die Staatskanzlei schlägt dem Landtag ein Verfahren für die zukünftige Unterrichtung in EU-Angelegenheiten mittels Berichtsbögen zu Schwerpunktvorhaben vor. Diese Vorschläge entsprechen der Praxis in anderen Bundesländern. Wir begrüßen diese Vorschläge und sehen der Umsetzung erwartungsvoll entgegen.

Zur umfassenden Unterrichtung des Landtages möchten wir als bündnisgrüne Fraktion lediglich hinzufügen - das können Sie vielleicht auch weitergeben, Frau Ministerin, und die Staatskanzlei darum bitten -, auch den Berichtsbogen gemäß Ziffer II Nr. 3 der Anlage zu § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union mit zur Verfügung Zusammenhang zu stellen. Das ist vielleicht ein wenig spezieller.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir finden, mit ihren Vorschlägen erfüllt die Landesregierung einen wesentlichen Teil des Antrags der Linksfraktion, zumindest den Teil, den wir als bündnisgrüne Fraktion als sinnvoll ansehen und gern unterstützen möchten.

Der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen erübrigt sich im Wesentlichen für uns, da er eine bloße Bekräftigung der Vorschläge des Staatsministers ist.

Wir glauben, dass die Arbeit des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien und des Landtages im Hinblick auf Europa gestärkt und ernster genommen werden muss.

Dies kann sehr einfach geschehen, zum Beispiel durch sinnvolle Ergänzungen der Informationspraxis durch die Landesregierung, wie heute bereits Thema gewesen, oder zum Beispiel durch eine stärkere Einbindung des Landtages bei der Neuprogrammierung der nächsten Fördermittelperiode. Diese ist von der Landesregierung noch nicht vorgeschlagen worden. Wir warten noch auf diese Beteiligungsmöglichkeiten.

Mehr Europatauglichkeit ist für uns vorrangig eine inhaltliche Aufgabe und weniger eine Frage von zusätzlichen Stellen. Somit halten wir auch Ihre Forderung nach einer Referentenstelle im Landtag sowie nach Informationsstellen und Kontaktstellen des Landtages in Brüssel für überflüssig.

Weder wird eine einzelne Referentenstelle im Landtag bei der Fülle der Informationen aus Europa auch nur annähernd die bestehenden Kompetenzen des GBD sinnvoll ergänzen können, der - Herr Czeke, vielleicht wissen Sie da mehr als ich - nach meiner Kenntnis eigens um eine Teilstelle aufgestockt wurde, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können - es ist nicht so, dass das eine zusätzliche Aufgabenübernahme wäre -, noch scheint es uns besonders sinnvoll, die EuropaKompetenz Sachsen-Anhalts durch einen weiteren Ausbau der physischen Anwesenheit von Beamten in Brüssel zu simulieren. Das muss nun wirklich nicht sein. Davon haben wir dort genug.

Die Tauglichkeit unseres Landtages in Europafragen entscheidet sich nicht an Posten, sondern an unserer Einstellung zu Europa und an unserer Bereitschaft, alle Fraktionen und vor allem die Bürgerinnen und Bürgern an unserer Europapolitik hier im Land zu beteiligen und sie mitzunehmen und ihre Beteiligung zu stärken. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Herbst. - Für die Fraktion der CDU spricht der Kollege Geisthardt. Bitte schön, Herr Geisthardt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Herbst, schönen Dank für Ihren Beitrag. Er könnte beinahe dazu dienen, dass ich meinen Beitrag zur Protokoll gebe, weil wir uns in vielen Dingen durchaus einig sind. Aber ich will ein paar Anmerkungen machen, weil ich diese aus meiner Sicht für richtig und wichtig halte.

Wenn es um die Stärkung der Parlamentsbeteiligung geht, dann gibt es genügend Vorschläge. In unserem Alternativantrag ist zu lesen, dass es Dinge gibt, die nur der Ältestenrat regeln kann. Diese Dinge muss der Ältestenrat im Benehmen mit der Staatskanzlei regeln. Über die Vorschläge, die wir haben - wir nehmen auch gern Vorschläge aus der Fraktion DIE LINKE auf, wenn sie sinnvoll sind -, werden wir weiter sprechen.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das haben wir noch nie erlebt! - Herr Gallert, DIE LINKE: Die Frage ist, ob Sie den Sinn erkennen!)

- Ob Sie Sinn oder Unsinn erkennen, bleibt Ihnen überlassen. Diesbezüglich möchte ich Ihnen nicht hineinreden. - Ich denke, wir werden dazu im Ältestenrat eine vernünftige Lösung finden.

Ob wir Informationen mithilfe einer Referentenstelle, einer Kontaktstelle oder wie auch immer bekommen, ist im Moment erst einmal eine zweitrangige Frage. Wichtig ist die Qualität der Information.

Ich halte nichts davon, dass wir in Informationen „ersaufen“ und uns irgendwann jemand sagt: Ihr könnt euch gar nicht mehr damit beschäftigen; denn ihr wisst in dem Meer an Informationen gar nicht mehr, worum es geht. Deswegen geht es mehr um die Qualität der ganzen Angelegenheit. Die Berichte, die Zuarbeiten müssen so strukturiert sein, dass sie auch verständlich sind.

Es ist doch ganz klar: Parlamentarier wie wir es alle hier in diesem Landtag sind, können nicht das Herrschaftswissen einer Regierung haben. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass wir bestimmte Dinge vorbereitet bekommen. Insofern kann es nur eine Zusammenarbeit mit der Regierung geben und nicht ein Gegeneinander. Das gilt auch für Anträge, die ohne entsprechende Vorbereitung nicht durchsetzbar sind.

Ich denke, auch diesbezüglich werden wir vernünftig miteinander umgehen und dann auch das erreichen, was wir brauchen. Es kann im Endeffekt nicht darum gehen, dass bei uns Vorschläge durchgehen oder mit Vorschlägen gehandelt wird, von denen es dann im Brüsseler Jargon so wunderschön heißt: In Brüssel wird’s gedacht, in Deutschland wird’s gemacht und in Italien wird gelacht.

An dieser Stelle ist beispielsweise auf die angedachte Verordnung für eine Glühlampenpolizei - lachen Sie nicht, in Brüssel denkt man tatsächlich darüber nach - hinzuweisen. Die Bundesländer sollen 50 Stellen schaffen, um zu kontrollieren, ob in Baumärkten noch Glühlampen verkauft werden. Ich glaube, in Italien gäbe es niemanden, der das umsetzt.

Wenn wir das nicht wissen und wenn wir nicht wissen, wie sich unsere Landesregierung dazu positioniert, dann können wir uns als Landtag dazu auch nicht äußern. Wir werden dieses Thema weiter behandeln und wir werden weiter miteinander reden. Ich bin mir sicher: Wir finden eine vernünftige Lösung.

Um einer eventuellen Legendenbildung, Herr Kollege Czeke, vorzubeugen, möchte ich sagen: Wir, die Koalitionsfraktionen, stehen nicht in einer unverbrüchlichen Treue zur Landesregierung; auch wenn Sie das manchmal meinen. Wir machen es, weil wir eine gemeinsame Politik vertreten.

Der Dienstherr eines Landtagsabgeordneten, Herr Kollege Czeke, auch wenn Sie das manchmal anders sehen, ist der mündige Wahlbürger, nicht eine Partei oder eine Regierung. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Geisthardt. - Der Kollege Czeke ist schon aufgebrochen und bekommt jetzt für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident, aber ich bin nur zum Rednerpult aufgebrochen. - Ich möchte in der Erwiderung noch einmal auf die - wie ich es aus meiner Sicht nenne - Arbeitsverweigerung der Koalitionsfraktionen eingehen.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)