Protokoll der Sitzung vom 22.02.2013

Herr Präsident! Mir ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN völlig durch

gerutscht. Wir übernehmen Ihre Punkte in unseren Auftrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss feststellen, dass sich die Koalitionsfraktionen immer dann, wenn es um derartige Anträge zum Personal geht, regelmäßig abducken. Ich muss ehrlich sagen: Ich verstehe es nicht. Denn es gibt ganz viele Fachpolitiker in Ihren Reihen, die hinter vorgehaltener Hand sagen, dass man in den einzelnen Fachgebieten nicht mehr so weitermachen kann.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Trotzdem stellen Sie das kollektiv in Abrede und sagen, das sei alles nicht nötig. Ich betrachte das als Abduckerei; so muss ich das bezeichnen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Der Vogel Strauß!)

In Ihrer Argumentation tauchten zweimal die sechste und die siebente Enquete-Kommission auf. Zu der sechsten Enquete-Kommission muss ich sagen, dass sie zu großartigen Erkenntnissen gelangte, auch in ihrem Abschlussbericht. Was davon jedoch umgesetzt wurde, ist leider dramatisch schlecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die neue Enquete-Kommission ist da. Aber - ich greife die Zweifel der GRÜNEN bei der Einsetzung der Enquete-Kommission auf - es kann nicht so sein, dass zu jedem Antrag gesagt wird, dass das, was heute auf den Nägeln brenne, die EnqueteKommission in fünf Jahren klären solle. Das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Herr Finanzminister Bullerjahn, Sie können den Gewerkschaften nicht unterstellen, dass sie der Bundesstatistik zum Personal der Länder nicht trauen. Wir haben ausdrücklich betont, dass sie dieselbe Berechnungsgrundlage hatten und zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Das ist etwas anderes, als wenn Sie sagen, sie hätten eine andere Berechungsgrundlage bzw. hätten Ihre infrage gestellt.

Ich muss an den Personalstandsbericht erinnern. Darin ist selbst von Ihnen eingeräumt worden, dass man in dem Fall, in dem man unterschiedliche Bereiche herausrechnet, zu ganz anderen Ergebnissen kommt.

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

- Das haben Sie aber mit den Hochschulen gemacht. Mein Vorwurf war, dass Sie von 19 auf 18 Bedienteste pro 1 000 Einwohner kommen. Dazu haben Sie gesagt, Sie hätten lediglich die Hochschulen herausgerechnet. Die Gewerkschaft sagt,

dass einige Bereiche noch enthalten sind bzw. herausgerechnet wurden, was aber nicht stimmt.

Meine Damen und Herren! Es wird immer gesagt, wir machen keine Vorschläge. Ich will nicht auf alten Vorschlägen aus unserem Konzept für den öffentlichen Dienst herumreiten. Wir sind derzeit dabei, daran zu arbeiten, es zu aktualisieren. Wir hatten konkrete Vorschläge, die nach unserer Auffassung realistisch waren. Darin haben wir die finanziellen Aspekte berücksichtigt.

Wir waren damals davon ausgegangen, dass die ideale Besetzung 49 000 VZÄ betragen müsste. Das ist aber finanziell und auch im Hinblick auf die Bewerber nicht durchzuhalten. Wenn man die Bediensteten, die ausscheiden, dagegenrechnet, landen wir bei weniger als 45 000 Bediensteten.

Aber bei einem Rückgang bis auf 31 000 Beschäftigte - diese Zahl gibt die GEW an - kann man nicht mehr mitgehen. Deswegen muss man darüber diskutieren. Dazu haben wir Sie aufgefordert. Es ist schade, dass Sie es ablehnen. Wir werden zu gegebener Zeit wieder eine andere Methode wählen, um Sie zu motivieren, sich intensiv einzubringen. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Wir kommen damit zur Abstimmung über die Drs. 6/1795. Die Fraktion DIE LINKE hat angedeutet, dass sie den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drs. 6/1824 übernimmt. Deshalb müssen wir darüber nicht abstimmen.

Somit stimmen wir über die Drs. 6/1795 in der durch die Übernahme des Änderungsantrags in Drs. 6/1824 geänderten Fassung ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden und die Beratung des Tagesordnungspunktes ist erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:

Beratung

Kommunen als Partner begreifen, Stark IV verfassungskonform umsetzen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1796

Herr Grünert ist der Einbringer. Herr Grünert, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag mit dem Titel „Kommunen als Partner begreifen, Stark IV verfassungskonform um

setzen“ wollen wir die berechtigten Bedenken aufgreifen, die es in den Gemeinden, Städten und Landkreisen Sachsen-Anhalts dazu gibt. Die meisten Kommunen befürchten, durch das Programm entmündigt und in ihrem Selbstverwaltungsrecht beschränkt zu werden. Dass dies mit dem Geld geschehen soll, das den Kommunen ohnehin zusteht, stößt vielen bitter auf. Mit ursächlich für das Ausmaß der kommunalen Verschuldung ist das unzureichende Finanzausstattungsgesetz. Mit der Bereitstellung von 450 Millionen € für die kommenden Jahre bekennt sich der Landtag nunmehr zu dieser Mitverantwortung.

Standen nach dem Finanzausgleichsgesetz im Jahr 2009 noch mehr als 1,7 Milliarden € für die kommunale Finanzausstattung zur Verfügung, wurden die FAG-Zuweisungen in den vergangenen drei Jahren um insgesamt rund 500 Millionen € gekürzt. Es gilt, die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte im Blick zu behalten; denn auch mit den leichten Verbesserungen, die es in diesem Jahr gibt, ist dieses Problem noch nicht gelöst.

Wir vertreten die Auffassung, dass der Einnahmenverbund von Land und Kommunen, wie wir ihn für das Finanzausgleichsgesetz vorgeschlagen haben, dem kommunalen Finanz- und Konsolidierungsbedarf besser gerecht geworden wäre als das im Dezember vergangenen Jahres beschlossene Gesetz.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unstrittig ist, dass zahlreiche Kommunen der konkreten finanziellen Unterstützung bedürfen. Zu bedenken ist zugleich, dass pauschale Urteile über einzelne Kommunen allein aufgrund ihrer Haushaltslage nicht zu rechtfertigen sind und auch nicht bei der Realisierung des Entschuldungsprogramms gelten dürfen, weil es vielfältige Ursachen für die Finanzkrise der kommunalen Haushalte gibt. Notwendig ist in jedem Fall eine Einzelfallprüfung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Welches Verhältnis Teile der Landesregierung zu dem verfassungsmäßigen Recht der Kommunen auf Selbstverwaltung haben, muss jedoch hinterfragt werden, wenn unter einem neuerlichen Spardiktat des Finanzministers Gemeindegrenzen verändert werden sollen oder wenn der Innenminister verlangt, Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Dorfgemeinschaftshäuser, Freibäder oder Schulen infrage zu stellen.

Zu Recht wies der ehemalige Landrat des Landkreises Harz, Herr Dr. Ermrich, darauf hin, dass bereits mit den Hilfsprogrammen Stark I, II und III der kommunale Gestaltungsspielraum erheblich eingeschränkt wurde.

(Herr Borgwardt, CDU: Er ist doch noch Landrat!)

- Aber nicht mehr lange. Er geht doch zum Sparkassen- und Giroverband. Das wissen Sie doch.

Dass mit dem von der Koalition verfolgten Umsetzungskonzept dem bürgerschaftlichen Engagement noch mehr als bisher und stärker der Nährboden entzogen wird, ist nicht von der Hand zu weisen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Stark IV darf für die Kommunen in Sachsen-Anhalt nicht zu einer staatlichen Ersatzvornahme werden. Deshalb werbe ich um die Zustimmung zu unserem Antrag, der dazu beitragen soll, das notwendige Entschuldungsprogramm verfassungskonform, partnerschaftlich und am Ende mit den Kommunen erfolgreich umzusetzen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dazu gehört, dass während und nach der Umsetzung des Programms die kommunale Selbstverwaltung gewährleistet und jede Kommune in die Lage versetzt wird, die Pflichtaufgaben des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises wahrzunehmen, und jeder Kommune ein Anteil von mindestens 2 % ihres Ergebnisplans für freiwillige Aufgaben zur Verfügung steht. Freiwillige Aufgaben sind kein Luxus, sondern ein wichtiger Teil des kommunalen Aufgabenkatalogs und des gesellschaftlichen Lebens vor Ort.

Investitionen, die für die Entwicklung der Gemeinden und Städte notwendig sind, müssen auch durch die Nutzung von Förderprogrammen Dritter realisiert werden können. Erfolge wie unter anderem die des Programms „Stadtumbau Ost“ gilt es zu sichern. Durch Sanierung, Rückbau und Aufwertung konnte der Wohnungs- und Lebensstandard in vielen Gemeinden und Städten steigen. Gutes, bezahlbares, sicheres, altersgerechtes und barrierefreies Wohnen für alle wird dauerhaft nur möglich, wenn Kommunen ihre Chancen nutzen können.

Wenn aber bereitgestellte Mittel in zweistelliger Millionenhöhe nicht für Maßnahmen im Bereich des Städtebaus wie im Kapitel 14 07 abfließen können, wie es im vergangenen Jahr geschehen ist, ist das nicht ermutigend, sondern eine schwere Hypothek für die Zukunft. Wenn Städte wie Halle nicht in der Lage sind, notwendige Mittel für die Kofinanzierung aufzubringen, dann werden heute Aufgaben zulasten unserer Kinder und Enkel nicht erledigt.

Das Eigentum der Kommunen ist eine wichtige Grundlage kommunalen Handelns. Wer diese Einflussmöglichkeiten im Interesse eines privaten Profitstrebens zurückdrängt, vernichtet kommunale Handlungsspielräume und gefährdet die öffentliche Daseinsvorsorge. Deshalb soll in der Zeit, in der das Programm Stark IV läuft, das Land dafür Sorge tragen, dass kein Unternehmen, keine Be

teiligung und kein Vermögen, das der öffentlichen Daseinsvorsorge in den Kommunen dient, ganz oder teilweise veräußert werden muss oder durch formelle oder materielle Privatisierung der Aufgaben einer öffentlichen Kontrolle entzogen wird.

Dass für die bisherigen Aufgabenfelder des Ausgleichsstocks, Liquiditätshilfen und Bedarfszuweisungen, nun aber fast keine Mittel mehr zur Verfügung stehen sollen, halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich. Gerade in Zeiten anhaltender Haushaltskonsolidierung und Stark IV ist mit außergewöhnlichen Belastungen und Notlagen in einzelnen Kommunen zu rechnen.

Nicht erst seit heute plädieren wir dafür, die Mittel aus dem Ausgleichsstock nach einheitlichen Maßstäben und eindeutig bestimmbaren Kriterien auf der Grundlage einer Rechtsverordnung auszureichen. Aufgrund der Verknüpfung des Ausgleichsstocks mit dem Programm Stark IV halten wir dieses Anliegen für unumgänglich. Trotz der Stark-IVMaßnahmen und der Sparanstrengungen in den Kommunen sollen sich die mit den Konsolidierungsanstrengungen verbundenen Einmaleffekte in den kommenden Ausgleichsjahren nicht bedarfsmindernd auswirken.

Nicht zuletzt hält es die Antragstellerin bei der anstehenden Novellierung des Kommunalverfassungsrechts für notwendig, dass die Konsolidierungszeiträume an die Programmzeiträume der Stark-IV-Maßnahmen angepasst werden, dass den Kommunen Umschuldungsmöglichkeiten zur Sicherung der Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit eingeräumt werden und dass die beratende, unterstützende und begleitende Funktion der Kommunalaufsicht deutlich verbessert wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Stark IV kann nur dann ein Erfolg werden, wenn es uns gelingt, den kommunalen Finanzausgleich so zu gestalten, dass er die stetige und angemessene Aufgabenerfüllung der Kommunen gewährleistet. Die Absicht der Landesregierung, die Haushaltskonsolidierungskonzepte nach Stichtagsregelungen abzurechnen, wird diesem Anspruch aus unserer Sicht nicht gerecht.

(Zustimmung bei der LINKEN)