Ihnen liegt zu dem Thema Barrierefreiheit auch ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor. Inhalt des Antrages ist unter anderem die Ausweitung der Barrierefreiheit in öffentlich zugänglichen Gebäuden auf das gesamte Gebäude. Dieser Regelungsgehalt geht viel zu weit. In der Bauordnung kann schon aus Gründen vorrangigen Bundesrechts nicht die Barrierefreiheit des gesamten Gebäudes geregelt werden. Beispielsweise werden im Arbeitsstättenrecht eigene Regelungen getroffen.
Wir haben die Barrierefreiheit im Regierungsentwurf schon um das Mögliche erweitert und auch die Nutzerbereiche in die Regelungen zu den Anforderungen an die Barrierefreiheit einbezogen.
Den Antrag der Fraktion DIE LINKE würde ich daher nicht mittragen. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist umsetzbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entsprechend den Bestimmungen der Musterbauordnung sind Regelungen im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeinsparung vorgesehen. So sollen Maßnahmen zum Zwecke der Energieeinsparung und auch Solaranlagen an bestehenden Gebäuden unter bestimmten Voraussetzungen auch innerhalb der Abstandsflächen von Gebäuden zulässig sein.
In diesem Zusammenhang ist auch die Verfahrensfreiheit von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien vorgesehen. Solaranlagen auf Dach- und Außenflächen sollen unabhängig davon verfahrensfrei sein, ob der Strom in das öffentliche Netz eingespeist wird. Auch Windkraftanlagen von bis zu 10 m Höhe ab Geländeoberfläche in Gewerbe- und Industriegebieten sollen nach der Beschlussempfehlung verfahrensfrei gestellt werden.
Außerdem ist auch die Erleichterung der Einsichtnahme in das Baulastenverzeichnis für Notare, Rechtsanwälte und öffentlich bestellte Vermessungsingenieure enthalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben den bereits dargestellten Neuerungen sind auch rechtstechnische Neuerungen und Anpassungen an das Bauproduktenrecht vorgesehen. Darüber hinaus sind in der Beschlussempfehlung Zuständigkeitsregelungen für die Marktüberwachung von harmonisierten Bauprodukten des Hoch- und des Straßenbaus vorgesehen.
Durch die aktive Marktüberwachung wird eine gesteigerte Kontrolle von Bauprodukten gewährleistet, was für den Bauherrn zu vermehrter Sicherheit bei ihrer Verwendung führt. Es ist ein dreistufiger Aufbau vorgesehen. Das Landesverwaltungsamt soll obere, das MLV oberste und das Deutsche Institut für Bautechnik gemeinsame Marktüberwachungsbehörde sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein in den Ausschussberatungen viel diskutierter Punkt war die Frage der Abstandsflächenregelung für Windkraftanlagen. Der Regierungsentwurf sah für Windkraftanlagen in Eignungs- und Vorrangsgebieten eine Reduzierung der Abstandsflächentiefe von derzeit geltenden 1 H auf 0,4 H vor.
Diese sehr technisch klingende Regelung beinhaltet die einzuhaltenden Abstände von Windkraftanlagen zur Grundstücksgrenze und nicht, wie heute fälschlicherweise zu lesen, die Abstände zwischen den einzelnen Anlagen. Kann die Abstandsflächentiefe auf dem eigenen Grundstück nicht erbracht werden, bedarf es entsprechend der Reichweite der Abstandsfläche der Zustimmung
der Eigentümer benachbarter Grundstücke und der Eintragung entsprechender Baulasten auf diesen Grundstücken.
Mit der vorgeschlagenen Reduzierung der Abstandsflächen sollte mit dem Regierungsentwurf insbesondere das sogenannte Repowering in Eignungs- und Vorrangsgebieten erleichtert werden. „Repowering“ meint den Ersatz bestehender Windkraftanlagen durch neue, technisch modernisierte Anlagen. Diesem Anliegen wird durch den vorliegenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen Rechnung getragen.
Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht dagegen mit der von ihr vorgeschlagenen generellen Abschaffung der Abstandflächentiefe von 1 H über das Ziel hinaus. Schon unter den Gesichtspunkten des Eigentumsschutzes und des notwendigen Schutzes der Wohnbebauung halte ich eine Reduzierung der Abstandsflächen auf 0,4 H für Windkraftanlagen außerhalb von Eignungsgebieten für nicht vertretbar.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen stellt einen sachgerechten und tragfähigen Interessenausgleich dar, wofür ich um Zustimmung bitte. Das betrifft auch das Inkrafttreten in Artikel 4. Ich denke aber, dass das in der Begründung zu dem Antrag ausreichend erläutert ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die zügige Bratung im Ausschuss möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Dank Ihrer Unterstützung und Ihren konstruktiven Ergänzungen haben wir gemeinsam eine Beschlussempfehlung geschaffen, die den Anforderungen an ein von der Gefahrenabwehr geprägtes Gesetz genügt und die an die aktuellen Bedürfnisse angepasst ist. Ich hoffe daher auf Ihre Zustimmung.
Ich möchte noch auf den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen, mit welchem die Baugenehmigungsfreiheit bei bisher baugenehmigungspflichtigen Photovoltaikanlagen in oder auf Gebäuden begehrt wird. Der Gesetzentwurf sieht die Verfahrensfreiheit von Photovoltaikanlagen vor. Der Ausschuss hat deshalb folgerichtig beschlossen, diesen Antrag abzulehnen, weil er sich mit dieser Beschlussempfehlung erledigt hat. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte um zügige Abstimmung.
Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir zur zügigen Abstimmung kommen, führen wir noch eine zügige Debatte. Die Zügigkeit ist auf zehn Minuten begrenzt, und für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat als Erste Frau Frederking das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass mit der Novellierung der Bauordnung die Nachweispflicht beim Wärmeschutz in Zukunft bestehen bleibt und dass das automatische Außerkraftsetzen von örtlichen Bauvorschriften gestrichen worden ist.
Des Weiteren ist positiv, dass der Bau von Photovoltaik-Dachanlagen einfacher wird, weil die Baugenehmigungspflicht entfällt. Allerdings ist für uns nicht nachvollziehbar, warum das nicht bei gebäudeunabhängigen Solaranlagen von bis zu drei mal neun Metern der Fall sein soll. Deshalb werden wir der ablehnenden Beschlussempfehlung zu unserem GRÜNEN-Antrag von vor einem Jahr nicht zustimmen können.
Es ist schade, dass die Möglichkeit für Kraftfahrzeugstellplatz-Satzungen nicht aufgehoben worden ist. Das hätte Baukosten gesenkt und zum Bürokratieabbau geführt.
Ebenso ist es bedauerlich, dass die GRÜNEN-Vorschläge für die Erweiterung von örtlichen Bauvorschriften zur Verbesserung der Baukultur und zur ökologischen Stadtentwicklung nicht angenommen worden sind. Die Städte und Gemeinden hätten mehr Gestaltungsspielraum bekommen. Wir wollten zum Beispiel für Neubaugebiete ästhetisch hochwertige Gestaltungen ermöglichen oder durch die Nutzung von Regenwasser als Brauchwasser die Mischwasserkanäle entlasten. Bei viel Regen kann sich das sehr günstig auswirken - sicher nicht in Situationen, wie wir sie aktuell mit dem Hochwasser haben; hier spüren viele Bürgerinnen und Bürger leider sehr schmerzlich und existenzbedrohend den Klimawandel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, wir brauchen konsequenten Klimaschutz. Dafür müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen. Die Novellierung der Landesbauordnung ist solch ein Hebel; denn hierbei geht es um erneuerbare Energien. Ihr Zubau darf nicht verhindert werden, das sind wir den Menschen in Sachsen-Anhalt schuldig.
Frau Frederking, einen kleinen Moment. - Zur Bauordnung gehört zum Teil auch die Akustik, und ich möchte der Frau Kollegin ein wenig mehr Gehör verschaffen. - Danke schön.
Deshalb fordern wir mit unserem Änderungsantrag, dass die Tiefe der Abstandsfläche bei Windenergieanlagen auf das 0,4-Fache der Höhe
einer Windkraftanlage reduziert wird. Derzeit wird in Sachsen-Anhalt die Abstandsfläche mit dem Radius von 1 H, das heißt einmal die Gesamthöhe der Windkraftanlage, ermittelt.
Herr Minister Webel, Sie haben das ausgeführt, und hierzu muss ich Sie an einer Stelle korrigieren. Sie haben an einer Stelle das Gesetz nicht gut gelesen. Abstandsflächen dürfen sich nicht überlappen - das steht auch im Gesetz -, und wenn sie sich nicht überlappen dürfen, dann bestimmen die Abstandsflächen selbstverständlich auch die Abstände zwischen zwei Windanlagen.
Bei 0,4 H würde sich die Fläche um das 6,25Fache reduzieren. So ist die Zustimmung von viel weniger Flächeneigentümerinnen und -eigentümern erforderlich, und das erhöht die Chance, dass Windenergieprojekte überhaupt bzw. einfacher und geordneter realisiert werden können. Das ist der entscheidende Vorteil.
Deshalb schlagen wir diese Regelung vor. Windenergieeignungs- und Vorranggebiete können bei 0,4 H viel besser ausgenutzt werden. Trotzdem wird sich der Abstand zwischen den Windenergieanlagen nicht oder nur unwesentlich verkleinern - das hatten wir auch schon in der ersten Debatte besprochen -, weil sich der Abstand in der Praxis durch die Standsicherheit und die Energieerträge ergibt.
Mit dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU will die Koalition weiter an 1 H für Anlagen festhalten, die an neuen Standorten in Betrieb gehen. Aus bautechnischer und baurechtlicher Sicht ist 1 H nicht zu erklären. Bei Mobilfunkmasten, Silos, Hochhäusern und Fernsehtürmen gilt auch nur 0,4 H. Warum soll man also bei Windenergieanlagen einen Unterschied machen?
Herr Webel, die Abstandsfläche - auch da haben Sie im Parlament etwas Falsches erzählt, und das muss richtiggestellt werden - hat nichts mit der Entfernung einer Windanlage zur Wohnbebauung und anderen Gütern zum Schutz vor Lärm und Schattenwurf zu tun. Diese Entfernungen werden nämlich in den regionalen Entwicklungsplänen vorgegeben und über den Immissionsschutz geregelt.
Worüber reden wir bei den Abstandsflächen? - Das Abstandsflächenrecht wurde ursprünglich für den eng bebauten Innenbereich geschaffen. Dabei geht es um die Belichtung, die Belüftung und die Besonnung von bewohnten Gebäuden. Wenn dieses Abstandsflächenrecht nun dazu missbraucht wird, die gegenseitigen Abstände von Windenergieanlagen im Außenbereich künstlich in die Höhe zu schrauben, so ist das nichts als Schikane, und zwar Schikane aus rein ideologischen Gründen,
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Scheu- rell, CDU: Sie glauben doch selbst nicht, was Sie da sagen! - Weitere Zurufe von der CDU)
Sie haben immer noch nicht begriffen, vor welchen Herausforderungen wir stehen, wenn wir bis zum Jahr 2050 die Emissionen nahezu auf Null gesenkt haben müssen. Wir brauchen die Windenergie in Zukunft nicht nur für die heutige Stromanwendung, sondern auch für den Verkehrs- und den Wärmebereich. So ist das Agieren von CDU und SPD ein Schlag gegen die Energiewende und gegen den Klimaschutz.
Deshalb appelliere ich: Stimmen Sie 0,4 H für alle Windkraftanlagen zu, unabhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme und unabhängig vom Standort der Anlagen,
wie es auch die Bauministerkonferenz am 21. September 2012 einstimmig, also auch mit der Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt, beschlossen hat. 0,4 H wird in den meisten Bundesländern realisiert. Selbst Bayern, eher zurückhaltend bei der Windenergie, hat viel weniger scharfe Regeln als Sachsen-Anhalt.
Der bayerische Winderlass sieht vor, dass Abweichungen von 1 H regelmäßig der Fall sein müssen. Somit handelt es sich bei der Regelung in Sachsen-Anhalt mit 1 H um einen bundesweit einmaligen, bedauerlichen Spitzenwert, der die Energiewende unnötig hemmt.