Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Der bayerische Winderlass sieht vor, dass Abweichungen von 1 H regelmäßig der Fall sein müssen. Somit handelt es sich bei der Regelung in Sachsen-Anhalt mit 1 H um einen bundesweit einmaligen, bedauerlichen Spitzenwert, der die Energiewende unnötig hemmt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Steinecke, CDU)

Selbst wenn die Koalition jetzt vorsieht, dass beim Repowering - das heißt neue Anlagen an alten Standorten - nur 0,4 H greifen soll, dann ist das einfach ein Ablenkungsmanöver. Das hilft beim Umbau der Energieversorgung nicht wirklich und wird in den nächsten Jahren kaum zur Anwendung kommen; denn es ist - erstens - nicht klar, ob alte Anlagen tatsächlich jetzt schon repowert werden, weil sie sich nämlich betriebswirtschaftlich immer noch rechnen. Bisher spielt Repowering kaum eine Rolle, ein wesentlicher Repowering-Effekt ist erst für die Jahre ab 2018 bis 2020 zu erwarten.

Zweitens liegen 45 % der Windkraftanlagen in Sachsen-Anhalt außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten, und es liegen keine Erfahrungen vor, dass die zuständige regionale Planungsgemeinschaft einen für Repowering vorgesehenen Standort im Nachhinein entsprechend ausweisen wird. Diese Unsicherheit reduziert die Zahl der potenziell für das Repowering in Betracht kommenden Anlagen ganz erheblich.

Wir können uns also nicht allein auf das Repowering verlassen. Die Beschränkung von 0,4 H auf repowerte Anlagen ist also nur eine Mini-Verbesserung gegenüber der bestehenden Rechtslage. Das ist eine Scheinlösung,

(Herr Scheurell, CDU: Scheinlösungen brau- chen wir nicht!)

ein Formelkompromiss zwischen SPD und CDU, der in der Praxis wirkungslos sein wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deshalb sage ich es noch einmal: Wir brauchen auch einen weiteren Zubau von Anlagen an neuen Standorten. Einen Unterschied bei der Abstandsfläche für alte und für neue Windkraftstandorte zu konstruieren macht überhaupt keinen Sinn.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir müssen die Windenergie endlich als Chance begreifen - wie einen Rohstoff, an dessen Nutzung möglichst viele beteiligt werden. Es muss ein Prozess organisiert werden, damit die Menschen vor Ort etwas von der Energiewende haben.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Sie müssen auch an den Anlagen und damit an den Gewinnen beteiligt werden. Diese Organisation muss von der Landesenergieagentur, den Gemeinden, den lokal verwurzelten Unternehmen, den Stadtwerken und Energiegenossenschaften übernommen werden. Wir dürfen uns nicht wie das Kaninchen vor der Schlange von nicht ortsansässigen großen Betreibergesellschaften das Windpotenzial wegschnappen lassen; regionale Wertschöpfung muss organisiert werden.

Bei CDU und SPD spüren die Kräfte, dass die erneuerbaren Energien gesellschaftlich längst akzep

tiert sind, während man mit proaktiver Kohle- und Atompolitik keine Wählerinnen mehr gewinnen kann. Deshalb, liebe CDU und SPD, greifen Sie zu einer Taktik von Tarnen und Täuschen, zum Beispiel in Form einer völlig verzerrten Strompreisdebatte oder, wie heute hier, zum Baurecht.

Ich möchte noch einmal an alle appellieren: Bewahren wir Sachsen-Anhalt davor, zum bundesweiten Schlusslicht hinsichtlich der baurechtlichen Beschränkung der Windenergie zu werden!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Stimmen Sie deshalb für unseren Änderungsantrag, für eine Tiefe der Abstandsfläche von 0,4 H bei Windenergieanlagen! Das würde in der Praxis wirklich helfen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Frau Frederking, Herr Barthel würde Ihnen gern eine Frage stellen. Wollen Sie diese beantworten?

Ja.

Bitte, Herr Kollege.

Frau Kollegin Frederking, wir haben vor einiger Zeit gemeinsam eine Veranstaltung besucht, bei der es um die Akzeptanz von Großprojekten ging; das war beim VDI. Dort haben Sie vorgeschlagen, dass man am besten für eine möglichst breite Meinungsbildung bei jedem Großprojekt vor einem Planfeststellungsverfahren einen Volksentscheid und eine Bürgerbefragung durchführt. Das waren Ihre Worte dort. Jetzt sehen Sie mich etwas irritiert, dass eines Ihrer Hauptargumente bezüglich der Abstandsflächen ist, dass Sie dann möglichst wenig Eigentümer befragen müssen.

Ich frage Sie, ob dieses Verständnis von Basisdemokratie nur für Infrastrukturprojekte gilt, die ideologisch nicht in die Konzeption der Grünen passen, oder ob das etwas ist, das normalerweise auch für Windkraftanlagen gelten müsste, dass nämlich eine möglichst breite Meinungsbildung stattfindet. Wenn die Akzeptanz für Windkraftanlagen so groß ist, wie Sie sagen, dann dürften Sie sich gar nicht davor fürchten, dass Sie mehr als einen Eigentümer fragen müssen.

Ich verstehe nicht, welche Verbesserung es bedeuten würde, wenn an dieser Stelle Eigentumsrechte eingeschränkt würden. Sie sagen auch, das sei am Ende des Tages eine Behinderung und es sei etwas ganz Schlimmes. Der Schutz von Eigen

tumsrechten hat zumindest für meine Fraktion einen sehr hohen Stellenwert.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Schel- lenberger, CDU: Ihre Akzeptanz ist lange vorbei!)

Herr Barthel, ich glaube, Sie verwechseln mich. Ich kann mich an keine Veranstaltung erinnern,

(Lachen bei der CDU)

auf der ich gesagt habe, man solle einen Volksentscheid durchführen. Da haben Sie mich gerade verwechselt.

Nein.

Sie vergewissern sich gerade bei Herrn Brachmann.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Dem geht es genauso! - Weitere Zurufe)

Bei der Veranstaltung des VDI waren auch Herr Felke und der Magdeburger Oberbürgermeister anwesend. Das habe ich mir nicht eingebildet. Es war ein relativ breites Forum. Ihre Antwort entglitt etwas in Richtung Bürgerbeteiligung etc. Ihr Vorschlag zur Lösung war - à la Stuttgart 21 -: immer Volksentscheide vor Planfeststellungen. Das waren Ihre Worte.

(Zurufe von der CDU)

Das werden wir an anderer Stelle klären. Ich kann mich an so eine Veranstaltung nicht erinnern.

(Unruhe bei der CDU)

Unabhängig davon stehen wir Grünen selbstverständlich für eine breite Beteiligung und einen guten Abwägungsprozess. Hierfür gibt es die regionalen Planungsgemeinschaften, die auch nach der Rücksprache mit den Menschen vor Ort festlegen, wo Eignungs- und Vorranggebiete ausgewiesen werden sollen und wo Windkraftanlagen überhaupt aufgestellt werden können. Das wird über die regionalen Entwicklungspläne gemacht. Darüber wird auch dieser Prozess organisiert, den man verbessern kann.

Bei der Abstandsflächenregelung geht es nicht darum, dass man die Bevölkerung fragt. Diese Abstandsfläche wurde - das habe ich ausgeführt - ursprünglich für Gebäude festgelegt. Es geht um Besonnung, Belichtung, Beschattung und Brand

schutz. Das ist die ursprüngliche Idee der Abstandsfläche.

(Zurufe von der CDU)

Hierbei werden allerdings nur die Menschen gefragt, denen die Flächen, die Ackerflächen, gehören. Das ist auch mit einer Bedingung verbunden. Man fragt nicht nur: Wollt ihr hier eine Windkraftanlage haben? Wenn die Flächeneigentümer ihr Einverständnis geben, ist dies damit verbunden, dass auf dieser Fläche nicht mehr gebaut werden darf, was üblicherweise für den Außenbereich kein Problem ist. An der Einverständniserklärung hängt also etwas dran. Diese Baulast wird eingetragen. Deshalb fragt man nur die Flächeneigentümerinnen und nicht die Bevölkerung. Das Instrument der Abstandsfläche hat nichts mit der Akzeptanz der Windenergie in der Bevölkerung vor Ort zu tun. Das sind zwei verschiedene Dinge.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Da werden die Bürger beteiligt! - Wei- tere Zurufe von der CDU)

- Nein, hierbei werden nicht die Bürgerinnen beteiligt, sondern es werden die Flächeneigentümerinnen und Flächeneigentümer gefragt, ob sie damit einverstanden sind, dass in Zukunft dort nichts mehr gebaut wird. Dieses Abstandsflächenrecht ist also etwas grundsätzlich anderes als die breite Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Frederking. - Die nächsten zehn Minuten gehören der CDU-Fraktion und damit dem Kollegen Scheurell. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles von dem, was ich vortragen wollte, kann ich weglassen; denn der sehr geehrte Herr Felke und unser Minister sind auf viele Dinge bereits eingegangen. Ich möchte mich an dieser Stelle auch für die fachlich gute Zusammenarbeit im Ausschuss zwischen den Fraktionen unterschiedlichster Farbgebung bedanken.

Wir sind im Ausschuss nicht ideologisiert an die Novellierung der Bauordnung herangegangen. Wir haben danach geschaut, was in der Anhörung vorgetragen wurde. Wir haben also Urdemokratisches verwirklicht. Das, was wir in der Anhörung von Verbänden und Vertretern verschiedener Institutionen gesagt bekommen haben, haben wir nicht nur versucht umzusetzen, sondern mit breitem Konsens wurde vieles eingearbeitet und umgesetzt.

An dieser Stelle bedanke ich mich auch bei dem sehr geehrten Herrn Vogt, der es möglich gemacht

hat, verschiedene Änderungsbefehle sehr kurzzeitig einzuarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nichts ist beständiger als der Wechsel. Wir befinden uns in einer Zeit, in der viele Dinge eingeführt werden müssen, auch die Eurocodes. Die Musterbauordnung ist aber nicht hinreichend auf die Regelwerke der Eurocodes abgestimmt. Die Anhänge B und C des Eurocodes, in Teilen auch Eurocode 0 sind bauaufsichtlich nicht eingeführt. Das bedeutet, dass verschiedene Objekte, die prüf- und überwachungspflichtig sind, nicht erfasst sind. Die Durchgängigkeit der Eurocodes ist also derzeit nicht gegeben.