(Herr Gallert, DIE LINKE: Ich glaube, die CDU kennt das gar nicht mit den Beschlüs- sen und dem Wahlkampf!)
- Ach, Kollege Gallert, wissen Sie, das muss ich mir doch von Ihnen nicht sagen lassen. Dass wir nicht an die Menschen denken, das muss ich mir von Ihnen nicht sagen lassen.
(Herr Gallert, DIE LINKE: Das mit den Men- schen war Herr Hövelmann! Ich habe ge- sagt: Die CDU kennt das gar nicht mit den Beschlüssen und dem Wahlkampf!)
(Herr Borgwardt, CDU: Warten wir den Sep- tember ab, dann werden wir sehen, wo du dein Herz siehst!)
- Genau. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss doch festgestellt werden: Ich kann nicht auf der einen Seite die mangelnde Tarifbindung und den niedrigen Organisationsgrad auf der Arbeitnehmer-, aber auch auf der Arbeitgeberseite beklagen und gleichzeitig versuchen, mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes den Tarifpartnern einen Teil ihrer Aufgabenstruktur, nämlich die tarifpartnerschaftliche Lohnfindung, zu entziehen.
Seien wir doch mal ganz ehrlich: Wie gut diese tarifpartnerschaftliche Lohnfindung funktionieren kann, das haben uns, glaube ich, die Friseure gezeigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch auf einen Aspekt in der Antwort auf die Große Anfrage eingehen. Beleuchtet wurde ganz besonders eine Form der sogenannten atypischen Beschäftigung, die Leih- oder Zeitarbeit.
Gleich vorweg bemerkt: Leiharbeit ist an sich nichts Schlechtes und kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber durchaus positive Aspekte aufweisen. Der Minister hat in seiner Rede darauf hingewiesen.
Ich möchte aber betonen: Leiharbeit darf nicht dazu führen, dass es zu Lohndumping und Substitution der Stammbelegschaft kommt, die zwar nicht die Regel sind, aber doch immer wieder beobachtet werden müssen. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ muss in der Leiharbeit - das ist durchaus Standpunkt der CDU - endlich konsequent umgesetzt werden.
Aber auch hierbei sind die Tarifpartner gefragt und müssen handeln. Selbstverständlich - ich glaube, das muss man betonen - ist hierbei auch die Politik
in der Pflicht. Die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage können einen Baustein dafür bilden, dass wir alle dieser Pflicht gerecht werden können. Ich möchte uns alle dazu auffordern, dass wir sie dafür nutzen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Rotter, der Kollege Steppuhn würde Ihnen gern eine Frage stellen. Wollen Sie sich darauf einlassen?
Ich habe Verständnis dafür, dass es unterschiedliche Positionen zu den Verfahren gibt, mit denen man zu Mindestlöhnen kommt. Aber können Sie mir vielleicht einmal erklären, wie aus Ihrer Sicht Branchenmindestlöhne durch die Tarifvertragsparteien vereinbart werden sollen, wenn es zum Beispiel in diesen Branchen keinen tariffähigen Arbeitgeberverband gibt, zum Beispiel in der Callcenter-Branche oder in der Catering-Branche? Wie soll das aus Ihrer Sicht funktionieren?
Denn wir können nicht erzwingen, dass sich Arbeitgeber zu Verbänden zusammenschließen. Auch da brauchen wir, glaube ich, Lösungen, weil das gerade die Bereiche sind, die besonders von Niedriglöhnen betroffen sind.
sem Thema. Es wird dort eine Kommission geben, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt wird. Die werden sich dann über einen Mindestlohn in diesen Bereichen verständigen. Der wird dann durch ein Gesetz für allgemeinverbindlich erklärt. Dadurch können wir auch in diesen Bereichen einen Mindestlohn erzielen, der dann - das betone ich - wiederum von den Tarifpartnern festgelegt wird und nicht an einem Rednerpult oder an irgendeinem anderen Ort, möglicherweise einem Politstammtisch von dann möglicherweise wahlkämpfenden Parteien. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Rotter. - Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Thiel. Bitte schön, Herr Dr. Thiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer wieder sehr schön, im Landtag über das Thema Niedriglohnsektor, Strukturen, prekäre Arbeit und tarifliche Bindungen zu reden.
Die spannende Frage kommt zuerst. Welche neuen Erkenntnisse gibt es denn eigentlich? - Die spannende Antwort darauf lautet: keine grundsätzlich neuen, aber die Detailinformationen bereichern das bisher Bekannte. Insofern ist es wirklich interessant, über dieses Thema zu diskutieren, weil die bisherigen Erfahrungen in diesem Landtag zeigen, dass man bestimmte Themen immer wieder wiederholen muss, damit der stete Tropfen der Erkenntnis den politischen Starrsinn aushöhlt.
Beginnen wir mit der Bewertung der Aussagen zum Niedriglohnsektor. Er habe in Deutschland im Zeitraum zwischen 2004 und 2010 konstant zugenommen, heißt es in der Antwort. Allerdings fiel er nicht vom Himmel. Sie kennen die Ursachen, die dazu geführt haben. Es gab damals Entscheidungen mit der Maßgabe, dass Deutschlands Arbeitsmarkt flexibler sein müsse, um dem globalen Wettbewerb standhalten zu können. Die Arbeitskosten seien zu hoch.
Nun, meine Damen und Herren, muss man im Jahre 2013 sagen, dass wir dem globalen Wettbewerb bisher immer noch standgehalten haben, allerdings zugunsten der Ausdifferenzierung in unserer Gesellschaft. Die Lohnspreizung hat zugenommen. Die prekäre Beschäftigung hat zugenommen und hat sich verstetigt. Dadurch ist Altersarmut vorprogrammiert.
Frau Latta hat vorhin noch einmal die Zahlen genannt, die Sie alle nachlesen können. Es existieren 120 000 Personen, die geringfügige SV-pflichtige Arbeitsplätze haben. Darunter sind 71 000 Frauen. Darunter befinden sich wieder 19 000 Personen, die weniger als 50 % des Medianlohnes verdienen. Die Hälfte davon sind auch wiederum Frauen. Darunter gibt es wiederum 34 000 Aufstocker. In diesen Fällen haben die Arbeitgeber dem Staat für ihre Beschäftigten eine zweite Lohntüte abgerungen.
Wenn wir schon bei dem Zahlenmaterial sind, dann kann auch gesagt werden, dass 6 000 Aufstocker Unternehmerinnen und Unternehmer sind, deren Selbständigkeit nicht für die Existenzsicherung ausreicht. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Wie will man das beseitigen? Dazu werden interessante Anmerkungen gemacht. Eine davon ist das Thema berufliche Qualifizierung. Allerdings kann man in der Antwort auf die Große Anfrage auch lesen, dass eine berufliche Qualifizierung nicht den Weg in den Niedriglohnsektor erspart. 64 % der Betroffenen verfügen über eine Berufsausbildung und sogar fast 2 % der Niedriglöhner haben einen Hochschulabschluss.
Wenngleich die Landesregierung bei der Frage nach den Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Niedriglohnbereich darauf verweist, dass die Erhöhung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus einen wichtigen Ansatzpunkt darstellt, so ergibt sich doch die Frage, warum 64 % auf diesem Weg nicht herausfinden.
Wie ist das Problem zu lösen? Weder mit individuellen Weiterbildungsstrategien für einen bestimmten Job, der vielleicht nur ein oder zwei Jahre anhält? - Darüber lohnt sich nach unserer Auffassung wirklich noch einmal eine echte Diskussion in den zuständigen Ausschüssen.
Wenn das Arbeitszeitvolumen in Deutschland und in Sachsen-Anhalt kontinuierlich abgenommen hat, dann spricht das auch für eine gewachsene Produktivität. Wenn sich dieses Arbeitsvolumen dann aber auf mehr Köpfe verteilt, dann zeigt das die wachsende Segmentierung des Arbeitsmarktes durch die Ausweitung von geringfügiger und Teilzeitbeschäftigung.
Ein typisches Beispiel hierfür ist der deutsche Einzelhandel. Der zeichnet sich gerade dadurch aus, dass seine Beschäftigten am unteren Ende der Lohntabelle stehen. Deshalb ist nach unserer Auffassung auch die Forderung nach 1 € mehr Stundenlohn, die in den laufenden Tarifverhandlungen gestellt worden ist, völlig berechtigt.
Sie wundern sich sicherlich auch nicht über Plakate, die Sie vielleicht in den Urlaubsregionen sehen können. Darauf steht: Wir wünschen Ihnen einen
schönen Urlaub und der Kellnerin einen guten Lohn. - Das sollte man sich immer wieder vor Augen halten.
Die Gefahren eines real existierenden Niedriglohnsektors - so ist die Antwort der Landesregierung auch interpretierbar - überwiegen die vermeintlichen Wettbewerbsvorteile für einzelne Unternehmen. Das betrifft die dringende Notwendigkeit der Stärkung des Binnenmarktes genauso wie die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme.
Heute konnten Sie in der Zeitung lesen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € einen Kaufkraftzuwachs von etwa 19 Milliarden € in Deutschland bedeuten würde.