Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Also reden wir über das Gestalten, reden wir darüber, wie wir das Land voranbringen wollen, und reden wir auch über das, wofür das Geld dann nicht mehr reicht. Auch das kennen wir aus dem politischen und persönlichen Umfeld.

Führen wir gemeinsam eine Zukunftsdebatte! Das heißt aber, dass beide Seiten miteinander reden und nicht nur eine Seite über die andere ihre Meinung äußert. Auch das möchte ich einmal sagen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Klar ist - diesen Satz würde ich mir gern an die Wand schreiben, weil mir von anderen unterstellt wird, ich würde ihn nicht sehen -: Haushaltskonsolidierung ist nicht das Ziel, sondern Mittel zum Zweck, damit wir überhaupt Geld haben, das wir für neue Projekte ausgeben können. Auch das weiß ein Finanzministerium.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

- Sie können an dieser Stelle ruhig klatschen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über die Zukunft des Landes reden, müssen wir dafür sorgen, dass es bei den Veränderungen gerecht zugeht. Das habe ich gesagt; ansonsten wird irgendwann die Akzeptanz völlig weg sein.

Ich will an einigen zentralen Punkten darstellen, was ich damit meine. Ich beginne mit der Frage: Was tun wir für unsere Landeskinder? - Ich meine

genau die Kleinen. Wie können wir allen Kindern eine gleichwertige Bildung und gute Betreuung sichern? - Sie werden mir zustimmen, dass damit bei den Kleinsten begonnen werden muss, weil sich Lebenswege früh entscheiden. Ich denke, das ist mittlerweile eine Binsenweisheit.

Mir geht es darum, dass möglichst jedes Mädchen und jeder Junge in Sachsen-Anhalt faire Startbedingungen für eine bestmögliche schulische und berufliche Ausbildung für ihren Lebensweg haben. Ich denke, wir sind über diese ideologischen Diskussionen hinweg, die wir in den 90er-Jahren über die Fraktionsgrenzen hinweg geführt haben. Es darf nicht zuerst von dem Geldbeutel der Eltern oder der Region, in der man lebt - was auch wichtig ist -, abhängen, ob jemand Abitur macht, ein Studium aufnimmt und damit im Berufsleben erfolgreicher sein kann als andere. Entscheidend für mich ganz persönlich ist, dass die Kinder der alleinerziehenden Mutter im Mansfelder Land ebenso große Chancen haben, wie die Kinder von Professorinnen und Professoren oder Politikern in den großen Städten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich denke, auch das sind Diskussionen, die manchmal eine Rolle spielen. Ich sage hier ganz offen, auch im Lichte der Debatten der letzten Monate: Dies ermöglicht man nicht erst an der Uni und im späteren Berufsleben, sondern in der Kita und in der Schule.

Der Münchener Wirtschaftsprofessor Ludger Wößmann hat dies drastisch formuliert. Ich zitiere:

„Man ermöglicht einem Menschen eine maximale persönliche Freiheit durch die Bildung, die er bis zum 18. Lebensjahr genossen hat. Wenn die Entscheidungen vorher falsch getroffen wurden, ist der Zug für diesen Menschen abgefahren.“

Ziemlich hart, aber man sollte darüber reden, was das für Konsequenzen hat.

In den 90er-Jahren schafften es nach einer Studie des DIW noch 70 % der Westdeutschen, sich aus den untersten Einkommensschichten nach oben zu arbeiten. Ich denke, das ist im internationalen Vergleich keine schlechte Quote. In den Jahren 2006 bis 2009 gelang dies im Westen gerade noch 52 %, im Osten sogar nur 45 %. Was dies für die Bevölkerungsentwicklung bedeutet, das kann sich jeder ausmalen.

Deswegen sage ich es ganz deutlich: Soziale Gerechtigkeit beginnt in der Kita. Auch hierfür gibt es eine große Akzeptanz.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Es war und bleibt absolut richtig, lieber Norbert, dass wir mit dem Rechtsanspruch auf Kinder

betreuung bis zur 6. Klasse die bundesweit weitestgehende Regelung in unserem Koalitionsvertrag getroffen haben. Es lohnt sich übrigens immer wieder, in diesen Vertrag hineinzuschauen. Er ist wesentlich besser als das, was manche über ihn sagen.

Seit August gilt ja nun der Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung für alle Kinder. Einige meinen, dass man in diesem Bereich sparen könne. Ich gestehe an dieser Stelle einen meiner größten politischen Fehler ein. Das betrifft die damalige Diskussion um die Initiative beim Thema Kinderbetreuung. Daran werden sich einige sicher noch erinnern. Auch diesbezüglich habe ich in den letzten Jahren viel gelernt.

Für mich ist das kurzsichtig, da wir dadurch einen Standortvorteil aufgeben würden. Andere Länder versuchen aufzuholen, und zwar mit enormen Mitteln. Deshalb haben wir in den Haushaltsplanentwurf 2014 für diesen Zweck 18 Millionen € zusätzlich eingestellt. Der Ansatz wird in den nächsten Jahren weiterhin erhöht. Das ist sicherlich das komplette Gegenteil von Sparen. Durch manche wird ja die Diskussion der Spardebatte ins Zentrum gerückt.

Wenn ich schon einmal bei dem Thema Geld für Betreuung und Bildung bin, lassen Sie mich einen kurzen Blick in die Zukunft werfen. Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung, früher Wissenschaftssenator der Stadt Hamburg unter Ole von Beust, stellte Folgendes fest: Es ist Wahnsinn; bis zu 600 € im Monat müssen für einen Krippenplatz bezahlt werden, aber 87 € Studiengebühren gelten als sozial unverträglich. Unsere Bildungsfinanzierung steht auf dem Kopf.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich werde mich hüten, an dieser Stelle eine Debatte über Studiengebühren zu führen.

(Zurufe von Herrn Leimbach, CDU, von Herrn Lange, DIE LINKE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Auf diese Stelle habe ich schon seit Wochen gewartet. Dazu sage ich Folgendes: Ja, es ist in der Tat gerecht. Wenn keine Studiengebühren, dann erst recht keine Kita-Gebühren.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Hampel, SPD: Das stimmt!)

Aber ich sage auch, was das kostet. Wenn das Land den von der Bertelsmann-Stiftung geforderten Betreuungsschlüssel von 1 : 3 für Kinderkrippen und von 1 : 7 für Kitas und Horte einführt und sämtliche Kosten übernommen werden, wie es eigentlich überall auf der Welt gang und gäbe ist, wie in Skandinavien und Asien, dass also auch die Kosten der Eltern und der Kommunen und der Träger getragen würden, dann würde dies für

Sachsen-Anhalt Ausgaben in Höhe von 800 bis 900 Millionen € bedeuten.

Im Haushaltsplanentwurf 2014 sind für die Kinderbetreuung 223,5 Millionen € eingestellt. Trotz ambitionierter Vorschläge wird das Problem nicht gelöst werden können.

Was ist möglich? - Wenn wir die Familienförderung des Bundes umstellen, dann gäbe es heftige Diskussionen, nicht nur über das Betreuungsgeld. Die Diskussion über die Struktur des Steuergesetzes - das abzubilden, was vor Jahrzehnten noch richtig war - ist im vollen Gange. Oder durch Steuererhöhungen, wie es die anderen Länder machen. Diese Debatte wird im Moment sehr schwierig zu führen sein. Das merkten wir auch in den letzten Wochen. Das müssen wir den Menschen immer wieder sagen: Es gibt Vorschläge, aber die haben ihren Preis. Das kann man mit einer Konsolidierung nicht machen. An dieser Stelle muss der Bund auch helfen, wenn das gewollt ist.

Kommen wir von den Kitas zu den Schulen. Hierbei ging es in den Debatten der letzten Wochen um eine optimale Unterrichtsversorgung. An diesem Punkt stelle ich ganz schlichte Fragen: Benötigen wir für gute Ergebnisse, die wir in den letzten Jahren im Ländervergleich gemeinsam erzielen konnten, wirklich eine so große Anzahl von Klein- und Kleinstschulen? Sind in Klassen mit 23 oder 24 Schülern nicht ebenso gute Ergebnisse möglich wie in Klassen mit 13 oder 14 Schülern?

An dieser Stelle bin ich mir mit dem Kultusminister einig: Wir sind davon überzeugt, dass unser Bildungssystem wirtschaftlicher gestaltet werden kann, ohne auf Bildungsqualität zu verzichten. Wir gehen davon aus, dass mit den vorhandenen Ressourcen noch viel mehr möglich wäre, um die Potenziale der Kinder zu heben.

Ich verweise auf die heutige Ausgabe des Pressespiegels, in der die Ausfinanzierung des Grundschulbereiches in Sachsen-Anhalt aufgezeigt wird. Deshalb sind auch an Schulen Strukturveränderungen nötig gewesen und absolut vertretbar. Das haben alle anderen Ländern vorgemacht. Ich denke, wir haben das gemeinsam mit den Trägern mit Augenmaß vor.

Deshalb sollte man das Gerede vom brutalen Sparen an dieser Stelle einmal etwas differenzieren. Die Regierung hat den Vorschlag von Stephan Dorgerloh, 120 Lehrkräfte mehr als geplant einzustellen, beschlossen, also insgesamt 340. Man kann doch nicht so tun, als würden wir das unterfinanzieren, und zwar auch ausgehend von dem, was wir in dem System bereits haben. Auch das ist das komplette Gegenteil von Kaputtsparen.

Ebenso wichtig wie die Unterrichtsversorgung ist, dass wir neue Schulformen, wie die Gemein

schaftsschule, nicht vorschreiben. Wir wollen nicht diese ewige Debatte wer gegen wen.

(Herr Scheurell, CDU: Wir wollen sie gar nicht! - Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Aber wir wollen die Gemeinschaftsschulen nachhaltig anbieten. 13 Schulen sind bereits als Gemeinschaftsschulen am Start.

(Herr Scheurell, CDU: 13 zuviel!)

Das ist ein guter Anfang. Weitere 15 Anträge liegen vor. Die Gemeinschaftsschule und das Gymnasium werden im nächsten Jahrzehnt gleichberechtigt die Struktur prägen, wie es überall auf der Welt möglich ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle sollten lernen, an dieser Stelle konsensfähig zu sein. Diese Struktur sollte mit einem Ganztagsanspruch versehen werden. Auch das ist überall normal. Übrigens wird sich dann die abstruse Diskussion über Hausaufgaben ganz von selbst erledigen.

(Herr Scheurell, CDU: Das macht Herr Gab- riel!)

Durch die Einbindung der bisherigen Förderschulen - auch dabei sind wir beieinander - wird so auch die Inklusion gelingen. Neue Beförderungskonzepte werden die Schulwege für die Kinder optimieren. An dieser Stelle müssen wir noch nachlegen. Es macht keinen Sinn, die Kinder quer durch den Landkreis zu fahren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Um dies umzusetzen - dieser Satz ist für das Finanzministerium sicherlich schwierig -, sind mehr Geld und eine veränderte Personalberechnung vonnöten. Aber bitte erst das eine und dann das andere. Wir haben bereits sehr viel Geld im System. Deshalb ist es auch unsinnig - darüber sind wir uns auch einig -, dass das Kooperationsverbot bestehen bleibt; denn hierbei muss der Bund helfen. Allein werden wir das nie schaffen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Mi- nister Herrn Dorgerloh)

Ich habe auch von vielen CDU-Leuten das Signal gehört, dass diese Diskussion nach der Bundestagswahl noch einmal geführt werden wird, spätestens im Rahmen der Föderalismuskommission.