Protokoll der Sitzung vom 31.01.2014

Weil Herr Kurze nach der Vision gefragt hat: Die Vision heißt null. So einfach ist das. Herr Kurze, ich habe Ihnen vorhin schon gesagt - das können Sie ja bei der Abstimmung noch entscheiden -: Mit Ihrem Alternativantrag schließen Sie sich dieser Vision an.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ja! - Herr Scheu- rell, CDU, lacht)

Das war in diesem Haus bisher anders. Sie stehen jetzt vor dieser Entscheidung.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie die Beschlüsse der Landesregierung zur Personalentwicklung zur Grundlage dieses Konzeptes machen, dann brauchen Sie über neue Aufgabenfelder, über Ausschreibungen - Herr Minister, das ist doch absurd -, über all das nicht zu reden. Es wird niemand neu eingestellt, sondern die Stellenzahl wird jedes Jahr heruntergefahren. Das ist die Grundlage. Deswegen ist doch die große Debatte, welche Aufgaben sich stellen und dass das wichtig ist, eine verlogene Diskussion, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das erfolgt leider nicht zum ersten Mal in dieser Form.

Gemeinsamer Unterricht, Ganztagsschulen - Sie sind immer sofort dabei, auch der Minister, immer mehr Aufgaben zu definieren. Ich gebe Ihnen sogar Recht, dass wir dort Handlungsbedarf

haben. Aber die Rechnung, wir definieren jedes Mal eine neue Aufgabe und gleichzeitig reduzieren wir jedes Mal die Stellenzahl, ist eben eine Rechnung, die nicht aufgeht. Aber das ist Ihre Rechnung.

Wir sind doch schon jetzt in der Situation, dass wir Grundschulen vereinzelt nicht mehr mit pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versorgen können. Wir sind doch schon längst an dem Punkt der Unterversorgung. Und dann reden wir hier über neue Aufgaben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Minister hat in Reaktion auf Frau Dr. Paschke gesagt: Haben Sie noch ein bisschen Geduld. - Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich hätte diese Frechheit nicht besessen, den Abgeordneten nach sechs Jahren zu sagen: Haben Sie noch ein bisschen Geduld.

Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, in sich zu gehen, was Ihren Alternativantrag betrifft, weil er die Debatte über die Aufgabenfelder, über die Teams, über die großen Aufgaben, die in der Schule vor uns liegen und für die wir qualifiziertes Personal brauchen, obsolet macht und unter das Ziel des Personalabbaus stellt. Diesem Ziel der Landesregierung sollten wir uns heute nicht anschließen. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Höhn. - Ich muss Sie, meine Damen und Herren, jetzt leider bitten, aus sich zu gehen. Sonst kommen wir zu keinem Abstimmungsergebnis. Denn Sie müssen Ihr Abstimmungsverhalten nach außen anzeigen.

Ich habe keine Überweisungsanträge gehört. Deshalb lasse ich jetzt über den Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drs. 6/2715 abstimmen. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Das sind die Antragstellerin und die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in Drs. 6/2734 ab. Wer dem Alternativantrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden und wir haben den Tagesordnungspunkt 13 abgearbeitet.

Nach dem wichtigen Thema Bildung kommen wir jetzt zu dem nicht minder wichtigen Thema Wasser. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Erste Beratung

Berichterstattung zur Sicherung annähernd gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2716

Einbringer ist Herr Grünert. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der gestrigen Plenarsitzung haben wir uns zu einigen Auswirkungen der demografischen Entwicklung in unserem Land ausgesprochen und Bedarfe sowie politische Empfehlungen postuliert.

Heute nun beantragt meine Fraktion, dass sich der Landtag über die Sicherstellung annähernd gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Wasserver- und Abwasserentsorgung von der Landesregierung Bericht erstatten lässt. Eingedenk der Hochwassersituation vom Juni 2013 und den damit verbundenen erheblichen Einbindungen der zuständigen Ministerien stellen wir diesen Antrag erst jetzt.

Gebühren und Beiträge beschäftigen nicht nur kommunale Verwaltungen, sondern maßgeblich auch die Bürgerinnen und Bürger, wirtschaftliche Unternehmen und nicht zuletzt die kommunalen Vertretungen. Oftmals sind auch heute noch die wirtschaftlichen Ergebnisse der einzelnen Leistungserbringer durch Entscheidungen der 90erJahre geprägt, sind die erhaltenen Sanierungs- und Teilentschuldungshilfen für in Not geratene Zweckverbände im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung einbezogen, und daraus entsteht ein erheblicher Druck auf die Gebühren- und Beitragsentwicklung.

Allein die Förderung des Landes von Investitionen in diesem Bereich beläuft sich bis heute auf rund 1,2 Milliarden €. Hinzu kommen die bereits erwähnten Hilfen in Höhe von rund 353 Millionen €.

Die Ursachen für diese Situation sind sehr differenziert. Zum einen sind dies Folgen falscher Einschätzung der zukünftigen Verbräuche und der demografischen Entwicklung, der Dominanz zentraler Ver- und Entsorgungslösungen, aber zum anderen auch Ergebnis mangelhafter Betriebsführung, von Fehlkalkulation und des politischen Aussetzens notwendiger Entscheidungen.

Nicht zu Unrecht bemängelt der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2011, Teil 2, gravierende Mängel in der Beitragserhebung sowie im Zusammenhang mit der Erhebung privatrechtlicher Entgelte. Ich möchte nur auszugsweise folgende Tatbestände erwähnen: mangelhafte Beachtung der Auswirkungen von Beitrags

festsetzungen, die fehlende Dokumentation und Kontrolle der Beitragserhebung und die ungenügende Realisierung von Beitragseinnahmen. Dies führte in der Vergangenheit und führt auch heute zu erheblichen Beitragsausfällen.

So sind bis Juni 1991 rückwirkende Beitragsbescheide gang und gäbe, beträgt die Grundgebühr in vielen Fällen schon mehr als zwei Drittel der tatsächlichen Gebühr, werden Mindestverbräuche festgelegt, die dem ressourcensparenden Verhalten der Bürgerinnen und Bürger entgegenstehen,

(Zustimmung bei der LINKEN)

wird der Grundsatz, bei der Einnahmenbeschaffung gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 der noch geltenden Gemeindeordnung auf die Wirtschaftskraft der später Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen, schlichtweg ignoriert bzw. spätestens im Rahmen der Haushaltskonsolidierung durch die Kommunalaufsicht kassiert.

Aber auch politisch festgesetzte Gebührenhöhen, die Zweckverbandsversammlungen im guten Wollen beschlossen haben, sind nicht geeignet, die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse zu verbessern. Das Kommunalabgabengesetz wird in einer Interpretationsweite angewendet, die dem eigentlichen Gesetzeswortlaut oftmals entgegensteht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nun müsste man eigentlich annehmen, dass aufgrund der weiteren Konsolidierung der Verbände eine wirtschaftliche Gesundung und eine Stabilisierung der Gebühren und Beiträge erreicht wurden. Offensichtlich ist dies jedoch nicht der Fall.

Die Umsetzung des im Jahr 1996 gefassten Beschlusses des Landtags von Sachsen-Anhalt, dezentrale Lösungen der Abwasserbeseitigung gleichrangig mit zentralen Lösungen zuzulassen, trägt mittlerweile skurrile Züge. Ja, es werden dezentrale Anlagen ermöglicht. Diese beziehen sich jedoch auf den einzelnen Haushalt, auf das einzelne Grundstück, nicht jedoch auf wirtschaftlichere Lösungen wie unter anderem Gruppenkläranlagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aufgrund des Verbrauchsverhaltens der Grundstückseigentümer und der technologisch festgesetzten Mindestabwassermengen führt dies in vielen Fällen zur Funktionsunfähigkeit der vollbiologischen Kleinkläranlagen, aber auch zu erheblichen Mehrbelastungen der Grundstückseigentümer.

Eine Ursache sehen wir in der ungenügenden Korrektur der Abwasserzielplanung nach § 79 des Wassergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt. Nunmehr haben die Gemeinden die Möglichkeit und Pflicht, bis zum 1. April 2014 für ihr gesamtes Gebiet schriftlich in getrennten Konzeptionen dar

zustellen, wie das im Gebiet anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser beseitigt wird. Hierin sind auch die demografische Entwicklung, die technischen Lösungen für die Abwasserbeseitigung sowie die betriebswirtschaftliche Ertüchtigung der Verbände darzustellen.

Die Option, dass kilometerlange Rohranlagen, Druck- und Hebestationen gebaut werden, deren Bemessung oft nicht dem tatsächlichen Verbrauch bzw. der demografischen Entwicklung entspricht, sollte daher auch in den letzten Fällen der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei der LINKEN)

Um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicherstellen zu können, sind aus unserer Sicht die teilweise gravierenden Gebührenunterschiede zwischen den Aufgabenträgern zugrunde zu legen.

Meine Damen und Herren! Die Zweckverbände versuchen mit sehr viel Kreativität, das Kommunalabgabengesetz immer wieder neu zu interpretieren. Neuerdings scheint es üblich und gängige Praxis zu sein, durch Prüfungen der Dichtigkeit von Abwasserleitungen, die durch die Verbände zwar übernommen, aber nicht ertüchtigt wurden, weitere Einnahmen über rückwirkende Beiträge zu erzielen und unter Umgehung von geltenden Rechtsvorschriften eine degressive Gebührenstaffelung besonders für Großverbraucher durchzudrücken.

Ich habe nichts dagegen, dass man die Leitungen auf Dichtheit prüft, dass man auch prüft, ob es illegale Anschlüsse gibt. Aber es kann nicht Sinn und Zweck sein, durch diese Prüfung letztendlich fehlende Einnahmen zu rekrutieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Natürlich haben die Verbände bei der Festsetzung des Beitragssatzes und der Wahl der Beitragsmaßstäbe einen Ermessensspielraum. Dieser wird jedoch begrenzt durch den mit der Kalkulation festgestellten höchstmöglichen Beitragssatz und der für dieses Land geltenden Beitragserhebungspflicht.

Anpassungen können sich zum Beispiel aus folgenden Gründen ergeben: neue Kalkulationen und damit eine neue Kostenstruktur, Veränderung der Beitragsgebiete, Änderung rechtlicher Normen, Änderung durch aktuelle, veränderte Rechtsnormen.

Im Prüfbericht führt der Landesrechnungshof auf, dass die durch ihn geprüften Aufgabenträger Veränderungen vorgenommen haben, die jedoch ihre Wirkung nur für die Zukunft entfalten.

Nicht geprüft würden die Wirkungen auf bereits erfolgte Beitragsfestsetzungen und deren Folgen auf die Gebührenfestsetzung. Diese Wirkungen sind von den Aufgabenträgern zu prüfen. Sie können

Rückzahlungen überzahlter Beitragsanteile, aber auch eine Nacherhebung zum Ausgleich von zu geringen Beitragseinnahmen nach sich ziehen. Hierbei ist der Grundsatz des Doppelbelastungsverbotes zwingend zu berücksichtigen.

Von besonderer Bedeutung ist dabei auch die schier unbegrenzte Rückwirkung sogenannter Herstellungsbeiträge II für bereits errichtete Anlagen. Dies widerspricht dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013.

Dieses Urteil zielt im Rahmen seines Leitsatzes auf das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und Vorhersehbarkeit ab und verlangt Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben, also Beiträge und Gebühren, zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können.