Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

weil wir keine Schulen, auch nicht weniger Schulen schließen wollen. Dann macht man das eben so. Aber das zeigt doch nur, dass gerade auch die anderen drei Elemente des Kompromisses von zentraler Bedeutung sind.

Es wurde viel dazu gesagt. Ich wiederhole es: Natürlich hat es eine Bindungskraft, wenn die Vertreter von vier Fraktionen im Landtag ihren Willen zum Ausdruck bringen und den Schulträgern vor Ort, den Gemeinden vor Ort, den Lehrern und den Eltern vor Ort sagen: Wir legen uns darauf fest, dass wir bis zum Jahr 2023 diese Zahlen nicht ändern. Natürlich hat das eine Bindungswirkung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Oder wollen Sie in den Wahlkampf ziehen mit der Aussage: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Das ist doch klar.

Ich komme auf Stark III zu sprechen. Es war eine etwas absurde Debatte, die ich hier eben verfolgt habe. Erstens. Ich möchte nicht für schlecht gemachte Politik von Vorgängerregierungen verantwortlich gemacht werden; ganz ehrlich nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zweitens. In dem Kompromiss steht, dass wir uns auf Schulzahlen bis zum Jahr 2023 festlegen. Bis zum Jahr 2023 haben wir sehr gute Prognosen über die Entwicklung der Schülerzahlen. Wir brauchen keine Kristallkugel, um das zu wissen. Danach wird über die Zahlen neu verhandelt.

Wer bestimmt denn über die Bestandsfähigkeit von Schulen? - Das macht, wie wir heute von Frau Budde mehrfach hören durften, der Minister über die Schulentwicklungsplanung. Insofern sehe ich überhaupt kein Problem hinsichtlich der Bestandsfähigkeit, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zu den Schulverbünden habe ich eingangs einiges aus der Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgeführt. In der Tat finde ich den Ansatz in der Debatte, die wir geführt haben, Schulverbünde sozusagen als Pflaster zu nutzen, um Schulnot zu lindern, völlig falsch. Das kann ein Nebeneffekt von Schulverbünden sein, aber in erster Linie sind Schulverbünde ein intelligentes Mittel, um Schule vor Ort zu planen. Ich halte es für den richtigen Weg, dazu einen Modellversuch durchzuführen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Frau Brakebusch, CDU)

Insofern werbe ich nachdrücklich für unseren Kompromiss.

Herr Schröder, wir haben in diesem Parlament schon oft über die Unterrichtsversorgung, über die Verteilung von Schulen im Lande, über die Schulentwicklungsplanung geredet. Wir haben in diesem Parlament ausführlich über Stark III geredet. Über all diese Punkte haben wir ausführlich gesprochen. Ganz ehrlich gefragt: Was sollen wir nun noch im Ausschuss bereden?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich halte eine Ausschussüberweisung für das falsche Mittel. Die Schulträger, die Gemeinden, die Eltern und die Lehrer warten auf ein klares Signal. Das können wir ihnen heute geben. Eine Ausschussüberweisung führt uns in der Sache nicht weiter. Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu, dann senden wir ein gutes Signal ins Land. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Präsident Herr Gürth

Damit ist die Debatte zu dem Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Im Laufe der Debatte wurde der Wunsch nach einer Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Bildung und Kultur geäußert. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir zunächst über die Überweisung ab.

Wer dem Antrag auf Überweisung in den Bildungsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand.

Dann ist der Antrag in der Drs. 6/ 3483 mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen in den Ausschuss für Bildung und Kultur überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 2 ist erledigt.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt. Es geht weiter mit Bildung und Qualifizierung.

(Eine Reihe von Abgeordneten und Mitglie- dern der Landesregierung verlässt den Ple- narsaal - Unruhe)

- Soll ich die Sitzung kurz unterbrechen oder wollen wir in der Tagesordnung fortfahren? - Ich unterbreche die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 12.23 Uhr.

Wiederbeginn: 12.24 Uhr.

Präsident Herr Gürth

Wir setzen die Sitzung fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung

Den Meisterbrief als zentrales Qualitätsmerkmal im Handwerk erhalten und stärken

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3492

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3515

Bevor ich dem Einbringer das Wort erteile, begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Dr.-CarlHermann-Gymnasiums Schönebeck. Willkommen im Landtag von Sachsen-Anhalt!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir haben soeben über die Schulform vor dem Gymnasium, über die Grundschulen, debattiert. Jetzt geht es weiter mit etwas, das nach dem Gymnasium kommen kann, nämlich mit dem Meisterbrief. Für die einbringende Fraktion wird der Abgeordnete Herr Mormann sprechen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir uns letztens mit den Problemen und hoffentlich auch mit den ersten Ansätzen zur Lösung dieser Probleme für das Handwerk beschäftigt haben, debattieren wir heute über den eigentlichen Grund dafür, dass das Handwerk seit Jahrhunderten ein Synonym für Qualität in der Arbeit und in der Ausbildung ist, über den Meisterbrief.

Meine Damen und Herren! Warum ist das Handwerk, warum ist der Meisterbrief so wichtig für uns? - Lassen Sie mich dazu ein paar Gründe aufführen.

Erstens. Die Ausbildungsleistung des Handwerks trägt maßgeblich zur Sicherung des Nachwuchses

der gesamten gewerblichen Wirtschaft bei. Dieses Ausbildungsniveau wird durch die unzähligen Meisterbetriebe im Land getragen. Die Ausbildungsquote im Handwerk ist, gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftigten, mit knapp 8 % sogar mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. 95 % der Lehrlinge werden im zulassungspflichtigen Handwerk - der Meister oder eine gleichwertige Qualifikation des Betriebsleiters ist Voraussetzung für die Selbständigkeit - ausgebildet.

Zweitens. Die Qualität der Berufsqualifikation ist maßgeblich für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Der Schlüssel für den Erfolg deutscher Betriebe ist nicht der Preis, sondern das Know-how. Gerade im Handwerksbereich schöpfen Marktführer ihre Wirtschaftsstärke, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit aus der fachlichen Qualifikation von Betriebsinhabern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Welt ihresgleichen sucht.

Drittens. Die qualifikationsbedingte Reglementierung von Handwerksberufen ist in der Praxis untrennbar mit der hohen Ausbildungsleistung des Handwerks verknüpft. Es ist also kein Zufall, dass Meisterbetriebe den größten Anteil zur Ausbildungsleistung des Handwerks beisteuern. Nur in der Meisterqualifikation wird das Rüstzeug für Selbständigkeit und Unternehmertum vermittelt.

Viertens. Damit ist eine unerlässliche Basis für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg gegeben. Sie dient der ganzheitlichen Vorbereitung auf eine erfolgreiche unternehmerische Betätigung. Sie beinhaltet neben berufsspezifischem Fachwissen fundierte betriebswirtschaftliche, rechtliche sowie berufs- und arbeitspädagogische Kenntnisse.

Fünftens. Im Handwerk sind mehr als 80 % der Auszubildenden nach wie vor Sekundarschulabsolventen. Dieser Zielgruppe wird mit der Möglichkeit der Fortbildung zum Meister die Chance auf eine hochwertige Qualifikation und auf eine aussichtsreiche Existenzgründung gegeben. Mit der akademischen Bildung gleichwertige berufliche und individuelle Karrierewege sind damit auch Personen ohne Hochschulzugangsberechtigung eröffnet. Die Meisterqualifikation ermöglicht insofern ein leistungsfähiges Unternehmertum jenseits des akademischen Bereichs.

Sechstens. Die duale Ausbildung ist die wirksamste Waffe im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Eine gute Qualifikation ist die zentrale Voraussetzung für die Sicherung eines angemessenen Einkommens und der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Damit trägt sie entscheidend zur Entlastung der Solidargemeinschaft bei. Deutschland hat zuletzt dank der dualen Ausbildung mit etwa 7,4 % die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in Europa. Die durchschnittliche Quote der 28 EUMitgliedstaaten ist fast dreimal so hoch.

Siebentens. Fachliche Kompetenz ist gerade bei gefahrengeneigten Berufen gelebter und präventiver Verbraucherschutz. Gefahrengeneigte Tätigkeiten dürfen nur von Handwerksunternehmen ausgeführt werden, deren Inhaber oder Betriebsleiter über einen Meisterbrief oder eine gleichwertige Berufsqualifikation verfügen.

Die fachliche Kompetenz und handwerkliche Erfahrung von Meistern schützt vor unsachgemäßen oder gar vor gefährlichen Arbeitsausführungen und befähigt jeden Betriebsleiter, Gefahren für Gesundheit, Leben und Umwelt zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Gerade Verbraucher müssen sich auf die Kompetenz und die Sicherheit handwerklicher Arbeiten verlassen können.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Qualität von Handwerksmeistern steht deshalb im unmittelbaren Interesse eines effektiven präventiv ausgerichteten Verbraucherschutzes.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Das war jetzt viel. Aber es ist eben auch nicht weniger.

Lassen Sie mich festhalten: Die Meisterprüfung und der Meisterbrief sind Befähigungsnachweise. Sie sind nicht nur Nachweise für eine hohe Qualität der Arbeit, gerade unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes, sondern auch Nachweise für die Befähigung zur Ausbildung. Wir sehen mit Blick auf die Ausbildung eine enorme Bedeutung der dualen Ausbildung, welche von den vielen Meisterbriefen in unserem Land getragen wird.

Meine Damen und Herren! Aus diesen Gründen steht für uns fest: Wir werden uns für den Meisterbrief als ein Siegel für Qualität der Dienstleistung und der Ausbildung, gerade mit Blick auf die europäischen Diskussionen, einsetzen.