Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

(Zuruf von der CDU: Ambitioniert!)

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hat mit der Einrichtung des Frauenbeirats dieses Politikfeld zu einem Schwerpunkt erklärt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Indikator für gelebte Geschlechtergerechtigkeit ist, wie viele Frauen es in verantwortlichen Stellen gibt, da Frauen in Führungspositionen immer noch klar unterrepräsentiert sind, auch wenn in der letzten Zeit durchaus positive Trends zu verzeichnen sind. Bei den Landesbeschäftigten gibt es nahezu 40 %, jedoch trübt sich das Bild auf der Leitungsebene, also in den gehobenen Positionen deutlich.

Optimistisch stimmt uns dagegen die Sensibilität für dieses Thema. Daher hat dieses Hohe Haus auch auf Empfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung die Landesregierung aufgefordert, in diesem wichtigen Handlungsfeld ein auf alle Fachpolitiken ausgerichtetes Rahmenprogramm für ein geschlechtergerechtes

Sachsen-Anhalt zu erarbeiten.

Das war im Jahr 2011. Seitdem sind drei Jahre vergangen. Während im November 2011 der durch das zuständige Ministerium vorgelegte Zwischenbericht noch einer deutlichen Überarbeitung bedurfte, gab es im Jahr 2013 - im dialogorientierten Verfahren sehr förderlich übrigens - eine deutlich differenziertere Darstellung.

Fünf Handlungsfelder wurden genannt, und ein ausführlicher Faktencheck wurde durchgeführt, der sich auf alle Politikbereiche und alle Häuser bezog. Defizite wurden herausgestellt, die Daten wurden gründlich analysiert - immer natürlich im Kontext mit dem Globalziel - und es wurden 200 Ziele und Maßnahmen entwickelt. Ganze 200 Ziele und Maßnahmen machen deutlich, wie komplex dieser - ich nenne ihn einmal so - gesellschaftliche Innovationsprozess ist, der hierbei vor uns liegt. Er ist es nicht nur jetzt, sondern er wird es auch in Zukunft bleiben. Ziele, Maßnahmen und Aktionen sind Bestandteil des Landesprogramms, des Masterplans also.

Viele Akteurinnen und Akteure, Vereine, Verbände und Institutionen haben daran mitgewirkt. Darum

war die Diskussion auch breit aufgestellt, und das war gut so. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen Beteiligten dafür meinen Dank zu sagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht darum, dass die Landesregierung das von Frau Professor Dr. Kolb in dieser Woche im Kabinett vorgestellte Maßnahmenpaket des Landesprogramms umsetzt. Begleitung und Controlling sind bei diesem Innovationsprozess sehr wichtig. Das obliegt uns, dem Parlament. Regelmäßig und öffentlich muss über die Umsetzung des Programms berichtet werden, also auch jährlich in einer Debatte hier im Hohen Haus.

Wir haben zu den Schwerpunktthemen und zum Umsetzungsverfahren bereits intensive Debatten geführt, und wir werden noch mehrfach Gelegenheit haben, zu diesem Thema zu sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung hat mit diesem auf den Weg gebrachten Landesprogramm gleichstellungspolitisch einiges bewegt. Ich danke hierbei insbesondere den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die mit ihrem Antrag im Juni des Jahres 2011 - gleich zu Beginn der Wahlperiode - den nötigen Impuls für ein solches Landesprogramm gegeben haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Fokus der Öffentlichkeit - das ist natürlich auch richtig - steht nach wie vor der Anteil von Frauen im Managementbereich respektive in Führungspositionen in der Privatwirtschaft.

Nun, der Tanker bewegt sich langsam. Unternehmen bewerten leider sehr oft Initiativen der Politik als eine unangenehme Einmischung in die Autonomie ihres Handelns.

(Herr Scheurell, CDU: Das stimmt!)

Ich finde, das ist kurzsichtig und nicht wirklich wachstumsorientiert.

(Herr Scheurell, CDU: Doch!)

Es ist natürlich durchaus menschlich und nachvollziehbar, dass man sich bei der Besetzung von Aufsichtsräten mit Vertrautem und Vertrauten umgibt.

(Herr Scheurell, CDU: So ist es!)

Unbewusst stellen Führungskräfte lieber Menschen ein, die ihnen ähnlich sind. Da in den TopFührungsetagen überwiegend Männer sitzen, zieht das Männer nach sich. Das ist menschlich nachvollziehbar,

(Zuruf von der CDU: Nein, nein, nein! - Weiterer Zuruf von der CDU: Doch! - Zu- stimmung von Herrn Scheurell, CDU)

aber wirtschaftlich nicht immer. Unternehmen, die den Frauenanteil in ihren Chefetagen erhöhen, haben die Nase vorn.

Die Zukunft gehört gemischten Teams; das hatte der Ministerpräsident mehrfach hervorgehoben. Dafür gibt es zahlreiche Belege.

Meine Fraktion steht übrigens einer gesetzlich geregelten Frauenquote grundsätzlich offen gegenüber. Jedoch sind nach unserem Standpunkt ganz genaue Vorgaben dafür notwendig, ab welcher Unternehmensgröße diese Regelung greifen soll. Eine für alle Unternehmen - unabhängig von der Betriebsgröße, ich glaube, es ist wichtig, dass das hier noch einmal hervorgehoben wird - verordnete und rein auf Ergebnisgleichheit abzielende Frauenquote lehnen wir allerdings als nicht praktikabel ab. Wir wollen, dass in jedem Fall den unterschiedlichen Realitäten in den Wirtschaftsunternehmen Rechnung getragen wird. Durch eine gesetzliche Regelung der Frauenförderung können im Hinblick auf stärkere Eingriffe in die unternehmerische Freiheit nicht die Mittelständler ins Visier genommen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine Verordnung bezüglich der Zusammensetzung des Personals ist für den Mittelstand übrigens gar nicht notwendig, da dieser - sofern es tatsächlich möglich ist - den Frauenanteil in den Führungspositionen oft vorbildlich umgesetzt hat.

Gemäß der Mitteilung des Statistischen Bundesamts sind weibliche Führungskräfte mit 35 % in den kleineren Betrieben mit bis zu 49 Beschäftigten präsent.

Wer sich über das Engagement von Unternehmerinnen in Sachsen-Anhalt persönlich ein Bild machen wollte, der hatte unter anderem vor einigen Wochen Gelegenheit, sie persönlich kennenzulernen, als der Unternehmerinnenpreis in Magdeburg vergeben wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu einem weiteren Punkt etwas sagen, nämlich zur Entgeltgleichheit; die Frau Ministerin hatte es angesprochen. Der Landtag hat die Landesregierung um die Initiierung einer Bundesratsinitiative gebeten, die insbesondere die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen zur Schaffung einer Entgeltgleichheit von Frauen und Männern enthält.

Es ist tatsächlich leider so, dass Frauen im bundesweiten Durchschnitt bei gleicher Arbeit rund 23 % weniger verdienen. Das ist für meine Fraktion nicht hinnehmbar. Geschlechtsbezogene

Lohnunterschiede müssen - wo auch immer sie vorkommen - beseitigt werden. Das gebietet bereits Artikel 34 der Landesverfassung. Es bedarf dafür allerdings einer Erweiterung und Durchset

zung materieller Rechtsgrundlagen für das gleiche Entgelt bei gleicher Arbeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Unter Berücksichtigung der im Grundgesetz verankerten Tarifautonomie sind natürlich auch die Gewerkschaften und die Arbeitgeber in der Verantwortung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ministerin Kolb hat in der Regierungserklärung zu Recht betont, dass Sachsen-Anhalt in vielen Bereichen gut aufgestellt ist. Wir verzeichnen überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse bei jungen Frauen.

Sachsen-Anhalt ist zudem das Bundesland mit der besten Kinderbetreuung. Unsere Kinderbetreuung ist nicht nur ein guter Standort- und Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein Baustein dafür, dass junge Paare Karriere planen und Karriere und Familie miteinander vereinbaren können. Deshalb können wir in unserem Bundesland auch auf eine überdurchschnittlich hohe Erwerbsquote bei Frauen zurückblicken.

Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist mit einer beispielhaften Kinderbetreuung zwar leichter, aber immer noch eine Herausforderung. Ohne gute Arbeitsteilung und Absprachen vor Ort ist dabei nichts möglich.

Der Autor Ralf Bönt stellt in seinem im Jahr 2012 erschienenen, etwas weinerlich formulierten, muss ich sagen, Buch „Das entehrte Geschlecht“ eine Behauptung in den Raum, die mich nachdenklich gestimmt hat.

„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“

- schreibt er -

„ist für den Mann aber nicht schwierig wie für die Frau. Sie ist unmöglich. Sie ist nicht einmal ein Thema.“

Auch wir haben heute darüber nur am Rande gesprochen. Mehrfach haben wir auf die hohen Bildungsabschlüsse von Frauen und Mädchen in unserem Land hingewiesen, und das nicht ohne Stolz.

Im Jahr 1997 gab es ein Konzept des Kultusministeriums, das sich insbesondere darauf orientierte, Frauen und Mädchen im schulischen Kontext zu fördern. Wer den überarbeiteten Zwischenbericht gründlich liest, der kommt nicht umhin festzustellen, dass bei der Gestaltung gendersensibler Bildungs- und Erziehungsprozesse die Jungen dabei wohl nicht genügend Beachtung fanden.

„Die Anfänge waren“

- ich zitiere -

„auch im schulischen Bereich berechtigterweise stark auf den Abbau der Benachteiligungen von Mädchen und jungen Frauen gerichtet.“

So heißt es im Zwischenbericht.

„Geschlechterpolitik muss“

- ich zitiere -

„weiter auf den verschiedenen Handlungsfeldern beide Geschlechter gleichermaßen in den Blick nehmen.“