So einfach ist die Welt in der Regel aber leider nicht; denn wir versuchen als regierungstragende Koalition sehr wohl, einen Haushaltsplanentwurf aufzustellen, der transparent ist und den Grundsätzen von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit entspricht. Das ist zugegebenermaßen beim Top-down-Verfahren nicht so einfach, wie wir erfahren haben. Ich werde über die Mängel des Verfahrens nachher noch ein, zwei Sätze verlieren.
Herr Knöchel, es ist doch nicht so, dass wir das alles ablehnen und diese Probleme, die Sie nannten, nicht verortet haben. Die sehen wir auch, was zum Beispiel die Frage von Deckungskreisen angeht, was die Frage von Ausgaberesten und Mittelübertragbarkeit angeht. Das wurmt uns teilweise genauso, gleichermaßen die Frage, wie wir mit den Personalbedarfen umgehen. Ich glaube, kein Thema haben wir so oft besprochen wie die Frage: Wie sieht das eigentlich in der Titelgruppe 96 mit dem disponiblen Teil, mit dem Überhangpersonal aus? Was gehört da hinein? Was muss man herausnehmen?
Wir haben im ersten Schritt in diesem Haushaltsplanentwurf - das ist Ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben - die zentrale Veranschlagung der Stellen von Beschäftigten, die in der Freistellungsphase der Altersteilzeit sind, im Einzelplan 13 mit dem Stellenziel 2016 auf den Weg gebracht. Ich weiß, das ist erst einmal ein kleiner Schritt, weil die Titelgruppe 96 inzwischen so groß ist, dass es auch für einen fleißigen Abgeordneten fast unmöglich ist herauszubekommen, was sich im Einzelfall tatsächlich dahinter verbirgt. Aber ich denke, wir sind damit schon einmal dem Ziel, dass wir wissen, wo wir personell stehen, ein ganzes Stück näher gekommen.
Das muss man sicherlich weiterentwickeln, genauso wie die aktuelle Diskussion um die Frage: Wie viele Lehrer und wie viele Polizisten brauchen wir? - Diese Frage treibt mich natürlich genauso um. Erklärtermaßen sind wir auch diejenigen, die für innere Sicherheit stehen und die ein großes Interesse an einer ausreichenden Zahl von Polizisten haben. Auch im Hinblick auf die Lehrer ist es fraktionsübergreifend so. Die Unterrichtsversorgung ist für jeden, der Kinder hat, etwas, das politisch überhaupt nicht verhandelbar ist, sondern das am Ende des Tages einfach sichergestellt werden muss.
Dabei ist das, was wir jetzt gemeinsam mit dem Koalitionspartner als Lösung ersonnen haben - die Regelung über diesen Vermerk, der das Kultusministerium auffordert, schulscharf, für alle Schulen, für das Schulnetz den Bedarf nachzuweisen und den Mangel vor allem auch lehrerscharf darzustellen, damit wir wissen, wo welcher Lehrer fehlt -, doch der einzig seriöse Weg, den man anbieten kann. Man kann doch nicht auf Verdacht erst einmal 300 Lehrerstellen schaffen, die Lehrer einstellen und sagen: Die verteilen wir dann, wenn wir wissen, wo sie gebraucht werden. So sieht keine seriöse Haushaltspolitik aus. Und genau das wollten wir auch vermeiden.
(Frau Bull, DIE LINKE: Weil Sie von Ver- dacht reden! Wir reden nicht mehr von Ver- dacht, wenn wir über die Schulentwick- lungsplanung reden! Der Bedarf ist da!)
- Nein. Es ist doch aber tatsächlich so: Ich kann einem Problem an einer Schule nur dann abhelfen, wenn ich die Schule kenne und weiß, welchen Lehrer die Schule braucht.
(Frau Bull, DIE LINKE: Das können Sie, wenn Sie ganz normal in die Prognosen des Kultusministeriums schauen!)
Wenn wir die Zahlen haben, dann werden Sie sich darauf verlassen können, dass wir darauf reagieren werden und dass wir die Unterrichtsversorgung in diesem Land sicherstellen werden. Das ist mehrmals zugesagt worden.
Ich weiß nicht, ob außer mir niemand Zeitung liest und ob niemand den Bericht des Landesrechnungshofes von gestern gelesen hat, in dem der Widerspruch bei den Stellenzielen in der Tabelle wunderbar aufgeschlüsselt worden ist. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Zahl am Ende des Tages die richtige ist. Das müssen wir aber wissen, bevor wir Abhilfe schaffen können, weil das schon einen Unterschied macht.
Ich bin mir sicher, dass der Kultusminister diese Frage beantworten wird. Wenn wir wissen, es fehlen 50, 60, 70 Lehrer, dann müssen wir sie einstellen. So einfach ist das.
Verehrte Damen und Herren! Die Politik war schon immer besonders kreativ und erfinderisch darin, zu begründen, warum es gut und richtig ist, mehr Geld auszugeben, als einem momentan zur Verfügung steht. All diese Gründe sollen aber nur eines verschleiern: den ungerechtfertigten Vorgriff auf Ressourcen der uns nachfolgenden Generation. Inzwischen muss man in vielen Fällen schon fast von „Generationen“ reden, weil die Schuldenstände ein Niveau erreicht haben, das von einer Generation längst nicht mehr bewältigt werden kann.
Unser Verständnis von nachhaltiger Finanzpolitik schließt deshalb vor allen Dingen die Frage der Generationengerechtigkeit ein. Generationengerechte Finanzpolitik muss nach unserer Vorstellung die Chancen der uns nachfolgenden Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zumindest so groß halten wie die jener Generationen, die die Finanzpolitik zu verantworten haben. Dieses Anliegen ist mit langfristiger Schuldenpolitik unvereinbar. Das möchte ich gern an zwei Beispielen erklären.
Ein beliebtes Argument, um Schulden zu rechtfertigen, ist der Begriff der Zukunftsinvestition. Dahinter verbirgt sich die Behauptung, die Investition
von heute würde dann auch den nachfolgenden Generationen zugute kommen. Schaut man sich diese Behauptung etwas genauer an, stellt man schnell fest, dass diese Argumentation einer Prüfung nicht stand hält.
Wozu führen denn schuldenfinanzierte Investitionsobjekte? - Die Finanzierung dieser Objekte wird vollständig in die Zukunft verschoben, während der Nutzen sofort nach der Fertigstellung eintritt. Während die Kosten der Investition aufgrund der Zinszahlungen steigen, sinkt gleichzeitig der Wert der Immobilie oder der Straße über deren Lebensdauer.
Es ist doch so, dass eine Straße oder eine Immobilie selten länger als 30 Jahre hält. Das heißt, die nachfolgende Generation, der man einredet, man hätte es zu ihren Gunsten investiert, hat gar nichts von diesem Effekt, sondern darf hinterher die Schulden für ein Objekt bezahlen, das keinen Nutzen mehr hat.
Das sieht übrigens bei der Bildung nicht anders aus. Bei der Bildung reden wir über Generationenverträge. Schuldenfinanzierte Bildung würde bedeuten, dass die nachfolgende Generation doppelt so hohe Kosten hätte wie über den Generationenvertrag. Auch das macht überhaupt keinen Sinn.
Deshalb kann man resümieren: Öffentliche Schulden schaffen nur Lasten für unsere Kinder. Weil auch wir in Sachsen-Anhalt in den 20 Jahren nach der Wiedervereinigung durchschnittlich eine Milliarde mehr ausgegeben haben, als uns zur Verfügung stand, müssen wir inzwischen nicht nur für die Leistungen von gestern und heute bezahlen, sondern auch noch Zins und Zinseszins erwirtschaften - in diesem Doppelhaushalt fast 1,1 Milliarden € -, und das obwohl die Konditionen an den Märkten nicht besser sein könnten.
Allein die Tatsache, dass wir in diesem Land über ein professionelles Schuldenmanagement verfügen, hat dafür gesorgt, dass die Zinszahlungen auf einem extrem niedrigen Niveau liegen. Das Team um Herrn Kresin - Herr Minister hat vorhin schon seine Abteilung angesprochen - hat einen erheblichen Anteil daran, dass wir beim Zinstitel auch langfristig Planungssicherheit haben und unsere Zinsausgaben erstmals auf unter 600 Millionen € pro Jahr sinken: 544 Millionen € im Jahr 2015 und 521 Millionen € im Jahr 2016.
Dennoch geben wir in den nächsten zwei Haushaltsjahren mehr als 1 Milliarde € für Zinsen aus, über die gesamte Legislaturperiode mehr als 3 Milliarden €. Mehr als 3 Milliarden € für Zinszahlungen! Das sind 3 Milliarden €, die uns fehlen, um in Schulen, in Bildung und in andere Dinge investieren zu können.
gelingt, die vorhandene Verschuldung langfristig abzubauen, anstatt nur auf neue Schulden zu verzichten, dann werden die uns nachfolgenden Generationen unendlich lange unendlich hohe Summen für Leistungen aus der Vergangenheit erwirtschaften müssen, von denen sie selbst keinen Nutzen haben. Das ist die Botschaft.
Wenn Herr Gallert immer sagt, Herr Barthel würde sich freuen, wenn wir irgendwann Schulden in Höhe von 2 Milliarden € getilgt haben werden, dann sage ich dazu: Ich würde mich tatsächlich freuen, weil ich weiß, dass dann Mittel in Höhe von 40 Millionen € zusätzlich als Gestaltungsspielraum zur Verfügung stehen, die meine Kinder, wenn sie einmal Politik machen, in Sachsen-Anhalt einsetzen können.
Es kann nicht hilfreich sein, dass wir auf diesem Schuldenberg sitzenbleiben und die immer geringer werdende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen-Anhalt diese Schulden tragen muss. Das ist quasi der Gegenwert zur Inflation. Die Geldentwertung sorgt zwar dafür, dass der Schuldenberg nicht weiter steigt, die sinkende Bevölkerungszahl sorgt aber dafür, dass die Lasten sich auf immer weniger Schultern verteilen.
Deswegen ist die Pro-Kopf-Verschuldung nicht nur ein statistischer Begriff, sondern ein wesentlicher Aspekt bei der Beantwortung der Frage, ob unser Land in der Lage ist, diesen Schuldenberg jemals abzutragen.
Wenn wir irgendwann wie das Saarland oder Bremen bei einer Pro-Kopf-Verschuldung von 14 000 €, 15 000 € angelangt sind, dann ist Feierabend. Dann wird das nicht mehr möglich sein. Dann ist das ohne einen Altschuldentilgungsfonds, ohne Hilfen des Bundes nicht mehr zu leisten. Ich frage mich allerdings, wie der Bund, der selbst 2 Billionen € Schulden hat, noch anderen dabei helfen möchte, deren Schulden abzutragen. Das muss im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sicherlich ein Thema sein.
Für Sachsen-Anhalt spricht, dass Sachsen-Anhalt in den vielen Szenarien, über die man im Zusammenhang mit dem Altschuldentilgungsfonds geredet hat, nicht dabei ist.
Sachsen-Anhalt ist nicht dabei. Wir sind zu gut. Zu wenig Schulden, könnte man sagen. Wir sind aber froh, dass es so ist, und wollen lieber aus eigener Kraft von diesen Schulden herunterkommen, anstatt auf die Hilfe Dritter angewiesen zu sein.
haben wir in dieser Legislaturperiode erstmalig durchbrochen. Der vorliegende Haushaltsplanentwurf vollendet die Idee einer nachhaltigen und vor allen Dingen generationengerechten Finanzpolitik. Er schränkt die Handlungsmöglichkeiten unserer Kinder nicht noch weiter ein, indem wir auf künftige Ressourcen vorgreifen, anstatt selbst zu konsolidieren.
Wir haben damit begonnen, wenn auch in bescheidenem Umfang, Schulden abzutragen. Für das Jahr 2015 sind dafür immerhin Mittel in Höhe von 75 Millionen € und für das Jahr 2016 Mittel in Höhe von 100 Millionen € vorgesehen. In den vergangenen Haushaltsjahren haben wir ebenfalls - erstmalig, muss man sagen - Schulden getilgt. Wir haben Rücklagen für Pensionsverpflichtungen und Steuerschwankungen gebildet und dennoch alle Drittmittel finanziert und erhebliche Mittel für den Hochwasserschutz und für Investitionen vorgesehen.
Ich persönlich bin froh, dass dieses Gemeinschaftswerk gelungen ist, und kann heute sagen: Mit dieser Legislaturperiode betritt Sachsen-Anhalt finanzpolitisches Neuland und gesellt sich zu den Ländern, deren finanzpolitische Kennziffern sich deutlich verbessert haben.
Das ist kein Selbstzweck, wie Kritiker immer wieder behaupten, sondern eine Notwendigkeit, die jeden unter Handlungsdruck setzt, der politische Verantwortung trägt. Der Fiskalklippe, von der Herr Minister Bullerjahn sprach, am Ende des Solidarpakts, den Folgen des Fiskalpakts und der nationalen Schuldenbremse wird sich niemand entziehen können.
Das Jahr 2020 bedeutet für Sachsen-Anhalt eine Zäsur, die insbesondere finanzpolitisch kaum größer sein könnte. Das kann man weder aussitzen, noch kann man im Jahr 2019 damit beginnen, über Lösungen nachzudenken. Wir müssen die notwendigen Strukturentscheidungen heute treffen, damit wir im Jahr 2020 nicht scheitern.
Es gibt genügend prominente Beispiele für Länder, die sich diese Entscheidungsmöglichkeit längst genommen haben, in denen die Schuldenpolitik der Vergangenheit dafür gesorgt hat, dass diese Option nicht mehr zur Verfügung steht. Und das sind nicht die ostdeutschen Bundesländer, das muss man auch sagen.
Insofern ist die Diskussion der Geberländer - das zu sagen sei an dieser Stelle gestattet -, was die Bund-Länder-Finanzbeziehungen angeht, und die Frage, ob man mit diesem Geld verantwortungsvoll umgeht, aus der Sicht der ostdeutschen Bundesländer auszuhalten bzw. einfach zu beantworten. Man kann die Frage nur mit ja beantworten. Wir zeigen momentan, dass wir verantwortungsvoll mit
dem Geld umgehen, das wir von Dritten bekommen, und dass wir uns nur so viel leisten, dass ein Haushaltsausgleich möglich bleibt.
Ich glaube, es sitzen andere auf der Anklagebank. Das sieht man auch im Stabilitätsrat. Die Haushaltsnotlageländer sind die mit einer viel längeren Tradition in dieser Republik als wir. Das sind insbesondere die Stadtstaaten und das Saarland, das ist bekannt. Aber selbst ein so systembedeutendes Flächenland wie Nordrhein-Westfalen macht den Analysten zunehmend Sorgen, weil es sich auf die Folgen des Paradigmenwechsels im Jahr 2020 nur sehr behäbig einstellen möchte.