Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

Meine Damen und Herren! Die Strategie der Landesregierung besteht in den Augen der Öffentlichkeit - anders kann man das nicht sagen - in der Verwaltung bestehender Lücken und in der Hoffnung auf Aktivitäten anderer.

Aber wir sehen nicht, dass sich selbst an der Einstellung zu dem Thema wirklich etwas ändert. Sachsen-Anhalt hält diese rote Laterne fest. Verantwortlich dafür ist eben in erster Linie auch die falsche Zielsetzung. Wir glauben, wer sich nicht ambitionierte Ziele setzt, der kann auch keine Erfolge erzielen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Ziele auf der Bundesebene gehen weiter, auf europäischer Ebene sowieso. Die Digitale Agenda der Bundesregierung und der Bundestagsbeschluss „Moderne Netze für ein modernes Land - Schnelles Internet für alle“ sieht bis zum Jahr 2018 eine flächendeckende Versorgung mit Breitbandnetzen mit 50 Mbit/s plus vor.

Aber die Landesregierung unterbietet trotzig diese Zielsetzung und wird so zum Bremsklotz selbst noch der Bundesziele.

Der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen ist leider nicht viel besser. Er bekräftigt diese falsche Zielsetzung heute noch einmal, als ob sie nicht verstanden hätten, worum es uns eigentlich geht.

Ich wiederhole: Wer sich keine ambitionierten Ziele setzt, der kann auch nicht gewinnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir müssen die digitale Spaltung überwinden. Sachsen-Anhalt muss zu den anderen Bundesländern aufschließen. Wir müssen auch im Europa der Regionen aufschließen. Das ist natürlich mit technischen Anstrengungen verbunden.

Aber es ist in erster Linie ein politisches Ziel. Deswegen präsentieren wir Ihnen heute auch diesen schlichten Antrag, der aus einem Satz oder aus zwei Sätzen besteht, wirklich dieses politische Ziel anzugehen und zu verändern.

Unser Ministerpräsident Herr Haseloff und der EUKommissar Oettinger haben auf dem Gebiet der Breitbandversorgung eine stärkere Zusammenarbeit vereinbart. Ich war selbst mit dabei, als die beiden in Brüssel darüber gesprochen haben.

Aber Sie sollten sich über Folgendes klar sein: Eine Pilotregion Sachsen-Anhalts, die Unterstützung von der EU für ihre Ziele bekommt, setzt zwangsläufig ein vorbildhaftes Ziel voraus, um förderfähig zu sein. Vorbildhaft ist dieses Ziel 2020 ganz bestimmt nicht, meine Damen und Herren. Dafür müssen wir die Ziele korrigieren.

Wir werben - damit möchte ich schließen - auch dafür, die vermeintlichen Schwächen unseres Bun

deslandes endlich als seine Chancen zu begreifen. Wir sollten, wenn es um das Thema Breitband geht, nicht mit den weiten Räumen in der Altmark, den wenigen Menschen und den demografischen Problemen argumentieren und sagen: Deswegen müssten wir ja irgendwo hinten angesiedelt sein.

Nein, gerade diese vermeintlichen Schwächen sollten wir zu Chancen machen und sagen: Gerade weil dieses demografische Problem so groß ist, gerade weil die Entfernungen und die Wege so groß sind, zum Beispiel in der Altmark, sollten wir zuallervörderst auf die Lösung dieses Problems durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur setzen.

Wir sollten Breitband ausbauen. Wir sollten WLANNetze aufbauen. Wir sollten Kommunen fördern, die so etwas machen wollen. Wir sollten auch den öffentlichen Personennahverkehr stärken, indem wir über Steckdosen in Straßenbahnen und in den Bussen nachdenken. - All so etwas ist technisch möglich und wird in anderen Ländern längst praktiziert.

Wir glauben, wenn wir eine solche Zielstellung nach vorn setzen, dann kann es auch gelingen, dass wir die rote Laterne an diesem Punkt loswerden und damit unserem ganzen Land eine bessere Zukunft ermöglichen. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herbst, für die Einbringung. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Staatsminister Robra das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier so ein Kartenspiel mitgebracht, weil das Thema viele Aspekte hat. Herr Herbst, ich habe ein wenig den Eindruck, Ihr Antrag ist so schlicht wie Ihre Sicht auf die Dinge.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Man kann mit Zielsetzungen allein verdammt wenig erreichen. Es kommt auf die Maßnahmen an, die zur Umsetzung dieser Ziele zur Verfügung stehen.

Da kann ich Ihnen einmal die Augen öffnen. Wir haben in einem Pressespiegel der Landesregierung - ich weiß, dass viele in diesem Hohen Hause ihn lesen - aus der Zeitschrift „E-Government“ vom 13. November 2014 einen Überblick über die Breitbandversorgung der einzelnen Bundesländer gehabt. Darin werden Sie mitnichten lesen, dass sich alle Bundesländer in Deutschland das Ziel 2018 gesetzt haben.

Wissen Sie, das ist wie in der Energiepolitik: Es gibt die realistischen Ziele der Länder, die sagen, wir müssen das umsetzen, wir müssen das erreichen, und die fragen: Welche Instrumente stehen uns zur Verfügung?

Dann gibt es das große politische Ziel der Bundesregierung, das in der Tat immer noch besagt: 2018. Viele Länder sagen: Ja, das ist ein ambitioniertes Ziel, aber bisher, lieber Bund, tust du doch gar nichts dafür. Wie sollen wir es denn dann schaffen?

Dann gibt es Länder wie Brandenburg, die verfolgen das Programm „Glasfaser 2020“. Hinter „2020“ steht das Zieljahr 2020.

Schleswig-Holstein will bis zum Jahr 2025 90 % der Haushalte erschließen.

(Herr Herbst, GRÜNE: Die sind schon jetzt besser versorgt als wir!)

- Das bestreite ich doch gar nicht. Ich sage ja nur, wie deren Zielsetzung ist. Dann fragen Sie sich bitte einmal, warum deren Zielsetzung so ist. Das muss ich Ihnen ja gar nicht erklären. Es steht im Übrigen auch in dem Artikel, warum deren Zielsetzung so ist. So können Sie quer durchgehen.

Das Land Niedersachsen verfolgt mit seiner Breitbandstrategie - das im Übrigen in Übereinstimmung mit der EU-Strategie zur Digitalen Agenda - eine Grundversorgung von nur 30 Mbit/s bis zum Jahr 2020.

Wir sagen, wir halten 50 Mbit/s bis zum Jahr 2020 in diesem wesentlich schwierigeren Bundesland für sicher machbar. Da - ich muss das einmal so sagen - sollten wir uns hier nicht gegenseitig einen Popanz vormachen.

Es ist doch wirklich so: Jeder von uns wäre froh - mich eingeschlossen -, wenn wir dieses Ziel schon im Jahr 2018 erreichten. Das ist doch gar keine Frage.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie sich die (N)Onliner-Berichterstattung zum Breitbandatlas ansehen, dann nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass die drei am stärksten wachsenden Länder Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und - man höre und staune - Sachsen-Anhalt sind.

Also: Beim Dynamikranking sind wir mittlerweile ganz vorn. Wir holen am schnellsten auf. Auch der (N) Onliner-Atlas hier nimmt staunend zur Kenntnis, dass Sachsen-Anhalt dieselbe Steigerungsrate wie Berlin hat, das sich bekanntlich ganz von allein entwickelt. Berlin braucht im Grunde genommen keine Fördermittel; das wissen wir alle. Das sind Ballungsgebiete, in denen wir unser Geld verdienen könnten.

Warum ist es bei uns so schwierig? - Diesbezüglich muss ich auch einmal das Stadtratsmitglied Herbst ansprechen. Wir haben allein 400 000 Haushalte in Sachsen-Anhalt in den Oberzentren. Die hängen an den alten OPAL-Leitungen. Diese galten lange als nicht erweiterbar.

Lange ging man davon aus, die müssten praktisch alle wieder aus den Rohren herausgezogen werden. Inzwischen - dafür danke ich den Ingenieuren von der Telekom ganz ausdrücklich - haben die mit der Vectoring-Technologie eine Möglichkeit entwickelt, auch über diese OPAL-Leitung wirklich breitbandig 50 Mbit/s und mehr an die Haushalte heranzutragen.

Wenn das - die Telekom sagt, sie macht das 2015/ 2016 in Sachsen-Anhalt - vollzogen ist, dann haben wir auf einem Schlag 400 000 Haushalte dran, darunter auch die Otto-von-Guericke-Straße in Magdeburg.

Vor diesem Hintergrund sei mir die Frage gestattet: Was hat denn der Stadtrat Magdeburg bisher getan, was hat das Stadtratsmitglied Herbst getan, um mit der Telekom ins Gespräch zu kommen, damit sie Magdeburg vielleicht vorzieht?

Ich bin für das ganze Land verantwortlich. Ich bin froh darüber, dass ich die Zusage von der Telekom habe, dass sie das in Magdeburg und Halle - gleiches Problem - beschleunigt in Angriff nimmt, damit wir hierbei weiterkommen.

In Dessau - das reißt uns richtig runter; auch das können Sie dem (N)Onliner-Atlas entnehmen - lag das schlicht an der Struktur der Netzanbieter vor Ort. Dort hingen die Haushalte an bestimmten Kabelunternehmen dran. Auch das löst sich dort jetzt. In Dessau sind es nach dem (N)Onliner-Atlas 2,6 % der Haushalte. Rechnen Sie das einmal herunter auf die Oberzentren, was allein das schon ausmacht.

Wenn Sie ganz genau hinsehen, dann stellen Sie sogar fest, dass wir im ländlichen Raum - das haben Sie hier sogar erwähnt -, bei den mittelgroßen Städten, bei den Mittelzentren, also bei allem unterhalb der Oberzentren, mittlerweile deutlich vor Sachsen und einigen anderen Bundesländern, die uns immer als Beispiel vorgehalten werden, liegen.

Das größte Problem sind die OPAL-Netze. Das weitere große Problem besteht in Dessau. Aber durch die Übernahme des Anbieters in Dessau ist mittlerweile auch gewährleistet, dass wir dort - dabei appelliere ich auch an alle Abgeordneten aus Dessau und dem Umfeld - einen großen Schritt nach vorn machen können.

Im Übrigen lassen Sie mich noch sagen - hier leuchtet schon wieder das unverschämte rote Licht -:Seit gestern bin ich etwas optimistischer in

der Frage: Können wir im Jahr 2018 schon so weit sein, wie Sie es sich wünschen,

(Zuruf von der LINKEN: Ach!)

wie auch wir es uns wünschen, wobei ich mich jedoch bislang noch scheue, dies für uns als realistisches Ziel zu setzen?

Seit gestern haben wir die Verständigung mit dem Bund über die Verteilung der Mittel aus der Versteigerung für die 700 MHz-Frequenzen in trockenen Tüchern. Die Länder bekommen die Hälfte der Mittel. Die andere Hälfte des Bundes wird - das konnten wir gestern durchsetzen - nach dem Prinzip des Bottom-up nach den Bedürfnissen der am schwächsten versorgten Region verteilt. Das heißt, der Bund geht erst einmal dorthin, wo der größte Nachholbedarf ist.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist wohl ver- ständlich!)

Insofern bekommen wir dadurch eine große Hilfe.

Der zweite große Hoffnungsträger in diesem Kontext ist - auch darüber haben die Medien in den vergangenen Tagen berichtet - das EU-Investitionsprogramm, wenn es wirklich gelingt, mit Mitteln in Höhe von 16 Milliarden € aus den Mitgliedstaaten 330 Milliarden € für Investitionen zu heben - und vieles davon im Breitbandbereich. Sehen Sie sich einmal diese Indikativliste an - das ist noch nicht beschlossen, sondern das sind eigentlich nur die Projekte, die aus der Sicht der Beteiligten infrage kommen -; darin ist sehr viel zum Thema Breitband. Dann sind auch wir dank der Vorarbeiten, die wir gemeinsam mit dem Zweckverband Altmarkkreis Salzwedel geleistet haben, dabei.