Ob das auch auf den dabei gefundenen Kompromiss zutrifft, wird sich erst noch zeigen. Die Gerichtsfestigkeit steht in den Sternen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinen heutigen Ausführungen auf unseren Änderungsantrag konzentrieren, landesplanerisch keine Grundzentren mehr auszuweisen. Im Ergebnis der Gemeindegebietsreform sind nur noch 128 hauptamtlich verwaltete kommunale Gebietskörperschaften übrig geblieben. Sie bestehen aus bis zu 50 Ortsteilen. Gardelegen und Möckern sind die flächenmäßig größten Gemeinden der Bundesrepublik. Zum Beispiel erreicht die Stadt Gardelegen die Größe des ehemaligen gleichnamigen Landkreises.
Das Konzept des grundzentralen Versorgungsraumes ist in mehrfacher Hinsicht innovativ. Diese geschilderten Großgemeinden würden dadurch mit größeren Handlungsspielräumen ausgestattet werden. Ortsübergreifend gewählte Gemeindevertreter sollen gegebenenfalls gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber entscheiden können, welche, wo und wie viel Infrastruktur vorgehalten wird bzw. wie die Daseinsvorsorge räumlich organisiert wird.
Grundzentraler Versorgungsraum würde heißen: mehr Eigenverantwortung, größeres Vertrauen und weniger Bürokratie. Grundzentraler Versorgungsraum würde auch heißen: größere Gestaltungsspielräume für die Gemeinden, mehr Raum für unkonventionelle Lösungen und innovative Ansätze und auch für bürgerschaftliches Engagement. Hilfreich wären in diesem Zusammenhang eine Prüfung technischer Standards und Normen für die Infrastruktur, geringere bürokratische Hürden und vor allem Mündigkeit im Bereich der Kommunalfinanzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die raumplanerische Kategorie des Grundzentrums, die dem Gesetzestext zugrunde liegt, steuert nicht mehr, sondern erweist sich als dirigistische Fessel. Die Kategorie des Grundzentrums dient vor allem als Mittel zur Begründung der Ausdünnung der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge. So sollen sich Strukturen der Daseinsvorsorge am zentralörtlichen System orientieren bzw. soll im Falle von notwendigen Anpassungen die Schrumpfung in Richtung der Zentralorte erfolgen.
Im Landentwicklungsplan 2010 werden auch Ausstattungsmerkmale für Grundzentren definiert. Allerdings sucht man einen verbindlichen Ausstattungskatalog vergebens. 21 Ziele und 30 Grundsätze der Raumordnung befassen sich mit den verschiedenen Sektoren. Adressaten dieser Regeln sind mal ein anonymes „man“, mal die zentralen Orte, mal das Sozial- und Gesundheitswesen. Die Normen sind sowohl als Soll- und Ist-Norm gefasst als auch als Ziel oder Grundsatz.
Häufig finden sich entscheidende Aussagen nur in den Begründungen zu den Zielen oder den Grundsätzen. Von Mindeststandards der Daseinsvorsor
ge ist im Gesetzestext zwar die Rede, aber man sucht sie vergebens, im Landesentwicklungsplan ebenso.
Legt man die genannten Kriterien des Landesentwicklungsplanes zugrunde, ergibt sich, dass zwei Drittel aller Gemeinden Sachsen-Anhalts keinen Ortsteil aufweisen, der die landesplanerischen Kriterien eines Grundzentrums erfüllt. Schätzungsweise 70 von 128 Gemeinden droht dadurch die Beschränkung auf eine Entwicklung in den Grenzen des von der Bevölkerungsentwicklung abhängigen Eigenbedarfs bzw. der Wegfall von Einrichtungen der Daseinsvorsorge; denn diese sollen - das ist ein landesplanerisches Ziel - auf die Grundzentren konzentriert werden.
Aber auch in diesen dünn besiedelten Räumen leben Menschen. Der Rückbau der Infrastruktur der Daseinsvorsorge trifft insbesondere alleinerziehende Frauen, Familien mit Kindern, Jugendliche und vor allem Seniorinnen und Senioren sowie Personen mit Mobilitätseinschränkungen.
Es wird also höchste Zeit, um auch hierbei einen innovativen Schritt zu tun. Ich werbe noch einmal dafür, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Köck. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Herr Scheurell. Bitte, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es begab sich im Jahr des Heils 2011, da machten sich 105 frisch gewählte Landtagsabgeordnete aus allen Teilen dieses mitteldeutschen Landes auf nach Magdeburg, um sich der Landesentwicklung zu widmen. - Unterdessen ist die Mittagspause vorbei und nun seid ihr alle da.
Was lange währt, wird endlich gut. Wenn diese Redensart auch nur ansatzweise zutrifft, dann muss uns mit diesem Landesentwicklungsgesetz ein großer Wurf gelungen sein,
Die Koalitionspartner der CDU und der SPD haben sich in dem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2011 darauf verständigt, das Landesplanungsgesetz zu novellieren. Das war nötig geworden, weil die Raumordnung mit der Föderalismusreform Gegen
stand der konkurrierenden Gesetzgebung geworden ist. Der Bund hat das Raumordnungsgesetz mit Wirkung vom 31. Dezember 2008 bzw. 30. Juni 2009 novelliert. Die Länder haben die Möglichkeit, entweder jeweils ein Ergänzungsgesetz zum Raumordnungsgesetz zu erlassen, so wie wir das jetzt in unserem Bundesland machen, oder aber ein eigenes Abweichungsgesetz zu verabschieden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welche Überlegungen standen aus der Sicht meiner Fraktion bei der Erarbeitung des neuen Landesentwicklungsgesetzes in Sachsen-Anhalt im Vordergrund? - Nun, zuallererst wäre die Straffung der Struktur der Planungsbehörden zu nennen.
- Ach, wissen Sie, mein lieber Kollege, zu anderen Zeiten, als Sie mit einer Tolerierungsregierung Verantwortung trugen,
sind Sie auch nicht auf die Idee gekommen, zu straffen, sondern haben ausgeweitet. Wir haben jetzt jedoch eine Straffung vorgenommen; wir haben nämlich eine Ebene weggenommen. - Mit der Novellierung werden die Struktur und die Aufgabenverteilung in der Landes- und Regionalplanung klarer und effizienter, sehr geehrter Herr Czeke, geregelt.
Künftig genügen drei Ebenen in der Landes- und Regionalplanung. Damit vollzieht Sachsen-Anhalt einen Schritt nach, den die allermeisten der anderen Bundesländer längst gegangen sind. Ein Blick nach Sachsen und Thüringen reicht aus. Dort funktioniert das schon glänzend. Wir sind gemeinsam mit dem Bundesland Rheinland-Pfalz die letzten Länder, die sich vier Ebenen gegönnt haben. Wir verabschieden uns jetzt davon.
Im Zuge dieser Straffung der Behördenstruktur gab es auch die eine oder andere Diskussion über die Zumutbarkeit von Ortswechseln für Mitarbeiter der Landesverwaltung. Wir haben hierfür, sehr geehrter Herr Minister, glaube ich, eine gute und verträgliche Regelung gefunden. Mein und unser Ausschussvorsitzender erwähnte es bereits in der Einbringung. Heute ist es nun so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des zuständigen Fachreferates räumlich im Landesverwaltungsamt, also der bisherigen oberen Landesplanungsbehörde, verbleiben. Sie werden aber funktional der künftigen obersten Landesentwicklungsbehörde zugeordnet. Die bewährten Verfahrensabläufe werden also nicht unterbrochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es werden weiterhin besondere Schwerpunkte der Landesentwicklung bereits an prominenter Stelle des
Gesetzes hervorgehoben. Die Koalitionsfraktionen wollten, dass insbesondere die demografische Entwicklung, der Klimaschutz, der Hochwasserschutz und die unterirdische Raumplanung Gegenstand der Regelung dieses Gesetzes sein sollten. Diese Ergänzungen waren der ausdrückliche Wunsch der Koalitionsfraktionen in der parlamentarischen Beratung.
Zum Stichwort Demografie. Nun, es wird immer über die Auswirkungen der demografischen Entwicklung geredet und es wird nicht selten auch darüber geklagt. Diese Koalition handelt ganz konkret. Wir schaffen mehr Raum für flexiblere Lösungen vor Ort.
Die in § 2a Nr. 3 Buchstabe d des bisherigen Gesetzes enthaltene Regelung, vor Ort erst dann im Rahmen des Zentrale-Orte-Systems spezifische Lösungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge entwickeln zu dürfen, wenn in einem Landkreis weniger als 70 Einwohner/km² leben, wird erheblich gelockert.
Der regionalen Planungsgemeinschaft steht künftig ein Ermessen zu, in dessen Rahmen entschieden werden kann, ob punktuelle Lösungen hinsichtlich der Daseinsvorsorge auch unterhalb der Kreisebene ermöglicht werden sollen; denn Landkreise sind in ihrer Siedlungsstruktur recht heterogen. Ich denke dabei an den Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Dort leben, bezogen auf den gesamten Landkreis, 114 Einwohner/km². In der Stadt Zerbst sind es aber nur 47 Einwohner/km².
Selbst innerhalb von Verbandsgemeinden gibt es in Sachsen-Anhalt erhebliche Unterschiede. Während in der Verbandsgemeinde Flechtingen rund 48 Einwohner pro Quadratkilometer leben, sind es in Altenhausen nur 26 und in Bendorf 132. Hierbei kommt es auf spezifische Lösungen an. Dies wird mit diesem Gesetz ermöglicht.
Auch der Hochwasserschutz und die Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes, die bisher in den Grundsätzen der Raumordnung festgehalten wurden, sind jetzt bereits an prominenter Stelle im Landesentwicklungsgesetz besonders hervorgehoben.
Der Hochwasserschutz ist künftig in besonderer Weise zu berücksichtigen. Damit verbunden ist die klare Botschaft an die Träger der Regional- und Bauleitplanung sowie an die Planfeststellungsbehörden, soweit sie Maßnahmen des Hochwasserschutzes planen oder durchführen, schon auf der Ebene der Regionalplanung die Belange des Hochwasserschutzes umfassend abzuwägen. Damit ist für die nachfolgenden Verwaltungsverfahren eine Verfahrenserleichterung verbunden; denn die Belange, die bereits in der räumlichen Planung abschließend abgewogen wurden, müssen im nachfolgenden Verfahren nicht erneut geprüft werden. Wir erhoffen uns davon eine Beschleunigung im
Außerdem wird eine frühere Öffentlichkeitsbeteiligung schon bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen ermöglicht. Dies haben die Erfahrungen bei Stuttgart 21 der gesamten Bundesrepublik gezeigt. Wir haben den Passus nun in § 7 Abs. 2 Satz 1 verankert. Der Entwurf ist aus der Sicht meiner Fraktion ausdrücklich als ein Angebot zu verstehen, sich konstruktiv in die Diskussion einzubringen.
Aus meiner Sicht, sehr geehrte Frau Kollegin Frederking, geht es darum, Anregungen und Bedenken vorzubringen, keinesfalls, Frau Frederking, aber n u r Bedenken. Nur so ist breite Akzeptanz machbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Dauerbrenner in der politischen Debatte in Sachsen-Anhalt ist die Nutzung der erneuerbaren Energien, hier insbesondere das Repowering von Windkraftanlagen. Wir alle wissen, Sachsen-Anhalt ist beim Windkraftausbau ziemlich weit vorn dabei. Grüne Ministerpräsidenten und grüne Landesregierungen hinken dabei etwas nach. Die Zahlen des Jahres 2014 belegen das noch einmal sehr eindrücklich. Im Land Baden-Württemberg gab es acht neue Windkraftanlagen im gesamten Jahr, in Sachsen-Anhalt 109. Also kann es so schlimm in Sachsen-Anhalt nicht sein.
- Wir hinken dabei in keiner Weise nach, sehr geehrte Frau Kollegin Frederking. - Klar ist aber auch: Je größer der Anreiz zur Errichtung von Windkraftanlagen ist, desto wichtiger ist eine sinnvolle Steuerung des Ausbaus. Das ist auch ein Beitrag zu mehr Bürgerakzeptanz, sehr geehrte Frau Kollegin. Windkraftanlagen sind dort zu konzentrieren, wo der Wind weht und nicht überall dort, wo Betreiber und Planer eine Windkraftanlage irgendwie für technisch machbar halten.
- Liebe Frau Frederking, fragen Sie nachher nach. Damit verlängern Sie meine Redezeit. - Damit bin ich schon bei der Regelung über das Repowering von Windkraftanlagen. Die Koalitionsfraktionen haben sich mit der Verabschiedung des Landesentwicklungsplanes 2010 schon damit beschäftigt. - Jetzt blinkt die Lampe und ich muss meine Rede etwas kürzen.
Konkret bedeutet das, dass die Regionalplanung nähere Festlegungen zu den im Landesentwicklungsplan bestimmten Flächen für die Nutzung von Windenergie und das Repowering von Windenergie im regionalen Entwicklungsplan zu treffen hat. Eine Repoweringanlage darf errichtet werden, wenn in dem gleichen Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt zwei alte Anlagen bis zur Inbetrieb
Die Genehmigungsbehörde für Repoweringmaßnahmen ist der Landkreis. Deswegen sollte der Landkreis auch die Bezugsgröße sein. Im Eignungsgebiet gibt es bei Maßnahmen des Repowerings auch die bauordnungsrechtliche Privilegierung von 0,4 H als Abstand zwischen den Windkraftanlagen. Es bleibt bei dem Grundsatz: Bei Windkraftanlagen darf es kein Zurück zum Wildwuchs der 90er-Jahre geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt bleibt mir nur noch, Lobpreis und Dank zu sagen allen, die mitgewirkt haben. Das sind in erster Linie der sehr geehrte Herr Abteilungsleiter Professor Kummer, der sehr geehrte Herr Tropartz und - nicht zu vergessen - unsere Fraktionsreferenten, die in einer immer klaren Art und Weise einen kühlen Kopf behalten und uns immer auf alle Stolpersteinchen dieses Gesetzes aufmerksam gemacht haben. Vielen Dank, Dr. Rehse. - Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Scheurell. Eigentlich hätte ich Sie unterbrechen müssen, aber von Berufs wegen getraue ich mich das bei Lobpreis und Dank nicht.