Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Vielen Dank, Herr Kollege Scheurell. Eigentlich hätte ich Sie unterbrechen müssen, aber von Berufs wegen getraue ich mich das bei Lobpreis und Dank nicht.

(Herr Scheurell, CDU: Eben!)

Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Frederking, deren Redezeit sich durch die Überziehung von Herrn Scheurell nicht verlängert hat. Sie hat jetzt die ihre. Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was nützt ein Gesetz bzw. eine Gesetzesnovelle, wenn es am Ende bei der Umsetzung hakt? - Eine Schwachstelle ist die Finanzierung und damit die Personalausstattung der regionalen Planungsgemeinschaften. Dies wurde auch in der Anhörung zu dem Entwurf des Landesentwicklungsgesetzes mehrmals vorgetragen. Unsere Fraktion hatte im Rahmen der Haushaltsberatungen dort eine Aufstockung beantragt - leider ohne Erfolg. Ich hoffe, dass diese Tatsache dem Land Sachsen-Anhalt bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben nicht noch auf die Füße fällt. Im Arbeitsbereich der regionalen Planungsgemeinschaften gibt es schon viele Aufgaben, und es kommen neue dazu, beispielsweise die Ausweisung von Vernässungsgebieten.

Es ist gut, dass das Thema Vernässung neu im Gesetz berücksichtigt wird. So werden jetzt bei den Festlegungen zum Hochwasserschutz nicht nur Überschwemmungsgebiete, sondern auch Vernässungsgebiete ausgewiesen, sicherlich auch als

Konsequenz aus der Arbeit des Sonderausschusses. Das hatten wir so auch aufgenommen.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Ich möchte gern auf den Änderungsantrag der LINKEN eingehen. Herr Dr. Köck hat dazu umfangreich ausgeführt. Allerdings war ich mir nicht mehr ganz sicher, ob sie nun die Grundzentren auflösen wollten oder nicht. Ich habe es so verstanden, dass die Grundzentren durch grundzentrale Versorgungsräume ersetzt werden. Der Antrag der LINKEN hätte dann die Konsequenz, dass nicht mehr nur der Hauptort einer Einheitsgemeinde als zentraler Ort gilt, sondern das gesamte Gebiet dieser Einheitsgemeinde. Das heißt, neue Wohn- und Gewerbegebiete wie auch Flächen für Einzelhandelsbetriebe müssten nicht mehr auf die Hauptorte der Einheitsgemeinde konzentriert werden, sondern wären überall, in jedem noch so kleinen Ort der Einheitsgemeinde, auch außerhalb von Orten, möglich.

DIE LINKE zielt auf mehr Flexibilität. Die Gemeinden sollen selbst bestimmen können, wo was hinkommt bzw. sie sollen sich mit den Versorgungseinrichtungen nicht mehr auf einen konkreten Ort beschränken. Da aber die zentralen Orte zum Beispiel auch mit dem ÖPNV gut erreichbar sein müssen, wäre der Wunsch der LINKEN, zum Beispiel im Verkehrsbereich, nicht erfüllbar.

Um die Infrastruktur auch bei rückläufiger Bevölkerung zu finanziell erträglichen Bedingungen erhalten zu können, ist aber eine gewisse Konzentration der Siedlungsentwicklung auf Hauptorte unbedingt erforderlich. Das gilt beispielsweise für die Trinkwasserversorgung. Wenn aber alle Gemeinden zentrale Orte wären, dann bräuchte es keine Raumplanung mehr.

In dem Antrag wird so getan, als ginge es um kommunale Selbstverwaltung. Tatsächlich geht es aber um die Frage, ob wir auch im ländlichen Raum die Gemeinden zu einer zukunftsfähigen Siedlungsentwicklung anhalten wollen oder bei der Siedlungsentwicklung das freie Spiel der Kräfte zulassen wollen.

Herr Dr. Köck, auf der anderen Seite kann es in Einzelfällen gut sein, wenn die Gemeinden in Detailkenntnis ihrer spezifischen Anforderungen für ihre Gemeinden kluge Entscheidungen treffen. Wir waren diesbezüglich etwas unschlüssig. Es gibt durchaus Vor- und Nachteile. Daher würden wir uns bei diesem Antrag zu einer klaren Enthaltung durchringen.

Der größte Knackpunkt beim Landesentwicklungsgesetz sind die Regelungen zur Ausweisung von Windnutzungsgebieten und zum Repowering.

Nach der jetzigen Beschlussempfehlung sollen innerhalb eines Landkreises zwei alte Anlagen abgebaut werden müssen, bevor eine Neuanlage an

das Netz geht. Das von uns GRÜNEN vorgeschlagene Ziel, 2 % der Landesfläche als Windvorrangfläche vorzusehen, wurde abgelehnt. Das sind für mich zwei Tatsachen, die mich zu der Einschätzung kommen lassen, dass damit die Chance für einen konfliktarmen Ausbau der Windenergie vertan wurde.

Das Verhältnis von Altanlagen zu Repoweringanlagen von mindestens 2 : 1 bremst die Windenergie aus. Unter diesen Bedingungen haben Betreiberinnen und Betreiber von Windenergieanlagen in vielen Fällen keinen Anreiz, ihre Altanlage abzubauen. Außerdem ist es so, dass nicht in jedem Landkreis zwei Anlagen zur Verfügung stehen, die man abbauen könnte. Hierbei wird ein Hindernis für einen vernünftigen Aus- und Umbau geschaffen.

So verfehlt die Landesregierung ihre eigenen Ziele beim Ausbau der Windenergie. Außerdem werden so ungünstige Altstandorte gerade nicht aufgegeben, Herr Scheurell. Es ist unsere Idee, dass Anlagen, die heute auf sensiblen Standorten stehen, abgebaut werden, gerade Anlagen der 90er-Jahre, die Standorte aus verschiedensten Gründen belasten.

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Sie stehen heute oft außerhalb von Vorrang- und Eignungsgebieten. Für diese Stellen bräuchten wir einen Anreiz und mehr Fläche, damit die Ersatzanlagen für die Altanlagen anderswo aufgebaut werden können.

(Herr Borgwardt, CDU: Woher sollen denn die Flächen kommen?)

- Sie müssten neu ausgewiesen werden. Das hatten wir vorgeschlagen.

(Unruhe bei der CDU)

Wir hatten vorgeschlagen - -

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU - Unruhe bei der CDU)

- Wollen Sie zuhören, Herr Borgwardt?

(Unruhe bei der CDU)

Genau das war unser Vorschlag. Ich freue mich über Ihre interessierte Nachfrage an dieser Stelle. Heute sind ungefähr 2 % der Landesfläche durch die Windenergienutzung belegt, ungefähr 1 % als ausgewiesene Fläche und ungefähr 1 % außerhalb von Vorrang- und Eignungsgebieten.

Heute darf nicht mehr außerhalb von Vorrang- und Eignungsgebieten gebaut werden. Die Bestandsanlagen haben natürlich Bestandsschutz. Wie ich bereits ausführte, gibt es jedoch auch ungünstige Standorte. Sie sollten möglichst abgebaut werden.

Dann brauchen wir aber Fläche, um sie anderswo hinzubauen.

(Herr Bommersbach, CDU: Wer soll die Kos- ten für den Abbau übernehmen?)

- Das machen die Betreiber. Das ist eine betriebswirtschaftliche Entscheidung. Es war unsere Intention, ein solches quantitatives Flächenziel mit mindestens 2 % der Landesfläche einzuführen, um den Druck auf die regionalen Planungsgemeinschaften auszuüben, damit sie ausreichend Fläche ausweisen.

(Zuruf von Herrn Bommersbach, CDU)

Selbst unter Schwarz-Gelb in Hessen wurde 2 % der Landesfläche für die Windenergienutzung vorgesehen.

(Zuruf von der CDU: Nein!)

Ich hatte es schon erläutert: Auch heute sind es schon 2 %, die wir nutzen. Es würde sozusagen zu einer Verlagerung kommen. Wir meinen, dass diese 2 % gesichert werden müssen, um Anlagen an ungünstigen Einzelstandorten der 90er-Jahre einsammeln und in Windparks verdichtet als neue Anlagen aufstellen zu können. Genau das würde Mensch, Natur und Landschaftsbild entlasten.

Mit der vorgelegten Gesetzesnovelle ist es aber so, dass nicht genügend ausgewiesene Fläche zur Verfügung steht, um gerade die Anlagen, die heute außerhalb stehen, ersetzen zu können. Deshalb funktioniert das nicht.

Wir hatten eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass es wichtig wäre, dass nahezu jede Anlage auch repowert werden kann. RepoweringAnlagen haben zudem den Vorteil einer besseren Technik, sodass Schall und Schattenwurf verringert werden. Die Kommunen könnten aufgrund der höheren Leistung der Anlagen mehr Gewerbesteuern erheben. Doch auch diese Chance ist durch den Gesetzentwurf vertan worden.

Es wäre aber ganz wichtig gewesen, dass wir mehr Windenergieleistung erzeugen, um eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien zu erreichen. Nur so werden wir auf die fossilen Energien verzichten können.

An dieser Stelle möchte ich auch deutlich machen, dass dies nicht bedeutet, dass wir unbedingt viel mehr Anlagen als heute brauchen; denn die zukünftigen Anlagen sind größer und leistungsfähiger und könnten die bestehenden Anlagen ersetzen, sofern wir dafür genügend Fläche zur Verfügung hätten.

Mit den Regelungen der Gesetzesnovelle ist die Chance für einen konfliktarmen Ausbau der Windenergienutzung vertan worden. Angesichts der nun geschaffenen Rahmenbedingungen ist damit zu

rechnen, dass perspektivisch sowohl die Anzahl der Anlagen als auch die Windenergieerzeugung abnehmen werden. Die Regelungen werden dazu führen, dass wir die Klimaschutzziele und den Umstieg auf 100 % erneuerbare Energien nicht erreichen werden.

Auch wenn dieses Gesetz zunächst so beschlossen wird, werden wir alles dafür tun, dass es hier wieder zu Änderungen kommt. Den zur Abstimmung vorgelegten Gesetzentwurf werden wir ablehnen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Frau Frederking, im Gegensatz zu Ihnen will Herr Scheurell jetzt Ihre Redezeit verlängern. Erlauben Sie eine Frage?

Darf ich eine Bedingung stellen?

(Herr Scheurell, CDU: „Wünsch dir was“ ha- ben wir nicht, sehr geehrte Frau Frederking! - Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Ich gebe Ihnen einen Tipp: Hören Sie sich die Frage an und entscheiden Sie dann, ob Sie sie beantworten wollen.

(Zurufe von der CDU - Herr Scheurell, CDU: Darf ich oder darf ich nicht?)

Ich wollte eine Bedingung formulieren, aber ich glaube, das ist unzulässig.

Jetzt stellt Herr Scheurell seine Frage und danach entscheidet sich Frau Frederking, ob sie sie beantworten will.

Ich komme Ihnen auch sehr entgegen. Sehr geehrte Frau Kollegin Frederking, Sie haben sich sehr kompetent mit der Windkraft auseinandergesetzt, haben uns die Abstandsflächen erläutert und haben uns das Für und Wider immer wieder dargebracht. Das ist Ihnen eine Herzensangelegenheit. Schade, dass es Ihnen nur noch ein Jahr vergönnt sein wird, uns dies nahezubringen.