Vielen Dank, Herr Kollege Güssau. - Passend zum Thema begrüßen wir ganz herzlich Mitglieder des Schülerrates der Pestalozzi-Schule Wernigerode.
Herr Präsident, ich hatte mich an dem gedruckten Zeitplan orientiert. Deswegen bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich zu der Zeit kam, die dort ausgedruckt war. Sie hatten hier aber schon begonnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU-Fraktion und der Bildungsbericht der Landesregierung liegen fast zeitgleich vor. Damit steht, wie Herr Güssau es eben schon gesagt hat, eine große Fülle abgestimmter Daten zur Verfügung, von der KMK, vom Statistischen Landesamt und von den Schulbehörden. Als Fußnote habe ich noch notiert, dass es natürlich auch ein Einvernehmen in der Landesregierung dazu gibt. Wir haben diese Daten so aufbereitet, dass ein transparenter wie auch verständlicher Blick auf eine hochkomplexe Materie möglich wird.
Ich möchte Ihnen das an einem kurzen Beispiel illustrieren, das zeigt, wie wichtig es ist, bei diesen Daten ganz genau hinzuschauen. Es macht nämlich einen riesigen Unterschied, ob ich über Personen oder Vollzeitstellen rede, ob ich den Lehrkräftebestand mit oder ohne Altersteilzeit betrachte und welchen Altersteilzeitfaktor ich bei Planungen zugrunde lege, den statistischen Durchschnitt des Landes oder den konkreten der Lehrerschaft. Es ist auch nicht egal, ob ich am Jahresende oder am Schuljahresende auf die Statistik schaue; denn Lehrerinnen und Lehrer scheiden, auch wenn sie zum Beispiel im September das Rentenalter erreichten, erst zum Ende des jeweiligen Schulhalbjahres aus.
Für uns im Kultusministerium sind das weder neue Zahlen noch neue Fakten. An dieser Stelle möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen herzlich danken, die diese Große Anfrage parallel zur Vorbereitung des Schuljahres bearbeitet haben. Es ist wichtig, dieses Material in regelmäßigen Abständen einer breiten Öffentlichkeit sowie im Bildungsbericht oder bei Kleinen oder Großen Anfragen zur Verfügung zu stellen, um über die sich daraus ergebenden Perspektiven datengestützt diskutieren zu können.
Ich möchte mich hier auf drei Schlussfolgerungen aus den vorgelegten Zahlen beschränken. Erstens. Die Unterrichtsversorgung wird seit - round about - zwei Jahren durch einen grundlegenden Richtungswechsel in der Personalausstattung der öffentlichen Schulen bestimmt. Noch zu Beginn der Legislaturperiode - Herr Güssau wies darauf hin - profitierten wir davon, dass dramatisch gesunkene Schülerzahlen einem Überhang an Lehrkräftearbeitsvermögen gegenüberstanden. Da niemandem aus diesem Grund gekündigt wurde, trugen Arbeitsplatzsicherungstarifverträge dazu bei, dass die Schulen ein weitaus höheres Maß an Arbeitsvermögen für die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern nutzen konnten als in anderen vergleichbaren Ländern.
Eine Folge ist: Der Altersdurchschnitt der Kollegien wuchs Jahr für Jahr, weil kaum neue Lehrkräfte eingestellt werden konnten. Der hohe Altersdurchschnitt ist das äußere Kennzeichen einer unausgewogenen Alterspyramide mit zahlenmäßig sehr starken Jahrgängen, die in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Das ist eigentlich kein neuer Befund, muss aber erwähnt werden, weil dies für die künftige Bedarfsplanung von erheblicher Bedeutung ist.
Ab dem Schuljahr 2017/2018 müssen wir innerhalb weniger Jahre einen erheblichen Teil des Lehrkräftebestandes durch Neueinstellungen ersetzen. In den fünf Jahren von 2017 bis 2022 wird ein Drittel der heute tätigen Lehrkräfte in den Ruhestand gehen. Das Ziel muss es sein, einen mit anderen, vergleichbaren Ländern vergleichbaren Bestand an Lehrkräften, die aktiv vor der Klasse stehen, zu erhalten.
Die zweite Schlussfolgerung: Die Unterrichtsversorgung - Sie haben es in vielen Diskussionen mitverfolgt - ist eine komplexe Gleichung. Um einen flächendeckenden und ausreichenden Ausgleich zwischen dem Bedarf des Schulbetriebs und den personellen Ressourcen zu erreichen, benötigt das System in allen Regionen unseres Landes in jeder Schulform und stabil über das Schuljahr hinweg eine ausreichende Anzahl an Lehrkräften in den Fächerkombinationen, die es erlauben, in vielen Klassen zeitlich zum Teil nebeneinander liegende Stundentafeln in mehr als 15 Fächern abzudecken, Klassenleiter zu benennen und einen in jedem Schuljahr an jeder Schule schwankenden sonderpädagogischen Förderbedarf zu decken.
Dabei hat das System auch zu berücksichtigen, dass sich durch die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die weiterführenden Schulformen und durch die Fächerwahl in der gymnasialen Oberstufe sowie durch die Klassenbildung und Schülerfluktuation in jedem Schuljahr, manchmal auch zum Halbjahr, Veränderungen ergeben und dass der Lehrkräftebestand ebenfalls über den Eintritt in den Ruhestand hinaus einigen Fluktuationen unterliegt.
Auch das Arbeitsvermögen, das an einer Schule vielleicht zur Verfügung steht, kann nicht über unendliche Strecken im Land transportiert werden.
Damit noch nicht genug der Herausforderungen. Aufgrund der erhöhten Zahl an Einstellungen in den vergangenen Jahren gehen auch viele junge Lehrkräfte in den Mutterschutz oder nehmen die Elternzeit in Anspruch. Das ist wunderbar für unser Land und eine zusätzliche Herausforderung für ein Landesschulamt. Von Grippewellen und Langzeiterkrankungen will ich hier gar nicht reden.
Ein Wort noch zu den Abordnungen, weil Herr Güssau sie erwähnt hat. Vielleicht sollten wir auch da in den kommenden Jahren die Dinge einmal
klären und die Tradition der Vergangenheit im Vergleich zu den anderen Ländern auch aufräumen. Wenn wir beispielsweise im Bereich der Fachseminare die Lehrkräfte, die wir bisher abgeordnet haben, auf richtigen Stellen führen, wie es in den anderen Ländern auch üblich ist, dann gibt es mehr Klarheit und Wahrheit auch an diesem Punkt. Das würde dem ganzen System, das sich auch immer im Vergleich mit den anderen Ländern befindet, deutlich helfen.
Wenn wir wie jüngst - ein Wort zum Thema Schulausfall - an einer Schule erleben, dass von 13 zur Verfügung stehenden Kolleginnen und Kollegen sieben fast zeitgleich krank werden und ausfallen, dann stellt das jedes System vor eine kaum lösbare, jedenfalls nicht kurzfristig lösbare Aufgabe, auch wenn in diesem Fall die Schulleitung und das Landesschulamt wunderbar zusammengearbeitet haben, sodass binnen weniger Tage eine Lösung gefunden wurde.
All das sind Gründe dafür, warum eine Flächenschullandschaft eine maßvolle Reserve und vor allen Dingen Flexibilität benötigt. Ein vor Jahren geplanter Neueinstellungskorridor muss eben auch veränderbar sein. Deswegen bin ich sehr froh, dass es gelungen ist, hier in den letzten Jahren immer wieder nachzusteuern. Für das kommende Schuljahr gibt es ein weiteres Instrument, nämlich eine 100 Stellen starke Vertretungsreserve, die in diesen Tagen ausgeschrieben worden ist. Wir wissen am Ende des kommenden Schuljahres, wie flexibel diese Vertretungsreserve wirkt. Wir wissen aber schon heute, dass wir diese 100 Stellen dringend brauchen.
Hinzu kommt ein weiteres Instrumentarium, das wir künftig noch stärker als bisher nutzen wollen, nämlich der befristete, flexible und kurzfristig mögliche Vertrag, um auf längere Erkrankungen bzw. auf Elternzeiten schnell und unkompliziert reagieren zu können. Das machen wir schon jetzt, das wird aber noch weiter ausgebaut werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während im Jahr 2010 lediglich 181 Lehrkräfte neu eingestellt wurden, betrug die Zahl der Neueinstellungen im Jahr 2014 schon 381. In diesem Jahr - wir haben es gehört - sind es insgesamt 470 unbefristete Neueinstellungen plus ca. 100 befristete Einstellungen für den Unterricht in den Sprachklassen für Schüler mit Migrationshintergrund. In diesem Jahr werden wir also insgesamt 570 Neueinstellungen zu realisieren haben. Das ist ein Wert, der so groß ist, wie es ihn noch nie im Land Sachsen-Anhalt nach dem Land 1990 gegeben hat.
förderung für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ausgeschrieben. Mein Haus und das Landesschulamt werden alles unternehmen, um diese Stellen sowohl sachgerecht zu besetzen als auch junge Leute für alle Regionen zu finden. Wenn Sie sich die Ausschreibung anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir sehr weitgehend ausgeschrieben haben.
Das führt mich zur dritten Schlussfolgerung. Nicht erst seit heute beschäftigt uns die Frage, ob wir auf der Grundlage der bisherigen Personalplanung den zukünftigen Personalbedarf decken können. Die Prognosen, mit denen wir derzeit arbeiten, sind die 5. Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamtes sowie die 6. Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung auf der Basis des Zensus 2011.
Darüber hinaus haben wir eine eigene Schülerzahlenstatistik und -prognose erarbeitet. Das ergibt am Ende folgendes Bild: Bis zum Jahr 2020 muss an den allgemeinbildenden Schulen mit leicht ansteigenden Schülerzahlen gerechnet werden. In den folgenden Jahren, also ab dem Jahr 2020 bis zum Jahr 2025, sinken die Schülerzahlen, allerdings nur geringfügig, auf rund 96 % des Niveaus des Schuljahres 2014/2015. An den berufsbildenden Schulen ändern sich die Schülerzahlen im Betrachtungszeitraum nach unserer Prognose kaum.
Man kann also sagen: Wir rechen in den nächsten acht bis zehn Jahren mit einigermaßen stabilen Schülerzahlen. Das kommt uns auch bei unseren Planungen entgegen.
Deshalb hat das Kabinett im Kontext des Beschlusses zur regionalen Vertretungsreserve zur Kenntnis genommen, dass in dem Fall, in dem sich das sogenannte demografische Echo weiter nach hinten verschiebt - es gibt Anzeichen dafür -, also wenn die Geburtenzahlen langsamer und später sinken, als bisher erwartet, der zusätzliche Bedarf an Neueinstellungen von Lehrkräften zur Sicherstellung der verabredeten Schüler-Lehrer-Relation erheblich sein wird und auch realisiert werden wird.
Wir müssen uns also darauf einstellen, ab 2017 jährlich erheblich mehr Neueinstellungen vornehmen zu müssen als beispielsweise in diesem Jahr. Sie haben die Rechnung, die Herr Güssau aufgemacht hat, gehört.
Bei den gegenwärtig bestehenden Ausbildungsrahmenbedingungen im Land wird diese Anzahl an Neueinstellungen nicht allein aus dem eigenen Ausbildungspool zu realisieren sein. Darum sehe ich eine dringende Aufgabe des Landes darin, den Lehrkräftebedarf weitestgehend über die Ausbildung und den Vorbereitungsdienst im eigenen Land zu decken.
Das heißt, der prognostizierte Neueinstellungsbedarf erfordert eine erhebliche Aufstockung der lehramtsbezogenen Gesamtkapazität. Gleiches gilt für die derzeit vereinbarte Aufnahmekapazität von 680 Studienanfängern an den Universitäten Halle und Magdeburg.
Wir wissen auch, selbst wenn die Universitäten zum frühestmöglichen Zeitpunkt ihre Kapazitäten erhöhen, stehen die Absolventen dem Schuldienst erst später zur Verfügung. Daher müssen wir umgehend auch in Abstimmung mit den Ressortkollegen im MF und im MW die nötigen Schritte besprechen. Wir werden auf die Universitäten zugehen. In den neuen Zielvereinbarungen sind bereits diesbezügliche Passagen enthalten.
Wir werden auch ein System der berufsbegleitenden Qualifizierung von Seiteneinsteigern zu konzipieren haben. Diesen Baustein sollte man aber quantitativ nicht überbewerten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben lange über Ressourcenfragen gesprochen. So will ich zum Schluss noch ein paar Worte darüber sagen, was wir mit den bisher zur Verfügung gestellten Mitteln auch erreicht haben. Denn das Ziel aller Planungen und Anstrengungen ist erfolgreicher Unterricht an einer guten Schule mit guten Ergebnissen.
Der Bildungsbericht 2015, den ich in dieser Woche dem Kabinett vorgestellt habe und den Sie erhalten werden, spricht eine deutliche Sprache. Die Leistungen und Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern in Sachsen-Anhalt können sich sehen lassen. In unserem Land wird gute Schule mit guten Resultaten gemacht.
Woran kann man das erkennen? - Beispielsweise an den bundesweiten Vergleichsstudien. Unsere Grundschüler sind dabei weit über den Durchschnittswerten vorn mit dabei. Aber auch unsere Neuntklässer haben bei den jüngsten Tests im Bereich der Naturwissenschaften gut abgeschnitten.
Wenn man sich die Schulform Gymnasium noch einmal genauer anschaut, dann stellt man fest, dass Schülerinnen und Schüler aus Sachsen-Anhalt deutlich überdurchschnittliche Leistungen zeigen. Um es kurz zu sagen: Sie sind spitze.
Wir können uns exemplarisch auch einmal einen der Wettbewerbe anschauen, zum Beispiel die Mathematikolympiade. Daran beteiligen sich jährlich mehr als 10 000 Grundschülerinnen und Grundschüler und mehr als 9 000 Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen in Sachsen-Anhalt. Das Ergebnis für die Jahre 2011 bis 2014 auf der Bundesebene für weiterführende Schulen stellt sich summiert wie folgt dar: zwei erste Plätze, neun zweite Plätze, fünf dritte Plätze und acht Anerkennungspreise, die wir ins Land holen konnten.
In den Jahren 2013 und 2014 konnte ein Schüler als Mitglied der deutschen Auswahlmannschaft auf internationaler Ebene mit dabei sein und jeweils sogar den zweiten Platz erringen.
Fazit: Wir haben in den vergangenen Jahren bei solchen Leistungsmessungen geradezu einen Sprung gemacht. Das gelingt, weil der Rahmen in Ordnung ist. Das gelingt vor allem aber auch deshalb, weil wir eine leistungsbereite Schülerschaft, engagierte Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern haben, die an den Schulbiografien ihrer Kinder interessiert sind.
Wir können nicht über die Rahmenbedingungen von Bildung reden, ohne kurz das Thema Inklusion zu streifen. Dabei sind mir zwei Perspektiven wichtig: Wir dürfen in der guten Förderung unserer besonders begabten Schülerschaft nicht nachlassen. Schulen mit besonderen Schwerpunkten, Akademien, Camps, Kooperationen mit der Universitäten, Wettbewerbe - all dies sind gute Fördermöglichkeiten. Auch das ist Inklusion: Die schnellen und hochbegabten Schüler so zu fördern, sodass sie sich weiterentwickeln können. Das geht einher mit dem Ziel, die Leistungsspitze insgesamt zu verbreitern.
Inklusion ist aber auch der gemeinsame Unterricht. Im Januar 2013 wurde ein Landeskonzept zum Ausbau des gemeinsamen Unterrichts an allgemeinbildenden Schulen verabschiedet. Auf dieser Grundlage erhalten die jeweiligen Schulen individuelle sonderpädagogische Unterstützung, um mit sonderpädagogischen Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsbedarf zielgleich oder zieldifferent unterrichten zu können.
Erfreulich ist, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im GU im Schuljahr 2014/2015 mittlerweile bei über 30 % liegt. Für die Schüler wird dies zu besseren Perspektiven führen. Natürlich sinkt damit gleichzeitig der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen, hauptsächlich im Bereich Lernen. Das ist der richtige Weg, auch wenn er herausfordernd und nicht immer einfach zu gehen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Anteil der Absolventinnen und Absolventen ohne Hauptschulabschluss lag im Abschlussjahr 2013 erstmals unter 10 %. Im Jahr 2014 hat sich diese Entwicklung bestätigt. Aber wir liegen in diesem Bereich noch deutlich über die Bundesdurchschnitt. Darum müssen unsere erfolgreichen Programme, wie Schulsozialarbeit, fortgeführt werden, um auch den weniger leistungsstarken Schülerinnen und Schülern eine bessere berufliche Ausbildung zu ermöglichen.