Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

Ich denke, genau diese Diskussion ist Aufgabe für die nächste Wahlperiode. Darin bin ich mir ganz sicher. Der Prozess wird nicht haltmachen nach der Wahl im März 2016.

Für diese Frage müssen dann natürlich auch bald langfristige Strategien entwickelt werden - ich glaube, darin sind wir uns alle einig -, die in einem neuen Leitbild für die Entwicklung SachsenAnhalts 2020 münden müssen, unter dem Aspekt dessen, was uns jetzt durch die Flüchtlingswelle neu fordert. Dazu später mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bei der Einbringung des Nachtragshaushalts bereits darauf hingewiesen, dass wir aufgrund der stetig ansteigenden Flüchtlingszahlen finanziell nach-

steuern mussten und vielleicht weiter müssen. Ich bin dem Parlament dankbar, dass wir diese zweite Lesung um einen Monat verschoben haben. Wenn wir nicht aufpassen würden, können wir das jetzt jeden Monat so machen.

(Herr Schröder, CDU: Genau!)

Deswegen bin ich bei mancher Debatte irritiert, wenn mir jemand erklärt: Jens, deine Zahlen stimmen nicht! - Ich bin der, der das am besten weiß. Übrigens wusste Schäuble als Erster, dass das alles nicht stimmt. Aber ich denke, wir waren uns einig, wir müssen irgendwann zum Ende kommen. Deswegen sind gewisse Planungen, gerade bei den Pauschalen, auf die 23 000 ausgerichtet, die schon heute nicht mehr richtig sind.

Wir haben einmal hochgerechnet: Was wäre, wenn wirklich 40 000 kämen? - Dann müssten wir unsere Ansätze inklusive der Pauschalen und allem anderen sicherlich noch einmal um zirka - geschätzt, bitte nicht festnageln! - 200 Millionen € pro Jahr hochschrauben. Das wäre natürlich eine Herausforderung für den Haushalt. Aber das sollten wir bitte dann diskutieren, wenn es stattfindet. Man kann dann nicht sagen: Mensch, Bullerjahn, hättest du einfach 200 Millionen € draufgelegt.

(Herr Schröder, CDU: Was gibt der Bund noch dazu?)

- Ja, deswegen. Das ist ja nicht allein unsere Aufgabe. Und weil es so komplex ist, wie André Schröder sagt, lohnt es nicht, sich dauernd damit zu beschäftigen: Was wäre wenn?

Deswegen: Wir können nicht abwarten und die Entwicklung nur zögerlich begleiten, weil sie vielleicht politisch schwierig ist. Wir müssen jetzt entscheiden. Wir müssen jetzt bauen. Die Kommunen brauchen jetzt und in den nächsten Wochen und Monaten Geld. Wir müssen jetzt das zusätzlich notwendige Personal, auf das alle warten, einstellen. Deswegen der Beschluss des Haushalts heute, und deswegen Dank an Sie, dass das möglich wurde.

Nun zu einigen Zahlen aus dem vorliegenden Nachtrag, was ich eigentlich komplett wegschmeißen könnte; ich mache es aber trotzdem. Wir geben im Jahr 2015 für die Flüchtlingshilfe 216 Millionen € aus. Im Jahr 2016 werden es 471 Millionen € sein. Das ist inklusive allem: Bau, Pauschalen und Ähnliches. Das ist der Bruttobetrag und steht sozusagen dem gegenüber, was wir noch bekommen.

Für die Bewältigung dieser Aufgaben sind mehr als 700 zusätzliche Stellen geplant, davon fast 400 unbefristet. Das sind Sprachlehrer, Polizistinnen und Polizisten sowie Mitarbeiter in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

Insgesamt bedeutet dies: Im Jahr 2015 stellen wir mehr als 1 300 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landesdienst ein - 1 300! Im Jahr 2006 waren es einmal 260. Im Jahr 2016 sind es dann nochmals mehr als 1 000.

Überhaupt - das ergeben jetzt auch die Hochrechnungen - werden in den kommenden Jahren stets mehr - Tendenz steigend - als 1 000 junge Leute in den Landesdienst übernommen werden.

Wer angesichts dieser Zahlen noch immer sagt, es würden viel zu wenige neu eingestellt, der ist etwas fern der Realität.

Die Kommunen erhalten nun über das FAG 2015/2016 dank der Forderungen der Regierungsfraktionen 50 Millionen € zusätzlich. Dazu kommen noch 10 Millionen € an Entflechtungsmitteln.

Da der Vorschlag gekonnterweise im FAG umgesetzt wird, bin ich mir ganz sicher, dass die 50 Millionen € auch in den nächsten Jahren im FAG bleiben werden. Darauf werden wir in der Mipla eingehen. Das führt faktisch dazu, dass der FAGBetrag in der Mipla mindestens fortgeschrieben wird und nicht mehr weiter absinkt. Ich will das heute aber nicht weiter ausführen.

Durch die sogenannten Fallpauschalen erhalten die Kommunen nach dem gegenwärtigen Stand in diesem Jahr 53 Millionen € und im nächsten Jahr 205 Millionen €. Ja, genau an dieser Stelle werden wir nachsteuern, wenn wir wissen, was die Kommunen wirklich ausgeben mussten.

An Erziehungshilfen für unbegleitete Flüchtlingskinder erhalten die Kommunen im Jahr 2015 weitere 3 Millionen € und im Jahr 2016 weitere 18 Millionen €.

Ganz kurz noch im Telegrammstil; was haben wir noch gemacht: Errichtung des Forschungscampus Stimulate in Magdeburg, Sanierung von Sportstätten, Neubau einer Förderschule in Magdeburg, Unterstützung der Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt, Ausfinanzierung von Musikerfestivals bis hin zu den Händel-Festspielen, mehr Geld für das Bauhaus-Jubiläum, finanzielle Absicherung des Ausbaus des landwirtschaftlichen Zentrums Iden in der Altmark.

(Zustimmung von Herrn Barth, SPD)

- Schön. - Wenn wir heute über den Nachtrag entscheiden, dann steht Mitte November das Geld bereit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bitte an die Kommunen von mir: Lasst uns im Gespräch bleiben, aber bitte sachlich. Nachgesteuert wird - ich habe es erwähnt und mache es noch fünfmal, auch wenn man es mir irgendwie nicht glaubt.

Übrigens möchte ich darauf verweisen: Wir gemeinsam als Landtag haben beim Doppelhaushalt

damals schon gesagt, wenn Geld gebraucht wird, dann legen wir es drauf. Deswegen glaube ich schon, dass auch die kommunale Ebene an dieser Stelle mehr Vertrauen in den Landtag und die Landesregierung haben kann.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Alle sind gefordert, ihren Anteil zu leisten. Ich gebe zu - das habe ich schon zweimal sagen müssen, beim Thema Hochwasser und beim Thema Finanzkrise -, wir fahren derzeit bei unserer Haushaltsplanung natürlich etwas auf Sicht. Schon deshalb kann es aus meiner Sicht für niemanden einen Blankoscheck geben.

Auch Grundsatzdebatten über das angeblich stets zu gering ausfallende FAG oder über die KiFöGKosten oder über Schulschließungen gehören aus meiner Sicht nicht in eine Debatte über Asylsuchende.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich werde im November die aktualisierte mittelfristige Finanzplanung vorlegen. Darin werde ich aufgrund neuester Zahlen und der Steuerschätzung natürlich auch auf das veränderte Personalkonzept und das FAG eingehen.

Erwähnt werden sollte, dass wir mit dem Nachtragshaushalt ganz nebenbei das Investitionsprogramm Stark V für finanzschwache Kommunen auf den Weg bringen. Es umfasst insgesamt 123 Millionen € an Investitionsmitteln. Der Bund stellt dafür 111 Millionen € bereit. Die erforderliche Kofinanzierung in Höhe von 10 % übernimmt das Land für die Kommunen.

Wir finanzieren die zusätzlichen Aufgaben, wie erwähnt, und werden auch an dem beschlossenen Tilgungsplan festhalten, was mir sehr wichtig ist. Wir werden unsere Schulden im Jahr 2015 um mindestens 75 Millionen € weiter abbauen und im Jahr 2016 um mindestens 100 Millionen €.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Insgesamt hat der Doppelhaushalt 2015/2016 inklusive Nachtrag ein Volumen von 22 Milliarden €. Das sind, für beide Jahre gerechnet, rund 570 Millionen € mehr als im bisherigen Doppelhaushalt. Ich bin mir sicher, vor zehn Jahren hätten wir unsere Probleme mit neuen Schulden gelöst.

(Frau Niestädt, SPD: Tja!)

Insofern sage ich Dank an das Parlament. Ich denke, es ist für uns alle richtig und wichtig, dass wir unsere Aufgaben und Ausgaben, die jetzt zusätzlich anfallen, auch selbst klären und nicht nachfolgenden Generationen zuschieben.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Wo kommt das Geld zur Finanzierung unseres Nachtrags her? - Um es auf den Punkt zu bringen: Finanziert werden die zusätzlichen Ausgaben durch höhere Steuereinnahmen, Ausgabenreste, die bereits erwähnte Hilfe des Bundes und einen begrenzten Eingriff in die Steuerschwankungsreserve.

Ich weiß, dass andere Länder angesichts der Flüchtlingswelle über ein Aussetzen der Tilgung oder sogar über neue Schulden nachdenken oder es schon umgesetzt haben. Neun Bundesländer und der Bund haben bereits Nachtragshaushalte verabschiedet oder bereiten diese vor. BadenWürttemberg hat sogar bereits den zweiten Nachtragshaushalt auf dem Tisch liegen.

Ich kann immer wieder nur dafür werben, auch außergewöhnliche Herausforderungen ohne neue Kredite zu finanzieren, solange es irgendwie geht. In meiner Amtszeit habe ich nämlich die Erfahrung gemacht, dass es fast immer außergewöhnliche Herausforderungen gab und gibt. Mal war es die Finanzkrise, mal das Hochwasser, jetzt ist es die Flüchtlingswelle. Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass es in den nächsten Jahren anders wird.

Wir setzen alles daran, dass Sachsen-Anhalt die finanzpolitischen Herausforderungen meistern

kann, vor die uns die Flüchtlingswelle stellt. Das war auch das Grundanliegen in der gesamten Landesregierung. Wir haben dafür gute Voraussetzungen, weil wir uns durch unseren eigenen Konsolidierungskurs, der auch hier im Parlament zum Teil sehr kritisch gesehen wurde, finanzielle Gestaltungsspielräume geschaffen haben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Diese Gestaltungsspielräume sind ein Resultat dieser Konsolidierung. Diese Rendite wird sich in den nächsten Jahren weiter fortschreiben. Gerade deshalb sollte der Landtag auch aus eigenem Verständnis heraus darauf achten, dass diese finanzpolitischen Spielräume nicht wieder leichtfertig aufgegeben werden. Die finanzpolitischen Rahmenbedingungen können und werden sich irgendwann auch wieder verschlechtern. Auf jedes Hoch auf der Steuerseite folgt immer wieder ein Tief. Darauf muss Politik vorbereitet sein.

In diesem Zusammenhang ein kurzer Einwurf. In den Medien war in den vergangenen Tagen aus gegebenem Anlass zu lesen, dass das Land keine neuen Schulden mehr machen, sei ja ganz okay, aber es gehe natürlich nicht an, dass der Bullerjahn mit seinen Kollegen im Kabinett das ganze Land in Aufruhr versetzt.

Zum Thema Aufruhr sage ich jetzt nichts. Aber im Ernst: Wenn man einen Haushalt in Schieflage wie im Jahr 2006 in Ordnung bringen will, dann geht das nicht ohne Konflikte. Es wird immer Einzelne,

Gruppen oder die Solidarisierung ganzer Gruppen geben, die Veränderungen ablehnen, weil sie sich zu Unrecht betroffen fühlen. Soll doch bei anderen gespart werden.

(Minister Herr Stahlknecht: Ja!)

Da hilft auch keine noch so schöne Verpackung durch einen Minister. Konsolidierung, ohne Einschnitte vorzunehmen, das klappt nicht. Das klappt nicht in der Familie; das weiß jeder. Das klappt nicht in Unternehmen. Das klappt nicht in Gewerkschaften und auch nicht in Parteien, die vielleicht ab und zu auch einmal sparen müssen. Selbst in Zeitungsverlagen klappt es nicht, wie man ab und zu liest und hört.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

In den Kommunen und Ländern klappt es erst recht nicht unter den Bedingungen der Schuldenbremse.