Protokoll der Sitzung vom 16.10.2015

Zudem lernen heute immer mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen. Die gemeinsame Beschulung ist eine von vielen Maßnahmen und Programmen zur Verwirklichung der Inklusion, die mir sehr am Herzen liegt. Beispielhaft möchte ich an das Behindertengleichstellungsgesetz und den Landesaktionsplan erinnern, mit denen aus einem Nebeneinander ein Miteinander wird.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, von Minister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Problem war bisher der Bevölkerungsrückgang. Aufgrund der Zuwanderung könnte sich das sehr grundsätzlich ändern. Positive Signale gab es auch schon in den vergangenen Jahren. Im Jahr 2013 war der Wanderungssaldo nahezu ausgeglichen. Im Jahr 2014 zogen mehr Menschen nach Sachsen-Anhalt, als fortgingen. Zwar konnte das Zuzugsplus das Geburtendefizit gegenüber den Sterbefällen nicht ausgleichen, aber der Bevölkerungsrückgang verlangsamte sich deutlich.

In diesem Kontext sind auch unsere Bemühungen um Rückkehrer zu sehen. Die Botschaft ist klar und ich möchte sie von hier aus noch deutlicher unter das Volk bringen: Junge Familien sind in Sachsen-Anhalt herzlich willkommen. Dass auch im Jahr 2025 immer noch mehr als zwei Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt leben, halte ich deshalb für sehr realistisch.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Deshalb müssen wir eine vernünftig geordnete Zuwanderung als Chance begreifen und wahrnehmen. Eine aufrichtige Willkommenskultur zielt auf Offenheit gegenüber Migranten sowie auf Teilhabe und Inklusion ab. Was wir entschlossen bekämp

fen, ist jede Form von Rassismus und Fremdenhass.

Ich habe mich sehr frühzeitig für einen neuerlichen Antrag auf Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens ausgesprochen. Sachsen-Anhalt hat den am 3. Dezember 2013 vom Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Antrag auf Verbot der NPD und ihrer Unterorganisationen federführend initiiert und wirkt in der das Verfahren begleitenden Arbeitsgruppe mit.

Rechtsextremistische und menschenverachtende Parolen haben in einer pluralen und offenen Gesellschaft keinen Platz.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich sage hier als Ministerpräsident und als Sachsen-Anhalter mit allem Nachdruck: Lasst uns in einer Gesellschaft ohne Unterdrückung und Diskriminierung leben. Lasst uns in einer Gesellschaft leben, in der man ohne Angst verschieden sein kann und in der es normal ist, verschieden zu sein.

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrte Damen und Herren! Einwanderer - dazu gehören auch bleiberechtigte Flüchtlinge und Asylbewerber - müssen sich in unserem Land wohlfühlen. Zuwanderer sollen aktive Bürger sein, zum Gemeinwohl beitragen und sich zu unserem Grundgesetz wie zu unseren Werten bekennen, nämlich zu den unveräußerlichen Menschenrechten, der Herrschaft des Rechts, der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität und der repräsentativen Demokratie.

Unsere Rechts- und Verfassungsordnung ist unsere normative Grundlage. Alle Menschen, auch die, die bei uns Schutz und Zukunft suchen, müssen sich zu unserem Grundgesetz und den Grundlagen unseres Staates bekennen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Ich habe ein klares Amtsverständnis und verstehe mich als Ministerpräsident für alle Menschen in Sachsen-Anhalt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Niemand soll in der gegenwärtigen Situation alleingelassen werden. Die Sorgen der Menschen nehme ich sehr ernst. Das heißt auch, dass unsere Politik nur dann auf Dauer mitgetragen wird, wenn wir die Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land immer wieder motivieren, aber auch nicht überfordern.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Die Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, stellen uns vor eine große Heraus

forderung. Wir werden unserer solidarischen Verpflichtung für die Erstaufnahme nach dem Königsteiner Schlüssel voll nachkommen. In der jetzigen Größenordnung werden wir jedoch die Menschen nicht auf Dauer und erfolgreich integrieren können; denn eine wirkliche Integration heißt nicht nur Erstunterbringung, sondern heißt auch dauerhafter Wohnraum, heißt Erwerb von Sprachkompetenzen, schließt Kita-Betreuung, schulische Bildung, Berufsausbildung, Arbeit mit eingeschränkten Eingangsvoraussetzungen und vieles mehr ein. Es geht hierbei nicht um das Wünschenswerte, sondern um das Machbare.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Gefordert sind neben Realitätssinn vor allem Phantasie und Mut, um neue Wege zu gehen, wie viele erfolgreiche Projekte in unserem Land bereits zeigen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Deshalb sage ich den Landräten und Oberbürgermeistern unseres Landes von hier aus Folgendes zu: Wir lassen euch mit den Sorgen und Lasten nicht alleine. Wir werden mit euch in dem neuen Umfeld, das sich nach Verabschiedung des Asylreformgesetzes heute im Bundesrat einstellen wird, die Kostenstrukturen analysieren und die Kommunen von den Kosten der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern angemessen entlasten.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Es wird in Sachsen-Anhalt auch in Zukunft möglich sein, dass Kommunen freiwillige Aufgaben wahrnehmen.

Bei unseren Entscheidungen müssen wir die Menschen mitnehmen. Aus vielen persönlichen Gesprächen in allen Teilen unseres Landes weiß ich, wo der Schuh drückt. Deshalb habe ich entschieden, dass ab sofort im Anschluss an die Kabinettssitzungen unter meiner Leitung ein Kabinettsausschuss tagen wird. Ihm gehören der Minister für Inneres und Sport, der Minister der Finanzen, der Minister für Arbeit und Soziales und der Chef der Staatskanzlei an. Nach Bedarf können weitere Kabinettsmitglieder, insbesondere der Kultusminister und der Minister für Landesentwicklung und Verkehr, sowie Mitarbeiter an den Sitzungen teilnehmen. Anfallende Entscheidungen zu Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten sollen so noch schneller umgesetzt werden.

Natürlich müssen sich auch unser Bundesland und die Gesellschaft auf die Zuwanderer einstellen und ihnen entgegenkommen. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Deshalb hat die von mir geführte Lan

desregierung in jüngster Zeit verschiedene Initiativen beschlossen. Sie reichen von der Landesnetzwerkstelle „Engagierte Nachbarschaft - Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt“ über ehrenamtliche Integrationslotsen bis hin zur Förderung von Engagement, Selbstorganisation und Partizipation.

Mein Dank gilt allen, die sich in diesen Projekten engagieren. Sie zählen zu den 550 000 ehrenamtlich engagierten Menschen in Sachsen-Anhalt und repräsentieren eine ganz starke Seite unserer Gesellschaft. Das Ehrenamt ist gelebte Solidarität. Es vereinigt Freiwilligkeit und Verantwortung. Ehrenamtliche gestalten unsere Gesellschaft an 365 Tagen im Jahr und in Schaltjahren auch an 366. Sie geben ihr ein menschliches Gesicht, stärken ihren Zusammenhalt und bauen Brücken. Unsere Gesellschaft kann auf ihr Wissen und ihre soziale Kompetenz nicht verzichten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zu- stimmung von Minister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Die Herausforderungen der Zukunft werden wir ohne eine gefestigte Bürgergesellschaft und ohne einen ausgeprägten Gemeinsinn nicht bewältigen.

Sachsen-Anhalt wird sich auch in die gegenwärtig auf Bundesebene laufende Debatte über ein Zuwanderungsgesetz einbringen. Wir müssen Einwanderung gestalten und können von anderen Nationen dabei lernen. Dort bewährte Steuerungsinstrumente sollten sorgfältig geprüft und gegebenenfalls übernommen werden.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU, und von Minister Herrn Stahlknecht)

Durch die Schaffung legaler Arbeitsmöglichkeiten im Rahmen gesteuerter Einwanderung, wie sie jetzt in den Westbalkanstaaten beginnen wird, könnte auch das hoch beanspruchte Asylsystem entlastet werden.

Zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört aber auch die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber in ihr Heimatland.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Begrenzen, beschleunigen, zurückführen - auch darum geht es und dafür habe ich mich auf dem Asylgipfel stark gemacht. Die dort Ende September beschlossene Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Albanien, Kosovo und Montenegro und die Beseitigung möglicher Fehlanreize für unberechtigte Asylanträge waren unumgänglich. Ebenso wichtig ist die Beschleunigung der Verfahren.

Ich bin mir sicher, dass diese Maßnahmen zu einer spürbaren Entlastung der Länder führen werden. Und ich füge hinzu: Europa braucht stabile Außen

grenzen. Ein unkontrollierter Zustrom gefährdet unsere Werte und die Akzeptanz für andere Kulturen. Zudem müssen wir die Ursachen vor Ort bekämpfen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Stahlknecht und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Syrien ist das Epizentrum der Fluchtbewegungen. 16 Millionen Menschen haben dort bereits ihre Heimat verlassen oder stehen unmittelbar davor. Für diesen Konflikt und diese Fluchtbewegung kann es nur eine politische Lösung geben, und zwar nicht nur im Rahmen der EU, sondern auf der weit größeren Plattform des Europarates.

Menschen mit einer sicheren Bleibeperspektive wollen wir in Sachsen-Anhalt eine neue Heimat bieten. Sachsen-Anhalt ist ein weltoffenes und tolerantes Land und es hat seinen Menschen sehr viel zu bieten.

Seit dem Jahr 1990 hat sich die Umweltsituation deutlich gebessert. Sachsen-Anhalt hat sich für eine effiziente Altlastenbefreiung optimale Strukturen geschaffen. Zum einen organisatorisch mit der Landesanstalt für Altlastenfreistellung. Zum anderen bilden die vom Bund aus einem Generalvertrag erhaltenen Gelder in Höhe von ca. 1 Milliarde € und das Verwaltungsabkommen zur Finanzierung der Braunkohlesanierung eine solide finanzielle Grundlage.

Heute sieht man in unserem Bundesland kaum mehr etwas von den Umweltsünden der Vergangenheit. Durch den Bau von Kläranlagen, die Umstellung auf Erdgasheizungen und Filteranlagen an den Schornsteinen sind Bitterfeld und Wolfen wieder lebenswerte, grüne Städte mit sauberer Luft.

Bereits im Jahr 2006 schrieb die Wochenzeitung „Die Zeit“:

„Nach zehn Jahren war der Himmel über Bitterfeld wieder blau und die Luft sauber wie seit Menschengedenken nicht.“

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wer heute die Situation in Sachsen-Anhalt mit der der Jahre 1989 und 1990 vergleicht, erkennt, wie viel sich verändert hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien ist in Sachsen-Anhalt groß, ja überproportional. Das ist auch ein Ergebnis des wirtschaftlichen Wandels.

Nach 1990 kam es zu erheblichen strukturellen Zäsuren. Ganze Industrien - ich sagte es bereits - brachen weg und es kam zu einem massiven Stellenabbau. Damals war der Druck, sich neu zu orientieren und neue Branchen mit guten Zukunftschancen anzusiedeln, groß. Heute zwingen uns

der Klimawandel und seine möglichen Folgen sowie die Energiewende, auf neue Technologien und erneuerbare Energien umzusteigen.