Protokoll der Sitzung vom 16.10.2015

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

In diesem Sinne rufe ich den Tagesordnungspunkt 38 auf:

Aktuelle Debatte

Verhängnisvolle Kürzungspolitik im Bildungsbereich

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/4473

Die Redezeit beträgt je Fraktion und auch für die Landesregierung jeweils zehn Minuten. Mir wurde

angezeigt, dass die Redezeit zum Teil aufgeteilt wird. Als Erste hat die Antragstellerin das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Lange.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz strömenden Regens trieb die Bildungspolitik der CDU-geführten Landesregierung gestern Hunderte Menschen auf die Straße. Auch wenn die Landesregierung und die Koalition enttäuscht sind, die Forderungen zur Rücknahme der Kürzungen an den Hochschulen sind noch nicht verhallt.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso laut und klar wehren sich die Schülerinnen und Schüler, die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer gegen den Unterrichtsausfall und den Lehrermangel.

Jetzt höre ich schon die Minister und Sprecher der Koalition sagen: Das ist doch alles nicht so schlimm. Die Hochschulen haben doch unterschrieben und sind auf einem guten Weg. Es gibt doch so viel Geld aus dem Hochschulpakt.

Ich freue mich schon auf die verheißungsvollen Statistiken, die beweisen, wie gut unsere Unterrichtsversorgung ist. Die Signale aus den Einrichtungen sind aber ganz andere. Die Kürzungspolitik der Landesregierung führt zu verheerenden Einschnitten, und das bekommen Sie auch nicht wegdiskutiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Was passiert nun an den Hochschulen? - Auch wenn es den Hochschulen für angewandte Forschung schwerfällt, straffen sie ihre Studienprogramme und der Wegfall ganzer Bereiche kann weitestgehend vermieden werden.

Allerdings darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass das massiv auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Schon jetzt ist der Anteil der Lehraufträge unfassbar hoch, und es steht zu befürchten, dass er noch weiter wächst. Inwieweit sich dieser Prozess auf die Attraktivität der Studienbedingungen auswirkt, wird sich zeigen.

An den Universitäten ist die Lage verschärfter. Sie tragen die Hauptlasten der Kürzungen, und sie sind durch die Beschlüsse der Landesregierung angehalten, aufgelaufene Defizite abzubauen.

Im Klartext bedeutet das, dass unbesetzte Stellen abgegeben werden. Zudem sind ganze Bereiche gefährdet. Wie von der Landesregierung gewünscht, legt die Uni Magdeburg zuerst das Beil an den Geisteswissenschaften an. So soll zum Beispiel Geschichte ganz abgewickelt werden. Zwar konnte die Uni den geisteswissenschaftlichen

Bereich insofern retten, als die Fakultät nicht geschlossen wird. Aber eine klare Ausdünnung findet auf jeden Fall statt.

Ich habe gerade von Geschichte gesprochen. Hieran sieht man wieder einmal den Irrsinn der ganzen Aktionen: Es wird zwei Professoren geben, die noch sehr lange im Landesdienst bleiben und auch entsprechend bezahlt werden müssen. Diese sollen an die Geschichte an der Uni Halle angedockt werden.

Das kann man sicherlich machen. Aber die Uni Halle hat dafür auch kein Budget. Ich bin gespannt, welche Titelgruppe Sie sich jetzt wieder ausdenken, 96, x, y oder z, um das finanziell entsprechend darzustellen.

Meine Damen und Herren! Das Problem ist dabei, dass Vielfalt der Angebote verloren geht, dass nachgefragte Studiengänge geschlossen werden und damit die Ziele der Studienanfängerzahlen für den Hochschulpakt gefährdet werden.

An der Uni Halle wird das Dilemma besonders deutlich. Sie soll 100 nichtbesetzte Stellen abgeben. Dabei fließen diese Stellen in die Kapazitätsberechnungen mit ein. Jeder Bereich hofft, dass seine Stellen einmal wiederbesetzt werden; denn gebraucht werden die Stellen und die Menschen, die Lehre und Forschung betreiben.

Dabei bleibt die Uni in ihrem neuen Konzept hinreichend vage, welche Bereiche genau und in welchem Umfang betroffen sind. Es wird lediglich Bezug auf den Hochschulstrukturplan genommen. Darin steht übrigens noch immer die Schließung des Studienkollegs. Ich hoffe, dass dieser unsinnige Vorschlag in der jetzigen Situation ein für alle Mal vom Tisch ist.

Auch wenn der Abbau der Titelgruppe 96 der Uni als Konsolidierungsbeitrag anerkannt wird, darf man nicht vergessen, dass auch diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wichtige Arbeit leisten und dazu beitragen, dass die hohen Studierendenzahlen zu bewältigen sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der Koalition, durch Ihre Kürzungen, dadurch, dass Sie Tarifaufwüchse nur zu 90 % erstatten und einen Inflationsausgleich gar nicht gewähren wollen, gehen den Hochschulen mehr als 1 800 Studienplätze verloren, und das bei den höchsten Immatrikulationszahlen und den hohen Forderungen an Neuimmatrikulationen durch den Hochschulpakt.

Hierin liegt auch das höchste finanzielle Risiko für die Hochschulen. Denn wenn die Attraktivität der Hochschulen abnimmt, können hohe Rückzahlungen drohen. Somit setzen der Hochschulpakt und die Landesregierung völlig falsche Anreize; denn es werden Bereiche geöffnet, die stark nachgefragt

sind, damit man diese Immatrikulationszahlen überhaupt erreicht. Die Qualitätsfrage wird dabei überhaupt nicht mehr gestellt.

Aber glücklicherweise hoffen die Hochschulen auf Verbesserungen ihrer Rahmenbedingungen ab dem Jahr 2016, und das zu Recht. Denn die Mittel aus der BAföG-Reform können genutzt werden, statt sie im Haushalt versickern zu lassen.

Meine Damen und Herren! Es waren CDU-geführte Landesregierungen mit wechselnden Partnern, die den Hochschulen bereits zweimal massive finanzielle Einschnitte zugemutet haben. Sie haben dadurch die Lehre, die Forschung und die Innovationskraft für unser Land geschwächt. Dafür werden Sie sich verantworten müssen. Denn das gehört von uns thematisiert im Parlament, in den Einrichtungen und auf der Straße.

Schon mit den Entscheidungen im Jahr 2004 haben Sie einen Kardinalfehler begangen. Die Schließung der Lehramtsausbildung in Magdeburg war der Anfang dessen, was heute als Lehrermangel das Land beschäftigt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Seit dieser Zeit und schon länger thematisiert meine Fraktion dieses Problem, übrigens gemeinsam mit der GEW. Wie ein Mantra trägt mein Kollege Höhn vor, dass es zu wenige Studienplätze und zu wenige Seminarplätze gebe und dass zu wenige Lehrerinnen und Lehrer eingestellt würden. Sie wussten das alle. Sehenden Auges sind Sie auf den Baum zugesteuert, vor dem wir jetzt alle stehen.

Mit dem Heiligtum des Finanzministers, mit dem Personalentwicklungskonzept in der Hand werden Statistiken bemüht. Die Realität in den Schulen wird ignoriert. Massiv fällt der Unterricht aus. Und nein, es ist kein niveauvoller Unterricht, wenn die Schüler vor Videos geparkt werden oder in den Grundschulen Tag für Tag Bilder malen. Genau das passiert im Moment. Dabei hat die Erkältungssaison noch nicht einmal begonnen. Der Herbst beginnt, wie man draußen sieht. Es ist also absehbar, wie sich der Krankenstand und damit der Unterrichtsausfall entwickeln werden.

Aber clever ist sie ja, die Landesregierung. So ein halbes Jahr vor der Wahl wird plötzlich die Ausbildungskapazität an der Universität erhöht. Gut, die Lehrer kommen erst in sieben Jahren ins System, aber immerhin. Völker, hört die Signale! Die Landesregierung tut was.

Man will sich ja wegen des lästigen Unterrichtsausfalls keine Blöße geben. Also wird hektisch eingestellt. Das will ich gar nicht kritisieren, nur Sie hätten schon viel eher damit anfangen müssen. Denn Sie haben zum einen das Problem, dass Sie die

freien Stellen in manchen Gegenden des Landes und in manchen Schulformen nicht besetzt bekommen.

Zum anderen mogeln Sie schon wieder mit den Stellen. Denn alle Neueinstellungen werden als vorgezogene Stellenbesetzungen deklariert, was in den nächsten Jahren die Frage nach den dann nötigen Einstellungen aufwirft, wenn die Stellen, die nun vorzeitig besetzt werden, zu Buche schlagen. Die Frage ist, wie man das in den nächsten Jahren regeln will.

Meine Damen und Herren! Das Problem dieser Landesregierung ist und bleibt das Personalentwicklungskonzept. Solange Sie von einem Personalabbau an den Schulen ausgehen, werden Sie die Frage beantworten müssen, wie Sie diesen umsetzen wollen. Dass es nicht funktionieren kann, zeigen Ihre jetzigen Aktivitäten. Das dient einzig und allein dazu, den Gesichtsverlust des Finanzministers zu begrenzen.

Meine Damen und Herren! Wir werden in der Bildungspolitik schlecht regiert, wir werden in der Hochschulpolitik planlos regiert und die Personalpolitik ist für das Land eine Katastrophe. Das treibt die Menschen zu Recht auf die Straße. Denn sie merken, dass es Zeit ist für einen Wechsel.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Lange. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Minister Herr Möllring. Ich frage gleich noch mal. Herr Minister, hinter mir gab es eine Irritation. Herr Minister Dorgerloh spricht auch und Sie teilen sich die Redezeit?

Ja.

Wunderbar. Das ist nur bei mir so nicht angekommen. Also sowohl Herr Minister Möllring als auch Herr Minister Dorgerloh werden sprechen und sich die Redezeit von zehn Minuten teilen. Herr Minister Möllring, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man eine Aktuelle Debatte mit dem Titel „Verhängnisvolle Kürzungspolitik im Bildungsbereich“ beantragt, dann sollte man auch zu den Zahlen kommen und nicht nur

allgemeine Ausführungen machen. Deshalb komme ich jetzt einmal zu den Zahlen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Da bis ich aber ge- spannt!)

Wie stellt sich die Finanzierung des Hochschulbereichs denn in Sachsen-Anhalt dar? - Für die Hochschulbudgets ohne Medizin haben wir in diesem Jahr 328 Millionen € und im nächsten Jahr 334 Millionen € vorgesehen. Das ist ein Aufwuchs. Die Zuschüsse für die medizinische Fakultäten steigen von 106 Millionen € auf 108 Millionen €. Auch die weitere Tendenz im Hochschulbereich ist steigend.

Man darf aber nicht nur die Grundfinanzierung betrachten, man muss auch die weiteren Finanzausstattungen der Hochschulen berücksichtigen. Wir werden im nächsten Jahr Hochschulpaktmittel in Höhe von 54 Millionen € haben. Wir werden aus der Rahmenvereinbarung „Forschung und Innovation“ in diesem Jahr 11 Millionen € ausgeben.

Wir werden Zuschüsse außerhalb der Rahmenvereinbarung „Forschung und Innovation“ aus frei gewordenen BAföG-Mitteln, die nicht im Haushalt versickern, in diesem und im nächsten Jahr in Höhe von jeweils 8,3 Millionen € zur Verfügung stellen. Wir werden Zuschüsse für hochschulnahe Investitionen ebenfalls aus BAföG-Mitteln in Höhe von jeweils 5 Millionen € in diesem und im nächsten Jahr zur Verfügung stellen. Es versickert überhaupt nichts.

Die Mittel für die Beschaffung von Großgeräten belaufen sich in diesem Jahr auf 13 Millionen €. Die Mittel aus den EU-Strukturfonds werden im nächsten Jahr verdoppelt. In diesem Jahr werden 24 Millionen € und im nächsten Jahr 47 Millionen € bereitgestellt.