Protokoll der Sitzung vom 03.11.2020

- Nein, wir reden über etwas anderes. Wir reden jetzt nicht über die zu dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, sondern über die andere, die Sie angekündigt haben. Diese wurde bis heute nicht eingereicht. - Das nur nebenbei.

(Heiterkeit)

Wenn Sie das machen, dann sage ich: Wir haben in der parlamentarischen Demokratie ein Mittel. Das heißt, wenn Sie das nicht mitmachen, können Sie APO machen. Aber Sie sitzen ja nun dabei. Dann wird es ein bisschen schwierig. Dann müssen Sie mit Ihren Leuten draußen reden. Aber Sie können natürlich als Fraktion klagen. Dann müssen Sie dagegen klagen.

(Zuruf: Machen wir doch!)

- Ich habe noch nicht gesehen, dass irgendetwas eingereicht worden ist.

(Zuruf: Abwarten!)

(Zuruf: Na sicher!)

Aber Sie suggerieren draußen: Wir machen das nicht mit, und wir sagen euch Bürgern, weil wir das nicht mitmachen, passiert das nicht.

(Zurufe)

Das funktioniert nicht.

(Zustimmung)

Jetzt komme ich zu dem zurück, was ich eingangs erwähnt habe. Ich vertrete hier die Position der CDU-Fraktion und das mache ich auch sehr gern. Es gibt Menschen - wir haben das heute hier gehört -, die Untergangsszenarien und Verschwörungstheorien verbreiten.

(Zurufe)

Der letzte Beitrag von Herrn Poggenburg hat das unterstrichen.

Wir dagegen - das reklamiere ich ausdrücklich für die Koalition, insbesondere als Vorsitzender der CDU-Fraktion - versuchen, verantwortungsbewusst, verhältnismäßig die Menschen zu informieren sowie die Folgen der Pandemie und andere Einschränkungen so gering wie möglich zu halten. Das war bisher unser Petitum.

(Beifall)

Darum wiederhole ich, was ich bereits im Mai im Plenum gesagt habe: Mit der Coronakrise durchleben wir die größte politische und gesellschaftliche Herausforderung der Nachkriegsgeschichte. Weltweit werden wir weiter auf eine gewaltige Bewährungsprobe gestellt. Eine Bewährungsprobe, meine Damen und Herren, die zunehmend an der Akzeptanzgrenze - das stimmt; das sehen wir genauso - der Bevölkerung kratzt.

Laut einer Forsa-Umfrage halten 50 % der Befragten die neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie für angemessen. Wieder einmal geht es darum, die Disziplin des Einzelnen einzufordern; der Ministerpräsident und andere Redner haben das ebenfalls versucht. Das ist nötig; denn es geht auch nach unserer Auffassung jetzt wieder um nicht weniger als um das Leben und die Gesundheit der Menschen.

Die Notwendigkeit der Maßnahmen, so glauben wir, hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung in der vergangenen Woche verdeutlicht und auch nachvollziehbar begründet.

Dass sich die Zahlen deutschlandweit und auch in Sachsen-Anhalt leider erhöht haben, kann niemand abstreiten. Eine Kontaktverfolgung ist, wie wir auch gehört haben, so gut wie nicht mehr möglich. Wenn Sie es bei 1 000, wie in Magde

burg, nicht mehr wissen, dann haben Sie ein Problem. Das wüssten Sie, wenn Sie sich einmal intensiv mit den Ämtern beschäftigen, die das nämlich bearbeiten müssen.

Aktuell verdoppeln sich die Zahlen der Infizierten etwa alle sieben Tage und die Zahl der Intensivpatienten etwa alle zehn Tage. Nach den Statistiken des RKI - wir sind schon darauf eingegangen - sind die Ansteckungsketten im Bundesdurchschnitt in mehr als 75 % der Fälle unklar. Das ist genau unser Handlungskriterium. Deswegen müssen wir Maßnahmen ergreifen. Wir haben darüber auch in unserer Fraktion mehrfach kontrovers diskutiert.

(Zuruf)

In Sachsen-Anhalt war der Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner zunächst niedrig. Dafür sind wir ausdrücklich unserem Ministerpräsidenten dankbar. Unsere Fraktion und die anderen Fraktionen haben dafür gesorgt, dass das so lief, indem wir nämlich jedes Mal, bevor eine neue Eindämmungsverordnung herausgegeben worden ist, eine Fraktionssitzung durchgeführt und dort Punkte festgelegt haben. Davon sind ausdrücklich mehr als 90 % umgesetzt worden; das muss man einmal sagen.

(Beifall)

Es ist eben so: Die Koalition, die die Regierung stellt, macht der Regierung konkrete Vorschläge. So einfach ist das. Das ist übrigens in jedem Bundesland so, nicht nur in Sachsen-Anhalt.

Zur Vermeidung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage ist es deshalb nun erforderlich, durch eine befristete - wir haben es schon gehört - erhebliche Reduzierung der Kontakte der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten oder stark einzudämmen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in der Woche zu senken. Das ist das oberste Ziel aller dieser Maßnahmen.

Eine solche Dynamik würde ansonsten die Intensivmedizin in wenigen Wochen überfordern. Diese Situation betrifft alle. Ich habe es bei einer anderen Gelegenheit gesagt und Kollegen hier auch: Es geht nicht nur um die reine Bettenstatistik - die Betten, die Hardware, sind vorhanden, dankenswerterweise infolge großer Investitionen -, aber das Problem ist: Die vorhandene Hardware muss auch bedient werden. Diesbezüglich gibt es ein Problem. Sie können uns gern sagen: Das haben Vorhergehende verabsäumt. Das ist so. Aber das enthebt uns nicht der Verantwortung, dass wir trotzdem jetzt reagieren müssen, weil die Situation so ist, meine Damen und Herren. Auch das ist verantwortliches Handeln einer Regierungskoaltion.

Die Fraktion der CDU hat den Ministerpräsidenten darum gebeten, den Stand der Coronapandemie und die entsprechenden Maßnahmen in einer Regierungserklärung zu thematisieren. Ich bin sehr froh darüber, dass er dem jetzt nachgekommen ist;

(Zustimmung)

denn nur eine öffentliche Debatte über die gravierenden Einschränkungen kann Akzeptanz schaffen und stärkt die parlamentarische Demokratie.

Ich sage hier ausdrücklich: Wer mich kennt, der weiß, ich kritisiere auch eigene Kollegen. Ich bin durch und durch Parlamentarier. Deswegen schätze ich auch die Rechte der Opposition. Gleichwohl gibt es klare Spielregeln. Ich kann gern unsere Altvorderen zitieren, was hier im Jahr 1998 los war und welche Vorlagen die Opposition, in die die CDU damals gekommen ist, erhalten hat oder nicht. Darüber können wir gern einmal einen langen Disput führen, meine Damen und Herren.

Zu den nun beschlossenen Maßnahmen zählen unter anderem neue Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum, die Schließung zahlreicher Einrichtungen in den Bereichen der Freizeitgestaltung und der Gastronomie - darauf gingen meine Vorredner ebenfalls schon ein - sowie das Verbot von Unterhaltungsveranstaltungen. Hinzu kommen eindringliche Appelle, Kontakte im privaten Bereich zu verringern und auf unnötige Privatreisen zu verzichten.

Darauf, dass Kitas und Schulen - auch darauf gingen meine Vorredner bereits ein - geöffnet bleiben, haben wir ausdrücklich gedrungen und den Ministerpräsidenten inständig darum gebeten, weil es die Eltern entlastet und eine nicht unwesentliche, entscheidende Veränderung übrigens zum ersten Lockdown im März war. Das sind die Erfahrungen, aus denen man lernt.

Übergeordnetes Ziel ist es, neue Ausbrüche einzudämmen. Steigen die Zahlen weiter, droht ein Kontrollverlust. Man kann darüber reden, wie man will. Das würde eintreten. Eine Überlastung unseres Gesundheitssystems - genau das, meine Damen und Herren, müssen wir jetzt verhindern.

(Zuruf)

- Nein, jetzt verhindern, damit wir sie nicht schließen müssen. - Daher trägt die CDU-Fraktion den Beschluss der Bundeskanzlerin sowie der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit.

Nach dem befristeten Teil-Lockdown und der Bewertung der Infektionszahlen für Sachsen-Anhalt sollte aus der Sicht der CDU-Fraktion allerdings erneut auf den Sachsen-Anhalt-Plan eingeschwenkt werden, der dem Infektionsgeschehen hierzulande bisher gut Rechnung getragen hat.

(Beifall)

Wir können aktuell aber nicht die Augen davor verschließen, dass ein länderübergreifend abgestimmtes Maßnahmenpaket zum jetzigen Zeitpunkt, unter der ganz konkreten jetzigen Lage, den größten Nutzen bringt.

Nach 14 Tagen - das sage ich ganz deutlich; das haben wir auch in unserer Fraktionsvorsitzendenkonferenz hier beschlossen - muss nach unserer Auffassung aber anhand der konkreten Zahlen, die dann evident sind, überprüft werden, ob die harten und weitreichenden Maßnahmen greifen, und eben nicht erst nach vier Wochen. Das ist unsere konkrete Sachlage in dieser Frage.

(Zustimmung)

Zudem sollten auch im Parlament die Kontakte auf ein Minimum reduziert werden. Deshalb unterstützen wir nachhaltig die Initiative von Fraktionen hinsichtlich einer freiwilligen Vereinbarung, die Fraktionsstärke auf maximal zwei Drittel zu reduzieren, und zwar bis zur Verabschiedung - das habe ich im Ältestenrat schon angekündigt - einer verfassungskonformen Regelung.

Meine Damen und Herren! Wir verstehen den Frust und auch die Verzweiflung aller Betroffenen. Unter anderem haben die Gastronomiebetreiber für Hygienekonzepte und Investitionen in Größenordnungen sehr viel Geld aufgewendet und haben zu Recht den Anspruch, dass sich dieses auch gelohnt hat.

Wir als CDU-Fraktion sind dabei ganz nah an dem betroffenen Personenkreis. Deswegen haben wir auch im Frühjahr darauf gedrängt, unsere Gaststätten und Hotels früher zu öffnen als in anderen Bundesländern, wo das Infektionsgeschehen deutlich stärker ausgeprägt war. Übrigens gibt es dazu einen sehr guten Schriftverkehr mit dem DEHOGA, der das ausdrücklich befürwortet hat.

Darum - dafür danke ich auch der Bundesregierung - ist es zu begrüßen, meine Damen und Herren, dass den vielen durch die Schließung betroffenen Betrieben der Umsatzausfall - wir haben das heute schon gehört, nicht der Gewinn, sondern der Umsatz; dazu müssen wohl einige Nachhilfe nehmen - in Höhe von 75 % entsprechend dem Umsatz des Vorjahres 2019 erstattet werden soll. Auch Existenzgründer, die nach November 2019 ihre Existenz gegründet haben, werden - der Bezugspunkt soll dort Oktober 2020 sein - in ähnlicher Weise entschädigt.

Zudem müssen die finanziellen Hilfen für betroffene Unternehmen und Kulturschaffende nach unserer Auffassung schnell und massiv aufgestockt werden. Nur so kann es letztlich gelingen, Arbeitsplätze und Existenzen zu retten.

Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Verbreitung der Krise sind die Maßnahmen - die Aussagen der Kanzlerin Angela Merkel sind nicht von ungefähr; wir wissen, dass sie Physikerin ist - geeignet, notwendig und verhältnismäßig. Das sind genau die drei Gründe, die den Ansatz für eine Verfassungsklage möglichst verhindern sollen. Das wissen Juristen.

Wir befinden uns in einer außerordentlichen Lage. Das sollten wir uns alle jederzeit vergegenwärtigen.