Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

Dabei sollte aber eben dieses Leitbild aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE klare Leitlinien für den Erwerb und die Nutzung von Agrarflächen zur gesetzlichen Umsetzung enthalten. Das spiegelt sich dann auch in § 1 Abs. 1 des Gesetzentwurfs wider, in dem als agrarstrukturelles Ziel die Gewährleistung leistungsfähiger Unternehmen der Landwirtschaft formuliert wird.

Ich darf dazu Vergleiche ziehen. In dem Gesetzentwurf des Landes Niedersachsen, zu dem sich durchaus Parallelen herstellen lassen, steht hingegen - ich zitiere -:

„Agrarstrukturelles Ziel ist insbesondere die Gewährleistung leistungsfähiger, nachhaltig wirtschaftender bäuerlicher Familienbetriebe sowie die Dämpfung des Anstiegs der Boden- und Pachtpreise.“

Ganz ähnlich ist dies in dem Brandenburger Gesetzentwurf formuliert. Von Nachhaltigkeit kann ich aber weder in dem uns vorliegenden Gesetzestext noch in dem darin angeführten Leitbild etwas lesen.

Auch bei der Definition der Begriffe Landwirt und landwirtschaftliche Betrieb sehen wir Lücken. In den letzten Jahren haben sich alternative und gemeinnützige Bewirtschaftungsformen auf relativ kleinen Flächen etabliert, zum Beispiel die solidarische Landwirtschaft. Was passiert mit denen? Fallen die wieder durch das Raster?

Für die Fraktion DIE LINKE möchte ich noch ein paar wesentliche Punkte hervorheben: das Vorkaufsrecht für Landwirte aus Sachsen-Anhalt und deren Stärkung, die Streuung des Bodeneigentums sowie die Verhinderung weiterer wettbewerbsschädlicher Konzentration am Bodenmarkt, Höchstgrenzen für den Erwerb und die Pacht von Flächen und eine Deckelung der Kauf- und Pachtpreise sowie die Genehmigungspflicht für den Kauf von Unternehmensanteilen.

Insgesamt bietet der Gesetzentwurf ein paar gute Ansätze - diese wurden hier genannt -: Vorkaufsrecht für die Landgesellschaft, Bodenfonds und Einbeziehung der Anteilskäufe. Allerdings geht der Gesetzentwurf aus unserer Sicht nicht weit genug und öffnet an der einen oder anderen Stelle durchaus Hintertürchen, die wiederum den eigentlichen Zielen zuwiderlaufen könnten. Da gilt es, genauer hinzuschauen. Deswegen muss darüber intensiv diskutiert werden. Wir stimmen deshalb einer Überweisung in die Ausschüsse zu. - Vielen Dank.

(Beifall)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Eisenreich für den Redebeitrag. - Für die SPDFraktion spricht der Abg. Herr Barth. Herr Barth, Sie haben das Wort.

Danke sehr, Herr Präsident. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird gut, sagt man landläufig. Ich gehe davon aus, dass es auch gut wird, dass es zu einem guten Ende kommt.

Das Agrarstrukturgesetz hat eine langjährige Geschichte. Herr Daldrup, der von Anfang an in diese Gesetzvorlage eingebunden war, hat bereits darauf hingewiesen. Wir haben es in der vergangenen Legislaturperiode aus verschiedensten Gründen leider nicht geschafft, das Gesetz schon auf den Weg zu bringen. Ich möchte mich an dieser Stelle trotzdem bei dem ehemaligen Minister Dr. Aeikens bedanken; denn zum einen fußen wesentliche Aussagen des Gesetzes auf dem Entwurf aus der letzten Legislaturperiode, zum anderen hat uns auch sein Ministerium in Berlin, als er dort noch als Staatssekretär tätig war, bei der Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs rechtlich zur Seite gestanden.

Wenn man es ganz genau nimmt, verwirklichen wir heute sozusagen einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Frau Eisenreich von der Opposition hat darauf hingewiesen. Ich gestatte mir, das an dieser Stelle auch zu tun. Ich denke, das ist eine Verpflichtung.

Warum hat das so lange gedauert? - Das erklärt sich von selbst. Die Fragen, die wir lösen mussten, waren sehr kompliziert. Es gab schon mehrere Entwürfe, die dann aber wieder verworfen wurden. Dann ging es wieder von vorn los. Vor diesem Hintergrund war das gar nicht anders möglich. Uns jetzt vorzuwerfen, wir würden jetzt im Galopp in der letzten Sekunde der Legislaturperiode ein Gesetz durch das Parlament peitschen, ist an dieser Stelle, denke ich, unangebracht.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das gibt es in keinem Bundesland! - Zustimmung)

Meine Damen und Herren! Ich muss an dieser Stelle gar nicht mehr auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs eingehen, das haben meine Vorredner bereits getan. Frau Frederking, Herr Daldrup und die Ministerin haben das ausführlich beschrieben. Ich möchte es, weil es mir wichtig ist, an dieser Stelle nicht versäumen, mich bei meinen Kollegen Herrn Daldrup und Frau Frederking zu bedanken. Ich will auch Herrn Dr. B. nicht

unerwähnt lassen und die Mitarbeiter aus dem Ministerium, die uns wirklich sehr gut zur Seite gestanden haben.

(Zustimmung)

Die Zielstellung des Gesetzes ist simpel - das wurde bereits mehrfach erwähnt -: Unser einheimischer Ackerboden soll vor auswärtigen Investoren geschützt werden. Landwirtschaftliche Flächen bieten momentan eine solide Rendite und werden so für viele Investoren hochinteressant.

Herr Daldrup, ich würde es begrüßen, wenn wir nur bis nach Hamburg fahren müssten. Aber wahrscheinlich müssten wir uns ins Flugzeug setzen und müssten etwas weiter fliegen, um die Investoren zu besuchen, die bei uns in den Dörfern wirtschaften. Das ist eigentlich ein Grundprinzip, das wir immer beachten sollten: Die Landwirtschaft muss vor Ort stattfinden und die Köpfe müssen vor Ort sichtbar sein. Das sollte auch in Zukunft so bleiben; denn ansonsten wird alles anonymisiert, und es ist niemand mehr da, den man ansprechen kann. Machen wir uns nichts vor, auch die Betriebe vor Ort in den Dörfern sorgen dafür, dass das Leben in den Dörfern lebenswert ist. Ich denke nur an die Unterstützung bei den Feuerwehren und vieles andere mehr. Auch vor diesem Hintergrund sollten wir darauf achten.

Eines möchte ich an dieser Stelle auch sagen: Es ist natürlich nicht möglich, hundertprozentig alles so zu regeln, dass das verhindert wird. Gerade die Shares Deals sind sehr kompliziert. Die großen Gesellschaften haben ganze Heerscharen von Anwälten, die sich darum schon - in Anführungszeichen - kümmern werden. Vor diesem Hintergrund wäre es schön, wenn wir ihnen das erschweren könnten.

Jetzt noch ein Wort zur Mitwirkung. Alle Verbände sind aufgefordert, jetzt im Rahmen der parlamentarischen Arbeit Vorschläge zu machen. Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden. Wenn vernünftige Vorschläge kommen, warum sollten wir sie nicht aufgreifen? - Wenn wir an dieser oder jener Stelle über das Ziel hinausgeschossen sind, dann kann man das doch revidieren. Aber von vornherein alles abzulehnen und im Vorfeld alles schlechtzureden, das mache ich nicht noch einmal mit. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode durchgemacht. Das ist mit mir nicht zu machen.

Vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass wir diesen Gesetzentwurf in dieser Form vor uns liegen haben. Ich freue mich auf eine heiße Diskussion im Ausschuss. Ich hoffe, Sie alle machen mit. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Barth für seinen Redebeitrag. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat noch einmal Frau Frederking das Wort. Frau Frederking, Sie haben das Wort.

Jetzt habe ich das Wort, vielen Dank. - Ich werde gern in die politische Debatte einsteigen. Nachdem ich vorhin sehr sachlich und informativ den Gesetzentwurf dargestellt habe, möchte ich feststellen, dass es ein großer Erfolg ist, dass der Gesetzentwurf endlich das Licht des Landtags erblickt hat. Ich denke dabei an die Vorgänge vor fünf Jahren: Als der damalige Landwirtschaftsminister Aeikens ein Agrarstrukturgesetz erarbeitet hatte, haben Lobbyinteressen die Einbringung in den Landtag verhindert. Eine breite Diskussion zur Verbesserung des Bodenmarktes und ein parlamentarisches Verfahren hat es damals nicht gegeben.

Dieser Diskussionsprozess soll nun beginnen - Herr Barth, Herr Daldrup, Sie haben darauf verwiesen -, und zwar konstruktiv in den Ausschüssen und selbstverständlich mit Anhörungen. Es sollen sich natürlich alle Verbände einbringen können.

Mit unserem Gesetzentwurf legen wir einen Vorschlag vor, der hoffentlich so praxistauglich ist, dass er das verhindert, was seit vielen Jahren von ganz vielen Seiten beklagt wird: den Ausverkauf von Grund und Boden. Die Reaktionen vom Bauernverband und vom Bauernbund, die das Gesetz schon jetzt ablehnen, können wir nicht nachvollziehen, weil die Diskussionen darüber noch gar nicht stattgefunden haben.

Stattdessen sind jetzt gute Ideen gefragt, um unseren Vorschlag gegebenenfalls noch besser zu machen. Dafür sind wir offen. Wir wollen jedenfalls erreichen, dass marktbeherrschende Stellungen am regionalen Bodenmarkt aufgebrochen werden und dass der Zugang zum Boden für alle regional verankerten Unternehmen der Landwirtschaft und auch für Neugründungen möglich wird. Wir wollen erreichen, dass außerlandwirtschaftliches Kapital zurückgedrängt wird, dass Anteilskäufe zum mittelbaren Erwerb von Grundstücken reguliert werden. Mit der Regulierung von Share Deals schließen wir endlich eine oft beklagte Lücke im Grundstücksverkehr.

(Zustimmung)

Wir wollen, dass es eine breite Eigentumsstreuung gibt, weil es dann auch keine marktbeherrschende Stellung mehr geben kann und weil Vielfalt entsteht. Und natürlich soll eine gewisse Preisdämpfung bei den Landkäufen erreicht

werden. Eine Gefahr, ein erheblicher Nachteil für die Agrarstruktur, die wir prioritär verhindern wollen, ist, dass landwirtschaftliche Betriebe vor Ort keinen Zugang mehr zum Boden bekommen. Genau das wollen wir verhindern, damit sich alle gut entwickeln können und Neugründungen möglich sind.

Der Handlungsdruck ist immens; denn wie soll in der Landwirtschaft ein akzeptables Auskommen erwirtschaftet werden, wenn nicht ausreichend Flächen vorhanden sind? - Wenn kleine Betriebe hohe Kauf- und Pachtpreise nicht aufbringen können, führt das zu einer Entwicklung nach dem Motto „Wachse oder weiche“, inklusive einer Intensivierung der Landwirtschaft, verbunden mit der Überforderung der Ökosysteme. All das ist nicht gewollt.

Wenn Herr Feuerborn, Präsident des Landesbauernverbandes, in der „taz“ davon spricht, dass ein Inhaber eines großen Betriebs weiterhin an auswärtige Investoren verkaufen können soll, dann sage ich: Genau das entspricht nicht dem Leitbild für die Agrarstruktur in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung)

Das entspricht nicht dem, wie wir es jetzt neu gefasst und beschrieben haben. Dann wäre es doch besser, dass dieser Inhaber intensiv nach ortsansässigen Landwirtinnen und Landwirten sucht. Wie wir vorhin bereits gesagt haben, haben wir den Käuferkreis erweitert. Gerade bei den Genossenschaften soll es den Mitgliedern von Genossenschaften ermöglicht werden, Boden zu kaufen.

Wir wollen mit einem starken und wirksamen Bodenrecht Ausverkauf und Landgrabbing beenden - für vielfältige und lebenswerte Dörfer. - Vielen Dank.

(Beifall)

Frau Frederking, eine Frage. Es wurde mehrmals von einer Überweisung in die Ausschüsse gesprochen. In welchen Ausschuss außer dem Landwirtschaftsausschuss?

(Zurufe: Finanzen!)

- Ja, richtig, in den Ausschuss für Finanzen. Also nur in diese beiden Ausschüsse.

Dann soll der Antrag in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie in den Ausschuss für Finanzen überwiesen werden. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen und ein fraktionsloser Abgeordneter. Wer stimmt dagegen? - Gegenstimmen sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Sehe ich auch nicht. Damit ist dieser

Antrag in die genannten Ausschüsse überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 4 ist erledigt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5

Beratung

Digitale Kompetenz statt digitaler Demenz: Unsere Kinder auf Morgen vorbereiten!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/6819

Einbringer ist der Abg. Herr Dr. Tillschneider. Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In Timur Vermes' Roman „Er ist wieder da“, der die skurrile Geschichte davon erzählt, wie Adolf Hitler aus dem Führerbunker in das Berlin des Jahres 2011 hineinfällt, gibt es eine Szene in einer Wäscherei. Der wiedergekommene Hitler will erst einmal seine Uniform reinigen lassen. Der Wäschereiinhaber fühlt sich von dem seltsamen Kunden an eine prominente Person erinnert, weiß aber nicht genau, an wen. Er ruft deshalb seinen Sohn und sagt: Moment, hole ich Sohn, immer schaut Internet, kennt alles.

Weshalb erzähle ich das? - Weil die herrschende Digitalisierungspolitik im Schulbereich sich ungefähr auf dem Niveau dieses „Sohn immer schaut Internet, kennt alles“ bewegt.

(Zustimmung)