Protokoll der Sitzung vom 20.06.2017

(Erste Beratung in der 16. Sitzung des Landtages am 14.12.2016)

Berichterstatter ist der Abg. Herr Borchert. Herr Borchert, Sie haben das Wort.

Danke schön. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Gesetzentwurf der Landesregierung eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes SachsenAnhalt in der Drs. 7/685 überwies der Landtag in der 16. Sitzung am 14. Dezember 2016 zur federführenden Beratung und Beschlussfassung in den Ausschuss für Inneres und Sport. Mit der Mitberatung wurde der Ausschuss für Finanzen betraut.

Mit der Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt soll zum einen geregelt werden, ob Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes wie bisher grundsätzlich mit einem Namensschild gegenübertreten oder über das Tragen einer individuellen numerischen Kennzeichnung im Nachhinein für eingeschränkte Zwecke identifizierbar sind.

Zum anderen soll die Befugnis der Polizei zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen bei Personen- oder Fahrzeugkontrollen zum Zweck der Eigensicherung in § 16 Abs. 3 SOG LSA für die Durchführung eines Modellversuchs zum Einsatz von sogenannten Bodycams in den kreisfreien Städten Sachsen-Anhalts befristet um die Möglichkeiten der Vorabaufzeichnung und die Anfertigung von Tonaufzeichnungen erweitert werden.

Der Ausschuss für Inneres und Sport befasste sich in der 6. Sitzung am 19. Januar 2017 erstmals mit dem Gesetzentwurf und beschloss einstimmig die Durchführung einer Anhörung am 16. Februar 2017. Die Zahl der Anzuhörenden wurde auf zwei Institutionen pro Fraktion begrenzt. Zu der Anhörung wurden neben mehreren Sachverständigen auch Gewerkschaftsvertreter sowie der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt eingeladen. Hierzu verweise ich auf die Niederschrift über diese öffentliche Anhörung.

Eine weitere Beratung zu diesem Gesetzentwurf fand am 23. März 2017 statt. Zur Beratung lag dem Ausschuss eine vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst erarbeitete Synopse vor, die als Vorlage 9 verteilt wurde. Außerdem lagen dem Ausschuss Änderungsanträge der Fraktionen DIE LINKE und der AfD vor; es handelt sich hierbei um die Vorlagen 10 und 11 zum Gesetzentwurf.

Im Ergebnis der Beratung wurden dem mitberatenden Ausschuss für Finanzen die Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes sowie die beiden von mir bereits genannten Änderungsanträge als vorläufige Beschlussempfehlung zur Beratung überwiesen.

Der Ausschuss für Finanzen empfahl dem federführenden Ausschuss im Ergebnis seiner Bera

tung am 19. April 2017, beide Änderungsanträge abzulehnen und den Gesetzentwurf in der Fassung der Vorlage 9 anzunehmen.

Schließlich befasste sich der Ausschuss für Inneres und Sport in seiner Sitzung am 8. Juni 2017 erneut mit diesem Gesetzentwurf. Zu dieser Beratung lag ein weiterer Änderungsantrag vor, der von den regierungstragenden Fraktionen eingereicht und als Vorlage 14 verteilt wurde.

Die in den Vorlagen 10 und 11 vorliegenden Änderungsanträge fanden nicht die erforderliche Mehrheit. Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde mehrheitlich beschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für Inneres und Sport empfiehlt Ihnen im Ergebnis seiner abschließenden Beratung die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung in der Drs. 7/1516. Im Namen des Ausschusses für Inneres und Sport bitte ich um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Fragen. In der Debatte ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. Zunächst spricht für die Landesregierung Minister Herr Stahlknecht. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es kurz machen. Die Möglichkeit, dass wir unsere Beamtinnen und Beamten jetzt in Schwerpunktbereichen mit Bodycams ausstatten werden, ist eine gute Entscheidung, weil Gewalt gegenüber Polizisten immer weiter zunimmt. Die Ausstattung mit Bodycams wird dafür geeignet sein, so unsere Erwartung, dass diese Gewalt nicht in dieser Form ausgeübt wird und dass wir, wenn sie ausgeübt werden würde, eine Beweissicherung für mögliche Strafverfahren durchführen können. Insofern ist das eine gute Vereinbarung, die wir gemeinsam getroffen haben.

Die Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten ist im Koalitionsvertrag festgelegt worden. Wir haben dort eine Regelung gefunden, die allen Seiten gerecht wird, und schließen uns damit auch dem an, was in anderen Bundesländern mittlerweile üblich ist.

Meine Wahrnehmung bei den Kolleginnen und Kollegen der Polizei ist, dass dort allenfalls noch zaghaft und bei den Gewerkschaften möglicherweise etwas reflexhaft Kritik kommt. Die Geschichte ist mittlerweile akzeptiert. Insofern ist es

auch gut, dass wir das heute gemeinsam beschließen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Minister für die Ausführungen. - Für die AfD spricht der Abg. Herr Kohl.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Die Einführung und der Einsatz der Körperkameras werden unterstützt, auch über die Pilotphase hinaus. Das Anfertigen von Vorabaufnahmen wird abgelehnt, weil das rechtlich umstritten ist und in der polizeilichen Praxis nichts Verwertbares liefert. Näheres können Sie der Begründung zu unserem Änderungsantrag entnehmen.

Kommen wir zur individuellen Kennzeichnung. Damit soll polizeiliches Handeln offener, transparenter und Polizeiarbeit bürgerorientierter werden - so die Begründung. Die AfD-Fraktion beantragte, die abschließende Beratung zu diesem Gesetzentwurf im Ausschuss in öffentlicher Sitzung stattfinden zu lassen. Das wurde mehrheitlich abgelehnt. Das zeigt, was Sie selbst von offener, transparenter, bürgerorientierter Arbeitsweise halten, nämlich gar nichts.

(Beifall bei der AfD)

Und solange das so ist, sollten Sie das nicht anderen vorschreiben.

Im Übrigen ermöglicht es die taktische Kennzeichnung schon jetzt, jeden am Einsatz beteiligten Beamten nachträglich zu identifizieren. Die Identität ist feststellbar, auch wenn sie nicht für jedermann sichtbar ist. Daher gibt es keinen sachlichen Grund, hier eine Regelverschärfung zu betreiben. Dafür wird nur unnütz Geld ausgegeben, immerhin 300 000 €, was andernorts, zum Beispiel bei Beförderungen, fehlt.

(Zustimmung von Mario Lehmann, AfD, und von Matthias Büttner, AfD - Mario Leh- mann, AfD: Koalitionsverfahren!)

Ich frage mich, ob die Befürworter der Zwangsetikettierung von Polizeibeamten überhaupt Kontakt zu Bürgern haben;

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Haben wir!)

- ja, und was für einen Kontakt - denn dann wüssten sie, dass 90 % der Bürger Vertrauen in die Polizei haben. Wenn ich mich hier umschaue, sehe ich im Grunde nur 25 % der Abgeordneten, die Vertrauen zur Polizei haben, und das sind die Abgeordneten der AfD.

(Beifall bei der AfD)

75 % der Abgeordneten misstrauen der Polizei, das sind die regierungstragenden Fraktionen und die angeschlossene Linkspartei.

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

Das zeigt doch im Grunde, wie weit sich die Politik in diesem Land vom Bürger entfernt hat.

(Zustimmung von Volker Olenicak, AfD)

Angeblich wären Polizisten latent so kriminell, dass man sogar extra Maßnahmen zur Strafverfolgung wie diese Kennzeichnung einführen müsste. Tatsache ist, Polizisten sind bei Einsätzen regelmäßig Opfer, und nicht Täter. Im Jahr 2016 wurden in Sachsen-Anhalt 1 500 Polizisten während ihrer Dienstzeit Opfer einer Straftat. Das ist die Realität und ein typisches Beispiel dafür, wie hier aus linksideologischen Motiven heraus Faktenverdreherei betrieben wird.

(Beifall bei der AfD)

Wer seiner Polizei nicht traut, also den gesetzestreuesten Bürgern im Land, der traut auch nicht seiner Bevölkerung.

(Zustimmung bei der AfD)

Im Grunde ist diese Regelung, die Sie hier beschließen, eine Misstrauenserklärung der Landesregierung an die Bürger des Landes. Ich bin mir sicher, dass die Bürger bei der nächsten Wahl dieses Misstrauen zu würdigen wissen.

(Beifall bei der AfD)

Klar ist: Hier wird mit dem Vorurteilshammer eine mächtige Motivationsdelle in den Personalkörper gehauen, das Ansehen der Polizei geschädigt, die Würde der Polizisten verletzt und deren Sicherheit gefährdet.

Freuen dürfen sich all die Polizeihasser, die gern und laut „Polizisten sind Bastarde“ und Ähnliches skandieren oder Polizisten direkt angreifen. Solche Chaoten wollen den Rechtsstaat am Boden sehen. Denen muss man nicht mit Transparenz begegnen; denn Leute, die sich selbst vermummen, legen darauf keinen Wert.

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Genau! - Bravo!)

Nie war die öffentliche Sicherheit und Ordnung derart gefährdet. Nie war die Polizei in einem schlechteren Zustand. Zum einen gibt es grassierende Kriminalität, steigende Terrorgefahr, NoGo-Areas, zum anderen marode Dienstgebäude, hoher Krankenstand, eine katastrophale Überstundensituation. Personell fährt die Polizei auf der letzten Rille.

Aber - Halleluja! - die Landesregierung hat eine Lösung und die Lösung lautet: Wir kriminalisieren die Polizisten. - Damit löst man keine Probleme, sondern schafft nur neue. Problemlösungskom

petenz kann man der Landesregierung jedenfalls nicht vorwerfen.

(Beifall bei der AfD)

Tatsache ist: Irgendjemand wird für diesen Frevel an der Polizei bezahlen, und das wird die Partei sein, die sich am unglaubwürdigsten macht. Und das wird wohl auch die CDU sein, weil sie hierbei, dem Prinzip der Prinzipienlosigkeit folgend, ihre Grundsatzposition aufgegeben hat.

(Beifall bei der AfD)

Ich persönlich bin sehr enttäuscht, wie Sie, Herr Stahlknecht, als erfahrener Innenminister dabei mitmachen konnten. Ich frage mich, wie Sie Ihre Prioritäten setzen und wie Sie es mit der Fürsorgepflicht gegenüber Ihren Beamten halten.