Protokoll der Sitzung vom 24.05.2018

(Minister Marco Tullner: Sie können auch zu Fuß gehen!)

Es herrscht Einigkeit innerhalb der Landesregierung dazu, dass dieses Instrument gestärkt werden soll. Ich denke, damit ist eine Lösung skizziert, die allen Auszubildenden helfen kann und eben nicht nur denen, die Bahn und Bus nutzen. Diese Lösung greift vor allem auch die Hinweise von Wirtschaft und Handwerk auf.

So hat der Landesausschuss für Berufsbildung in Sachsen-Anhalt konstruktive Empfehlungen gegeben. Auch eine Fachklausur bei der IHK Magdeburg hat wichtige Impulse gegeben. Deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass Wirtschaft und Handwerk in dem Anhörungsverfahren die gefundene Lösung unterstützen werden.

Bei der Fachklausur des Landesbeirats „Übergang Schule - Beruf“ in der IHK Magdeburg ist auch sehr deutlich betont worden: Es geht den Kammern um die Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Bildung, vor allem aber darum, Vorsorge dafür zu treffen, dass kein Auszubildender wegen der Fahrbelastung oder der Unterbringungskosten seine Ausbildung abbrechen muss.

Deshalb bestand auch Konsens darüber, dass die bestehende Förderrichtlinie des Ministeriums für Bildung schnellstmöglich für eine wirksame Unterstützung der Auszubildenden angepasst werden soll.

Die Bewältigung der Wege vom Wohnort zur Ausbildungsstelle stellt weder in zeitlicher noch in finanzieller Hinsicht eine größere Belastung für unsere Auszubildenden dar. Anders verhält es sich mit den Wegen zur Berufsschule und den dort anfallenden Übernachtungskosten. Insbesondere Wirtschaftsvertreter haben im Kampf gegen den Azubi-Mangel immer wieder gefordert, dass die Berufswahl nicht von den Anreise- und Unterkunftskosten für die Berufsschule abhängig sein darf.

Um dieser Forderung zu entsprechen und um die angesprochene Richtlinie bedarfsgerecht aufzustocken, hat das Bildungsministerium für den Haushaltsplan 2019 Haushaltsmittel für eine Aufstockung und Weiterentwicklung der Förderrichtlinie angemeldet. Berücksichtigt wird dabei auch ein Anteil für die Umsetzung eines obergerichtlichen Urteils aus Baden-Württemberg zu den Unterbringungskosten aus Anlass des Besuchs einer Berufsschule. Ich halte das für einen guten und vor allen Dingen passgenauen und schnellen Weg.

Wir stehen kurz vor einer Lösung, die den Auszubildenden bereits im nächsten Jahr wirksam helfen und deren Situation nachhaltig verbessern

könnte. Insbesondere für Auszubildende mit einer geringen Vergütung wäre das ein ganz wichtiger Schritt. Ich wünsche mir, dass wir ihn so schnell wie möglich gehen können.

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass die Landesregierung über diese Vorlage noch nicht beraten konnte, weil ein Ressort nicht mitgezeichnet hat. Dies stellt eine Abkehr von der bisher eingenommenen fachlichen Haltung dar. Die vorgetragenen Gründe sind offenkundig sachfremd und nicht nachvollziehbar. Die dadurch entstandene Verzögerung ist bedauerlich und nicht im Sinne der Auszubildenden in unserem Land.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten nicht, wie es die Opposition offenbar versucht, die Umsetzung einer guten Lösung durch sachfremde Erwägungen verhindern. Die im Antrag der Linksfraktion geforderte Einführung eines landesweit gültigen Azubi-Tickets ist mit einem sehr hohen finanziellen Aufwand verbunden. In dem Antrag finden sich bezeichnenderweise auch keinerlei Finanzierungsvorschläge. Dabei ist völlig klar, dass wir über einen zweistelligen Millionenbetrag reden, und das pro Jahr.

Vom Finanzbedarf einmal abgesehen, sind aber vor allem Umsetzungsfragen völlig unbeantwortet. Ganz besonders fraglich ist, ob ein solches Angebot auch die Auszubildenden überzeugen würde. Wir haben aus guten Gründen keinen Landesbetrieb für den öffentlichen Personennahverkehr. Dafür sind die Aufgabenträger zuständig und das soll auch so bleiben. Ein landesweites Ticket wäre derzeit eine Mogelpackung; denn für die Wege zur Berufsschule nutzen viele Auszubildende nicht den ÖPNV. Ein solches Ticket würde angesichts der bestehenden öffentlichen Verkehrsangebote vielen Auszubildenden derzeit gar nicht und einigen nur bedingt helfen.

Über Inhalt und Umfang des Tickets müsste außerdem mit den beiden Verkehrsverbünden und mit allen Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern Einvernehmen erzielt werden. Mit all diesen Akteuren müsste auch eine Einigung über die Einnahmenaufteilung und über den Ausgleich des Verlustes durch die verbilligte Herausgabe des Tickets herbeigeführt werden. Für diese Abstimmung müsste auf jeden Fall ein längerer Zeitraum kalkuliert werden.

Ein weiteres Argument kommt hinzu: Weil die Unterbringungskosten mit einem Azubi-Ticket nicht abgefedert werden könnten, müsste die Fahrtkostenrichtlinie als Förderinstrument neben dem Azubi-Ticket ohnehin bestehen bleiben. Das wäre nicht nur vor dem Hintergrund des angestrebten Bürokratieabbaus eine kaum nachvollziehbare Situation. Wir sind daher gut beraten, zunächst die Fahrtkostenrichtlinie weiterzu

entwickeln und dann zu schauen, ob im Ergebnis noch Defizite bestehen.

Vor diesem Hintergrund arbeiten wir darauf hin, die bereits auf der Arbeitsebene gefundene Lösung, die sachgerecht und effektiv die Mobilität von Auszubildenden unterstützen kann, schnellstmöglich umzusetzen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Minister Webel für die Ausführungen. -Wir fahren in der Debatte fort. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Steppuhn. Herr Steppuhn, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag zur Einführung eines Azubi-Tickets der Fraktion DIE LINKE wird ein wichtiges Anliegen der Regierungskoalition aufgegriffen. Herr Minister Webel, ich hätte mir gewünscht, Sie als zuständiger Fachminister hätten uns heute einmal erklärt, wie man in diesem Land ein Azubi-Ticket umsetzt, und nicht erzählt, wie man es nicht macht und welche Schwierigkeiten es dabei gibt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren! Wenn wir die Berufsausbildung attraktiver machen wollen, dann müssen wir uns auch damit befassen - das ist bei den Vorrednern angeklungen -, wie wir bei zunehmender Mobilität und oft auch erwarteter Flexibilität die Rahmenbedingungen für junge Menschen bei ihren Wegen zur Berufsschule, zur Ausbildungsstätte oder auch zum Internat verbessern können.

Hierbei sollten wir insbesondere auch diejenigen jungen Menschen in den Blick nehmen, die eine besonders niedrige Ausbildungsvergütung erhalten.

Ausbildungsvergütungen, meine Damen und Herren, sind im Übrigen auch nicht dazu gedacht, unangemessen hohe Fahrtkosten zu finanzieren. Oft führen letztere auch zu einem Abbruch von Ausbildungsverhältnissen. Dies kann aber auch nicht alleinige Aufgabe des Staates sein, sondern es sind auch die Arbeitgeber, sprich: die Ausbildungsbetriebe, gefragt. Dass dies geht, haben kürzlich die Gewerkschaft IG BAU und die Arbeitgeber im Baugewerbe mit einem vorbildlichen Tarifvertrag vorgemacht. Auszubildende, die Landesfachklassen besuchen, erhalten einen monatlichen Fahrtkostenzuschuss von 60 €. Das ist, glaube ich, ein richtiger Ansatz.

Richtig ist aber auch, dass sich unser Land mehr als bisher engagieren muss. Deshalb ist es eine richtige Überlegung, den Haushaltsansatz für Fahrtkostenerstattungen auf 3 Millionen € im Jahr 2019 zu erhöhen. Diese Summe ist im Gespräch. Dazu muss bei den Haushaltsberatungen natürlich noch Konsens erzielt werden. Herr Minister Webel, hierbei haben wir die Meinungsverschiedenheit, die vielleicht auch dazu geführt hat, dass die Kabinettsvorlage noch nicht mitgezeichnet worden ist. Wir als SPD wollen mit dieser Erhöhung des Haushaltsansatzes den Einstieg in ein Azubi-Ticket gewährleisten, wie es uns unser Nachbarbundesland Thüringen jetzt vormacht.

Dort, wo es geht, meine Damen und Herren, sollen junge Menschen Busse und Bahnen nutzen können. Sie müssen nicht alle Auto fahren. Sie müssen nicht alle schon einen Führerschein haben und sind vielleicht noch auf Busse und Bahnen angewiesen. Gerade für junge Menschen mit wenig Kohle und Knete, wie sie sagen, und ohne Führerschein und Fahrzeug können wir die Ausbildung damit deutlich attraktiver machen.

Ein erster Schritt - auch dafür könnte Thüringen ein Beispiel sein - für den Einstieg in die Einführung eines Azubi-Tickets könnte es auch sein, dass man sich die Kosten zunächst teilt, dass ein Drittel der Ausbildungsbetrieb aufbringt, ein Drittel das Land und ein Drittel der Auszubildende selbst zahlt. Das wäre, glaube ich, ein richtiger Ansatz. Ich weiß, dass der Kollege Keindorf zumindest ein bisschen ähnlich in diese Richtung denkt.

(Frank Scheurell, CDU: Das glaube ich nicht!)

Das, was Sie, Herr Minister, schaffen müssen, ist, die Verkehrsverbünde im Land zusammenzubekommen und zu erreichen, dass sie so ein Ticket akzeptieren.

Meine Damen und Herren! Natürlich kostet all das Geld, aber Busse und Bahnen fahren sowieso. Wenn sie dann ein bisschen voller werden, dann ist das vielleicht auch nicht verkehrt.

(Zuruf von Frank Scheurell, CDU)

Außerdem, meine Damen und Herren, macht es auch ökologisch Sinn; denn - das werden unsere grünen Freunde sicherlich auch gern hören - es ist besser, den ÖPNV zu bezuschussen als Benzinkosten für Pkw.

Meine Damen und Herren! Wir müssen aber auch über die Standorte von Berufsschulklassen reden. Was uns dazu aus dem Land teilweise berichtet wird, ist auf Dauer nicht hinnehmbar. Da fahren junge Floristik-Azubis quer durch das Land nach Haldensleben oder nach Wittenberg oder von Osterburg nach Oschersleben, um ihre Berufs

schule zu erreichen. Manche müssen für länderübergreifende Fachklassen sogar nach Niedersachsen oder nach Thüringen reisen. Gleiches gilt für Zimmerleute. Sie müssen landesweit nach Wernigerode. Isoliererauszubildende reisen alle landesweit nach Leuna.

Meine Damen und Herren! Wir erwarten vom Bildungsminister ein neu überarbeitetes Berufsschulkonzept, das diese Dinge berücksichtigt. Die Wege müssen wieder kürzer und nicht länger werden.

Deshalb, meine Damen und Herren, noch einmal zusammengefasst: Erstens. Wir brauchen - das ist richtig; das ist vorgesehen - eine Erhöhung des Fahrtkostenerstattungsbudgets beim Ministerium für Bildung auf mindestens 3 Millionen €.

Zweitens. Wir müssen zu einer echten Einführung eines Azubi-Tickets für die Nutzung des ÖPNV kommen, und das nach Möglichkeit schon im Jahr 2019, mit dem neuen Haushalt.

Drittens. Meine Damen und Herren! Auch Folgendes ist sehr wichtig; deshalb erwähne ich es noch einmal: Wir brauchen endlich ein Berufsschulkonzept, das die Wege kürzer macht und nicht länger. Deshalb, Herr Minister Tullner - er ist gerade nicht da - muss dieses Berufsschulkonzept noch einmal deutlich überarbeitet werden.

Damit wir Drive in dieses Thema bekommen, meine Damen und Herren, schlagen wir vor, über diesen Antrag heute noch nicht abzustimmen, sondern über diesen Antrag aus dem Landtag im Zusammenhang mit der zu erarbeitenden Kabinettsvorlage im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zu beraten sowie ihn zur Mitberatung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration, in den Ausschuss für Finanzen und in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen.

Dann werden wir uns in der Debatte in den Ausschüssen wiedersehen und werden hoffentlich, wenn dieser Antrag aus den Ausschüssen wieder herauskommt, im Landtag etwas Ordentliches beschließen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Danke. Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich dem Abg. Herrn Steppuhn für die Ausführungen. - Bevor wir in der Debatte fortfahren, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Winckelmann-Gymnasiums Stendal auf der Nordtribüne in unserem Hohen Hause zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die AfD spricht der Abg. Herr Raue.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle unsere jungen Auszubildenden und Studenten im Land sind uns wertvoll, nicht nur weil es unsere Söhne und Töchter sind, sondern weil sie immer weniger werden. Deshalb ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen ihrer Ausbildung und ihres Studiums so zu verbessern, dass sie ihren Berufsabschluss bei uns möglichst ohne externe, das heißt vor allem finanzielle Schwierigkeiten erreichen und unserem Land Sachsen-Anhalt treu bleiben.

Ganz grundsätzlich lässt sich in dem Antrag der LINKEN diese Zielrichtung erkennen. Jedoch ist für uns nicht ersichtlich, weshalb Sie die berechtigte Forderung, Fahrtkosten für Schüler und Studenten großzügiger zu erstatten, gleich zu einer Vollausstattung und Vollerstattung aller berufsbildungsbezogenen Fahrtkosten aufweiten, ohne ein Wort über die Finanzierung zu verlieren. Also sollen ab dem 1. August 2018 auch sämtliche Fahrten mit dem privaten Pkw - so entnehme ich das Ihrer Vorlage - erstattet werden, und das ohne Deckung im Haushaltsplan.

Die AfD steht einer schnellen und unbürokratischen Fahrtkostenerstattung oder zumindest einer entscheidenden Fahrkostenentlastung wohlwollend gegenüber. Wir fordern eine solche ebenfalls. Die Verbesserung der Berufsausbildungsbedingungen ist uns aber so wichtig, dass wir in den nächsten Wochen dazu einen eigenen Antrag erarbeiten werden, der auf fundierten Zahlen basieren wird.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das wäre mal was Neues!)

Es ist uns nicht erklärlich, wie Sie zu der Auffassung gelangen können, dass wir mal eben einen Beschluss fassen werden, der in der laufenden Haushaltsperiode eine Summe in einem unbekannten zweistelligen Millionenbereich bis zum 1. August dieses Jahres freigibt.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Deshalb glaube ich, dass Sie selbst nicht von einer positiven Beschlussfassung zu Ihrem Antrag ausgehen und dass er nur Blendfeuerwerk ist.

(Zustimmung bei der AfD)