In Vorbereitung meiner Einbringungsrede habe ich noch einmal nachgesehen, wie viele Apps aktuell im am weitesten verbreiteten Betriebssystem Android angeboten werden. Im Mai 2018 waren es 3,66 Millionen Apps. Nun ja, auch wenn nicht jedes Programm, jede App zweifelsfrei sinnvoll ist, so belegen diese Zahlen doch die enorme Entwicklungsdynamik des Smartphones in den zurückliegenden Jahren.
Das alles funktioniert allerdings nur, wenn ein entsprechender Internetzugang vorhanden ist. Damit bin ich beim Thema unserer heutigen Debatte, unseres heutigen Antrages.
Ich bin unseren Koalitionspartnern zunächst sehr dankbar, dass sie unsere Initiative „Nationales Roaming“ unterstützen; denn das Mobilfunknetz in Sachsen-Anhalt weist leider erhebliche Lücken auf. Besonders bewusst wird einem das, wenn man im Ausland ist. Erst kürzlich konnte sich der Wirtschaftsausschuss im Rahmen einer Ausschussreise durch das Baltikum davon überzeugen, dass permanente Telefon- und Datenverbindungen kein Hexenwerk sind.
Meine Damen und Herren! In Gesprächen mit den baltischen Partnern zeigte sich immer wieder, dass die Übersetzung des Wortes „Funkloch“ regelmäßig die Grenzen unserer Übersetzer ausgereizt hat, sprich, es gibt dort keines und demzufolge auch kein Wort in der entsprechenden Landessprache.
Interessant fand ich persönlich, dass der kurzzeitige Ausfall des estnischen Netzes - es waren ganze zwei Stunden - zu einer landesweiten Diskussion über die Kündigung des zentralen Mobilnetzbetreibers in Estland geführt haben.
wir in puncto Netzabdeckung im Hochtechnologieland Deutschland erleben, ist, gelinde gesagt, peinlich.
Wir zahlen enorme Summen an Entwicklungshilfe für die halbe Welt, aber sind selbst ein Entwicklungsland, was den Breitbandausbau und die Mobilfunkabdeckung angeht.
Meine Damen und Herren! Gerade im ländlichen Raum machen zahlreiche weiße Flecken im 3GUMTS-Netz die Nutzung von Onlinediensten per Smartphone und selbst das normale Telefonieren unmöglich. Das Ganze wird nicht schöner, wenn wir zusätzlich feststellen müssen, dass wir auch beim Breitbandausbau in der Fläche erheblichen Verbesserungsbedarf haben. Hier müssen wir endlich liefern!
Denn gerade in entlegenen Gebieten ist eine stabile Mobilfunkanbindung in Notfallsituationen überlebenswichtig. Zwar ist der Ausbaustand bei 4G - LTE - besser, aber nicht jeder Handyvertrag und nicht jedes Smartphone unterstützt diesen Netzstandard.
Meine Damen und Herren! Der Ausbau der Mobilfunknetze obliegt überwiegend den drei großen Mobilfunkbetreibern. Diese räumen zwar auf Anfrage in Teilen Sachsen-Anhalts Versorgungslücken ein, teilen aber gleichwohl mit, dass aufgrund der dünnen Besiedelung ein weiterer Netzausbau wirtschaftlich nicht darstellbar ist.
Meine Damen und Herren! Die Versorgungsverpflichtung der Mobilfunkbetreiber kommt in ländlichen Räumen des Landes nicht angemessen zum Tragen, da sich die Ausbaupflichten auf stationäre Großhaushalte beziehen. Diese Bezugsgröße ist aus der Sicht der CDU-Fraktion überholt.
Sie ist deswegen überholt, weil sie den modernen Möglichkeiten der Kommunikation nicht mehr gerecht wird; denn das Interesse, mobil auf Daten zuzugreifen, besteht auch dort, wo es nach Ansicht der Mobilfunknetzbetreiber unwirtschaftlich erscheint. Ein leider negatives Paradebeispiel sind die großen Verkehrsachsen entlang der Autobahnen und Bahnlinien. Ich denke, jeder hier im Saal kann ein Lied davon singen, wenn man im Auto oder aus dem Zug heraus länger als zehn Minuten telefonieren will.
Das hat mit moderner Kommunikation wenig zu tun. Dabei könnte es auch anders gehen. Vielerorts gibt es keinen Mangel an geeigneten Funkmasten, vielmehr ist die Abschottung der Mobilnetzbetreiber die Ursache für die Funklöcher.
Es kann Ihnen durchaus passieren, dass Sie neben einem Funkmast der Telekom stehen, aber mit Ihrem Vodafone-Vertrag keinen Empfang haben. Das ist zugegebenermaßen skurril, aber leider in Deutschland gängige Praxis.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie im Ausland sind, werden Sie bemerken, dass sich Ihr Smartphone automatisch in das stärkste Netz - vollkommen unabhängig vom Mobilfunkbetreiber bzw. -anbieter - einwählt. Genau das wollen wir mit unserer parlamentarischen Initiative auch national erreichen.
Nationales Roaming ist nichts anderes, als dass sich Endgeräte automatisch in den nächsten erreichbaren Mast einwählen, und das vor allen Dingen dort, wo nur ein Mast zur Verfügung steht.
Auch wenn es den einen oder anderen hier im Saal gibt, der diese Kritik eventuell nicht teilt, müssen wir nach 18 Jahren feststellen, dass sich im Rahmen der Daseinsvorsorge - für die CDUFraktion ist das mobile Internet ein Pfeiler der Daseinsvorsorge - der Wettbewerb hierbei nicht ausgezahlt hat und dass der Wettbewerb hierbei nicht ausreichend funktioniert.
Meine Damen und Herren! Der Webfehler liegt im Jahr 2000, als die damalige rot-grüne Bundesregierung die UMTS-Lizenzen versteigert hat. Wir erinnern uns: Seinerzeit hatten wir eine schwierige wirtschaftliche Situation mit mehr als fünf Millionen Arbeitslosen. Die Sozialkosten stiegen bei sinkenden Steuereinnahmen. Der damalige Finanzminister Hans Eichel kam seinerzeit auch auf die Idee, den Bundeshaushalt durch die Versteigerung der Mobilfunklizenzen aufzuhübschen. 50,8 Milliarden € flossen so in den Bundeshaushalt. Die Konsequenzen daraus müssen wir bis heute ertragen.
Die hohen Summen musten durch die Mobilfunkbetreiber wieder eingespielt werden. Dies geschah durch Abschreibungen, durch teure Kundenverträge, beschnittene Datenraten, einen Netzausbau ausschließlich auf wirtschaftliche Aspekte
ausgerichtet und nicht zuletzt durch die von mir bereits beschriebene Netz- oder Anbieterabschottung.
Meine Damen und Herren! Andere Länder haben aus diesen Fehlern gelernt, und diese Länder sind heute in ihren Digitalisierungsbemühungen deutlich weiter als wir in Deutschland - siehe besagtes Baltikum.
Ich bin sehr froh darüber, dass inzwischen auch die Bundesnetzagentur offen ist für nationales Roaming. Ich gebe offen zu, dass ein Eingriff in den Wettbewerb immer ein schwieriges Thema ist. Aber mit Blick auf die Daseinsvorsorge besteht hierbei gerade in unterversorgten Gebieten akuter Handlungsbedarf. Die Freiwilligkeit der Anbieter hatte bisher Grenzen. Genau genommen ist sie bisher nur im Netz der Telefonica geglückt, indem man die ehemaligen Anbieter O2 und E-Plus zusammengeführt hat.
Wenn Deutschland den Anschluss nicht verpassen will, dann muss mehr für die digitale Netzabdeckung getan werden.
Meine Damen und Herren! Wir beklagen regelmäßig, dass in unseren ländlichen Räumen immer weniger Menschen leben. Wenn wir dort aber die Infrastruktur weiter schwächen - und dabei rede ich nicht nur vom Mobilfunk -, dann beschleunigen wir die Landflucht weiter.
Alles redet in diesen Tagen vom autonomen Fahren. Mir wird jetzt schon schwindelig, wenn ich nur daran denke, wenn das künftige 5G-Netz genauso lückenhaft ausgebaut werden sollte wie das aktuelle UMTS-Netz.
Der Spaß hört spätestens dann auf, wenn Menschenleben gefährdet sind. Inzwischen müssen alle neu zugelassenen Neuwagen mit dem sogenannten Emergency-Call-System ausgestattet sein, ein System, das bei einem Unfall automatisch ein Signal als Notruf an die Rettungsstelle absendet. Das Dumme ist nur, dass Sie dafür eine funktionierende Mobilfunkverbindung benötigen.
Was ist also zu tun? - Meine Fraktion fordert neben dem nationalen Roaming auch das Freischalten und die Nutzung von Behördenfunkmasten. Wir fordern den Bund auf, bei künftigen Frequenzversteigerungen die Ausbauverpflichtung nicht nach Haushalten, sondern an der Fläche und entlang der Verkehrswege zu orientieren.
Meine Damen und Herren! Die Bundesnetzagentur muss vor dem Hintergrund technologischer Entwicklungen die Mobilfunkversorgung als Uni
versaldienstleistung einstufen. Wir sollten auch prüfen, ob wir im Rahmen der Landesbauordnung eine Genehmigungsfreiheit für Dachaufbauten und temporäre Sendeanlagen ermöglichen.
Weiterhin bitten wir die Landesregierung, mit den Mobilfunkanbietern in den Dialog mit dem Ziel zu treten, die Mobilfunkversorgung im Land zu verbessern. Meine Fraktion, Herr Minister, wird Sie dabei tatkräftig unterstützen.
Ich kündige jetzt schon einmal an, dass die CDUFraktion noch in diesem Sommer eine Internetseite freischalten wird, wo jeder Bürger SachsenAnhalts die Möglichkeit bekommt, Funklöcher zu melden.
Das ist deswegen sehr wichtig, weil wir besonders gegenüber den Netzbetreibern hier den notwendigen Druck aufbauen müssen.
Meine Damen und Herren! Der heutige Antrag ist der Auftakt, um den Funklöchern im Land den Kampf anzusagen. Unterstützen Sie uns dabei! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die breite Zustimmung des Parlaments für unseren Antrag. - Vielen Dank.