- Die Landesregierung wollte zuerst? - Dann spricht zuerst die Landesregierung. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Ein paar Anmerkungen aus meiner Sicht. Ich nehme an dieser Stelle das Ergebnis gern schon vorweg: Der vorliegende Antrag Ihrer Fraktion ist aus meiner Sicht nicht notwendig.
Im Kern geht es Ihnen darum, dass sich die Landesregierung für ein sofortiges Ende der Russland-Sanktionen einsetzt. Wir sollen im Auftrag des Landtags bei der Bundesregierung Druck machen und diese soll dann wiederum bei der EU auf der EU-Ebene Druck machen. Dabei scheint Ihnen völlig entgangen zu sein, dass ich mich bereits seit Anfang dieses Jahres bzw. seit Anfang der Legislaturperiode damit beschäftige. Ich habe es nicht nur den Medien gesagt, sondern ich setze es auch in meiner täglichen Arbeit entsprechend um.
Der AfD-Antrag geht in die Richtung, durch die Aufhebung der Sanktionen die politischen Beziehungen zur Russischen Föderation zu verbessern sowie die sachsen-anhaltische Exportwirtschaft zu stärken. Diese Forderungen werden seit Langem aus Politik und Wirtschaft erhoben. Diese Forderungen werden auch von mir, vom Ministerium und von den anderen Fraktionen des Landtags unterstützt.
- Zu früh applaudiert. - Ausgesprochen seltsam kommt allerdings die Begründung zu Ihrem Antrag daher. Das Hauptargument der AfD-Fraktion, Russland habe es nicht allein in der Hand, das Minsker Abkommen einzuhalten, die Einhaltung werde vielmehr durch die ukrainische Regierung
Auslöser der Sanktionen, die die EU seit März 2014 nach und nach verhängt hat, war nicht die Ukraine, sondern die Annexion - oder wie Sie es nennen wollen - der Krim durch Russland.
Schon aufgrund dieser verqueren Sicht der Dinge kann dem AfD-Antrag aus meiner Sicht nicht zugestimmt werden.
Ich setze mich durch praktische Arbeit seit Anbeginn dafür ein, dass die Beziehungen zu Russland schnellstmöglich wieder intensiviert werden. Russland ist ein wichtiger Handelspartner. Viele Firmen aus Sachsen-Anhalt pflegen enge Kontakte dorthin. Diese Kontakte werden trotz des Embargos in der Regel aufrechterhalten.
Wir wollen das als Landesregierung unterstützen. Wir wollen das verstärken. Ich werde deshalb Russland-Tage für die Wirtschaft organisieren, im November gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Halle/Dessau und im Jahr 2017 gemeinsam mit der IHK Magdeburg.
Wir brauchen eine Normalisierung im beiderseitigen Interesse; denn Wirtschaftssanktionen haben auch in diesem politischen Konflikt fast nichts bewirkt.
Die aktuellen Sanktionen gelten noch bis Januar 2017. Auch mit Blick auf diese Zeitschiene krankt der AfD-Antrag. Die Rede ist von der sofortigen Beendigung der Sanktionen. Auch der AfD müsste bekannt sein, dass dies völlig unrealistisch ist.
Ich werde mich aber im Rahmen des Machbaren weiterhin dafür einsetzen, dass die Sanktionen nicht erneut verlängert werden, auch wenn die Einflussmöglichkeiten aus Sachsen-Anhalt auf diese Entscheidung, die auf der EU-Ebene getroffen worden ist, eher gering sind. Eines zusätzlichen Antrags, noch dazu mit einer völlig verqueren Begründung und einer unrealistischen Zeitschiene, bedarf es dafür nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Felgner. - Wir steigen damit in Debatte ein. Herr Thomas nimmt zum zweiten Mal Anlauf und kann das Wort ergreifen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Russland ist für Deutschland ein außerordentlich wichtiger Wirtschafts- sowie Handelspartner. Betrug das gesamtdeutsche jährliche Exportvolumen zur Jahrtausendwende gerade einmal 10 Milliarden €, so vervierfachte sich dieses fast auf 38 Milliarden € im Jahr 2013.
Dann, meine Damen und Herren, griffen die Sanktionen. Seitdem hat die deutsche Wirtschaft fast die Hälfte ihres Exportumsatzes mit Russland verloren. Im Jahr 2015 brach der Exportumsatz nach Angaben des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft auf gut 21 Milliarden € ein. Für das laufende Jahr rechnet man bei den Ausfuhren mit einem weiteren Minus von 10 % auf weniger als 20 Milliarden €.
Inzwischen haben sich bereits mehrere Hundert deutsche Firmen aus Russland zurückgezogen. Deren Zahl ist laut Ostausschuss von 6 000 auf 5 600 gesunken. Mehr als 80 % von ihnen erwarten für das 2016 eine negative Entwicklung der russischen Wirtschaft, wollen aber zumindest auf absehbare Zeit im Land bleiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sich hinter diesen zugegebenermaßen trockenen Zahlen verbirgt, ist mehr als nur ein wirtschaftlicher Kollateralschaden. Insbesondere auf Ostdeutschland wirken sich die Russland-Sanktionen negativ aus, da hier zahlreiche aus der Historie gewachsene Geschäftsbeziehungen bestehen. Jeder, der im Geschäftsleben steht, weiß: Geschäftsbeziehungen, die wegbrechen, sind schwer wieder aufzubauen.
Meine Damen und Herren! Während das Exportvolumen Sachsen-Anhalts nach Russland im Jahr 2012 bei ca. 500 Millionen € lag, sank es im Jahr 2015 auf 314 Millionen €. Ähnlich ist das Bild auch in Sachsen; dort ging das Russland-Geschäft um 25 % zurück. Die Verluste für die sächsische Wirtschaft werden derzeit auf 250 Millionen € beziffert.
Wenn man bedenkt, dass hierzulande vor allem kleine und mittelständische Unternehmen von den Sanktionen betroffen sind, dann wird die Dimension für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland, für den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt besonders deutlich.
Deshalb bin ich unserem Ministerpräsidenten sehr dankbar dafür, dass er gemeinsam mit seinen Kollegen Tillich und Sellering für einen politischen Dialog und gegen eine weitere Verschärfung der Sanktionen eintritt. All das ist nachlesbar. Es bedarf keines Antrags der AfD-Fraktion, um diese Situation zu entspannen.
siv mit diesem Thema beschäftigt hat. Ich darf in diesem Zusammenhang an die letzte Ausschussreise des Wirtschaftsausschusses in die Region Samara erinnern, bei der wir uns mit den russischen Gesprächspartnern darin einig waren, dass Sanktionen der völlig falsche Weg sind, wenn der politische Dialog versagt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns heute ehrlicherweise die Wirkungen der Sanktionen anschauen, dann müssen wir erkennen, dass diese nahezu ins Leere gelaufen sind. All das, was deutsche Unternehmen nicht liefern durften, haben asiatische und zum Teil amerikanische Unternehmen geliefert.
Politisch aber hat sich in der Ukraine wenig bewegt. Allenfalls der Waffenstillstand im Osten darf als kleinstmöglicher Nenner politischer Bemühungen betrachtet werden. Mit den Wirtschaftssanktionen hat dies aber wenig zu tun.
Auch die aktuelle Krise der russischen Wirtschaft ist eine hausgemachte Krise, die im Wesentlichen auf dem rasanten Ölpreisverfall und auf der damit einhergehenden Rubelabwertung beruht. Auch aus dieser nüchternen Betrachtung heraus fordert meine Fraktion von der Bundesregierung und der EU, keine weitere Verlängerung der Sanktionen mit Russland vorzusehen, sondern sie im Dialog mit Russland Schritt für Schritt aufzuheben;
denn diese Sanktionen sind auf lange Sicht wenig geeignet, um politische Zielsetzungen zu beeinflussen oder zu erreichen, erst recht in einer globalisierten Wirtschaftswelt.
Damit Sie mich als Wirtschaftspolitiker nicht falsch verstehen: Natürlich verknüpfen wir das Ende der Sanktionen mit den Fortschritten beim Minsker Friedensabkommen.
Meine Damen und Herren! Die Signale aus Kiew sind aus meiner Sicht besorgniserregend. Sollte sich der Internationale Währungsfonds zurückziehen, ist es seitens der EU unmöglich, die Ukraine wirtschaftlich zu retten.
Allein aus diesem Grund müssen die bilateralen Gespräche mit Russland aufgenommen werden. Wir brauchen eine neue Form des Dialogs, von mir aus auch einen Neubeginn. Europa wird sich ohne ein stabiles Russland dauerhaft in schwierigem Fahrwasser bewegen. Ich betrachte das Auslaufen der Sanktionen als einen ersten wichtigen Schritt im Hinblick auf die politische Entspannung zwischen der EU und Russland.
Wir lehnen den Antrag der AfD ab, obwohl wir, was die Zielsetzung angeht, im Wesentlichen gar nicht so weit auseinander sind,
man kann ein Ende der Sanktionen nicht einfach fordern, ohne den Kontext der Entstehung und der politischen Gesamtlage zu beleuchten.
noch zusätzlich mit, dass wir neben den Sanktionen auch die oft langwierigen Prüfverfahren des BAFA im Rahmen der Dual-Use-Verordnung im Blick haben, die zu signifikanten Lieferverzögerungen
und oftmals zu Kundenabwanderungen führt. Ich werbe deswegen ausdrücklich für den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen, der, denke ich, unsere Zielsetzungen am besten aufnimmt. - Vielen Dank für die Minute, Frau Präsidentin.
Vielen Dank. - Der nächste Debattenredner ist Herr Gallert von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort, bitte.