Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/4310

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/4410

Einbringerin ist die Abg. Frau Heiß. Frau Heiß, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab muss ich sagen, es fällt mir etwas schwer, nach den letzten vier Stunden hier einfach so routiniert das nächste Thema abzuhandeln. Aber gut, versuchen wir es.

Die Badesaison hat begonnen, und auch wenn Herr Farle es leugnet, es wird wärmer.

(Zustimmung bei der LINKEN - Heiterkeit bei der SPD)

Sicherlich ist Ihnen der lange, heiße und trockene Sommer des vergangenen Jahres noch gut in Erinnerung. Viele Frei- und Schwimmbäder hatten eine Rekordsaison. Die zusätzlichen Eintrittsgelder haben dazu beigetragen, dass sich die oftmals defizitären Bäder noch ein weiteres Jahr über Wasser halten konnten. Aber wie wird es in diesem Jahr sein?

Und wie wirkt sich die desolate finanzielle Lage der Bäder auf die Schwimmfähigkeit unsere Kinder aus? Schwimmen sollte so selbstverständlich sein wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Aus gutem Grund ist Schwimmen verpflichtender Teil des Unterrichts in der Grundschule.

Dass Schwimmen dennoch nicht selbstverständlich ist, zeigen uns immer wieder die statistischen Zahlen und Ergebnisse, die die DLRG regelmäßig herausgibt. Unsere Kleine Anfrage zu dem Thema hat ergeben, dass am Ende der vierten Klasse nur 75 % der Kinder sicher schwimmen können und 8 % der Kinder noch immer Nichtschwimmer sind.

Wann ein Kind ein sicherer Schwimmer ist, definiert die Empfehlung der Kultusministerkonferenz.

Sicheres Schwimmen heißt, mindestens das Schwimmabzeichen in Bronze zu schaffen. Das schaffen in Sachsen-Anhalt eben nur drei von vier Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit. Das ist zu wenig.

Schwimmen ist und bleibt ein unverzichtbarer Teil des Bildungsauftrags. Schwimmen ist dabei mehr als nur Sportunterricht. Anders als Fußball oder Turnen ist Schwimmen eine Kulturtechnik, die im Ernstfall Leben rettet. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kinder in diesem Land weiterhin sicher schwimmen lernen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In den vergangenen Jahren sind die Möglichkeiten in Sachsen-Anhalt, schwimmen zu lernen, immer weniger geworden. Jedes vierte

Schwimmbad wurde seit dem Jahr 1990 geschlossen; das sind mehr als 65 Schwimmbäder. Insbesondere im ländlichen Raum werden die Wege zu den Schwimmbädern immer länger. Von einem flächendeckenden Netz kann in einigen Regionen Sachsen-Anhalts nicht mehr die Rede sein.

Lange Wege zu den Schwimmbädern führen außerdem zu übervollen Stundenplänen; denn mitunter nimmt der Schwimmunterricht mit An- und Abreise den gesamten Schultag ein, sodass alle anderen Fächer, die sonst auf fünf Tage verteilt werden können, in vier Tage gequetscht werden.

Was wir außerdem im Land beobachten können, ist ein Wandel von reinen Sportbädern hin zu Spaßbädern. Eine Rutsche hinunterzurutschen und im Wellenbad zu planschen macht aber noch keinen sicheren Schwimmer.

Der Betrieb von Schwimmbädern ist nach jetzigem Recht eine freiwillige Aufgabe der Kommunen. Gleichzeitig sind Schwimmbäder Orte der gesellschaftlichen Begegnung, von Sport- und Freizeitgestaltung und Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Nun ist der Betrieb von Schwimmbädern an sich defizitär und unsere Kommunen sind nicht ganz so üppig mit Finanzmitteln ausgestattet, wie es der Finanzminister uns gern erzählt. Wir dürfen die Kommunen an dieser Stelle aber nicht im Stich lassen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt sieht das übrigens genauso und fordert, dass Freibäder nicht länger grundsätzlich als freiwillige Aufgabe angesehen werden sollten, damit die Mittel in finanziell schwierigen Zeiten nicht einfach gestrichen werden können.

Auch andere Einrichtungen werden zwar als freiwillige Aufgabe angesehen, sie haben aber auf

grund ihres öffentlichen Bildungsauftrages eine immense Bedeutung. Dazu zählen beispielsweise öffentliche Musikschulen, Bibliotheken oder Jugendklubs. Auch Schwimmbäder brauchen in diesem Sinne eine Aufwertung und die Kommunen mehr Unterstützung durch das Land.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Sanierungsstau in den kommunalen Schwimmbädern liegt laut Antwort auf unsere Kleine Anfrage bei rund 40 Millionen €. An dieser Stelle müssen wir ansetzen mit einem Programm, das den Kommunen hilft, notwendige Sanierungen durchzuführen und weitere Schließungen zu verhindern.

Denn wenn die Zahl der Nichtschwimmer weiter ansteigt, befinden wir uns bald in einem Teufelskreis. Wo kein Schwimmbad ist, kann man nicht schwimmen lernen. Wer nicht schwimmen lernt, wird höchstwahrscheinlich auch nie Rettungsschwimmer. Und wo es keine Rettungsschwimmer gibt, kann auch kein Schwimmbad betrieben werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dass es in Sachsen-Anhalt überhaupt noch 22 Schwimmhallen und 110 Freibäder gibt, ist der Kreativität vieler Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei der Finanzierung zu verdanken

(Zustimmung bei der LINKEN)

und auch den vielen ehrenamtlichen Helfern vor Ort. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen, die uns die Kreativität und das Engagement verdeutlichen.

Das Schwimmbad in Niederndodeleben im Landkreis Börde konnte bis weit nach der Wende durch die Gemeinde betrieben werden. Dann aber bekam das damals noch eigenständige Dorf Finanzprobleme. Um das Schwimmbad weiterhin betreiben zu können, gründete sich im Jahr 2014 ein Schwimmbadverein, der das Bad pachtete. Dank der ehrenamtlichen Arbeit der vielen Vereinsmitglieder konnte der Betrieb des Freibades vorerst aufrechterhalten werden.

Doch leider reichte das Geld nicht, um das eigentliche Problem zu lösen; denn das Bad in Niederndodeleben ist noch immer auf DDR-Standard und damit veraltet. Vor allem eine moderne Filteranlage fehlt.

Vom Gesundheitsamt gab es glücklicherweise über Jahre hinweg Ausnahmegenehmigungen für den Betrieb. Aber im Jahr 2017 war damit Schluss. Aufgrund hoher Keimbelastungen musste das Bad geschlossen werden. Das ist auch heute noch so.

In Niederndodeleben gibt es nun dank eines Bundesprogrammes Hoffnung. Für die Sanierung des Bades werden ungefähr 3,7 Millionen € benötigt,

rund 2 Millionen € davon kommen vom Bund. Wenn alles gut läuft, dann kann das Bad in der Sommersaison 2021 wieder öffnen, und dann sogar mit moderner Filteranlage.

Was jedoch nach wie vor ungeklärt ist, das sind die jährlich auftretenden Betriebskosten in Höhe von ca. 200 000 €. Mit Einnahmen von 30 000 € im Jahr kommt der Verein nicht weit.

Ein anderes, aber auch sehr kreatives und vom Ehrenamt getragenes Betreibermodell wurde in Langenweddingen gefunden. Hier ist die Kommune weiterhin Betreiber, ein im Jahr 2012 gegründeter Verein kümmert sich um den Unterhalt des Bades und trägt die Personal- und Sachkosten.

Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger vor Ort hat es ermöglicht, das Freibad in den vergangenen Jahren etwas zu erneuern, sodass es weiterhin geöffnet bleiben kann.

Wie wichtig das Freibad im Ort ist, zeigt die Anzahl der Vereinsmitglieder. Von den rund 2 000 Einwohnern sind gut 200 Mitglied des Vereins. Durch das große Engagement konnte in den vergangenen Jahren nicht nur der Badebetrieb aufrechterhalten, sondern sogar Schwimmunterricht angeboten werden.

Im Jahr 2018 wurden sogar 70 Schwimmstufen abgenommen, vom Seepferdchen bis zum GoldAbzeichen. Das ist für ein kleines Schwimmbad in der Börde eine wirklich erstaunliche Zahl, die zeigt, dass ein großer Bedarf an Schwimmbädern vorhanden ist.

Doch auch in Langenweddingen gibt es einen großen Sanierungsbedarf. Das Becken muss erneuert werden, eine Filteranlage wird benötigt und ein neues Toilettengebäude ist notwendig. Der Sanierungsbedarf wird auf ungefähr 1 Million € geschätzt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt zahlreiche solcher Beispiele in Sachsen-Anhalt. Ohne das große Engagement der Menschen vor Ort sähe die Statistik der Nichtschwimmer und Badeunfälle in diesem Land deutlich schlechter aus.

Wir sehen das Land in der Pflicht, sich finanziell und strukturell mehr zu engagieren. Wir fordern daher einen Schwimmbadfonds im Umfang von jeweils 5 Millionen € für die Jahre 2020 und 2021, aus dem die Kommunen Geld für die Sanierung der Bäder und deren Betrieb erhalten können.

Außerdem soll die Landesregierung regelmäßig über die Entwicklung und die Anforderungen an den Schwimmbadfonds berichten und die personelle Situation in den Schwimmbädern absichern.

Eine Aufnahme des Schwimmens als eigenständigen Leistungsnachweis in das Grundschulzeug

nis können wir uns vorstellen, weil dies das Bewusstsein für die Schwimmfähigkeit unserer Kinder schärft und das Schwimmen aufwertet. Kinder bis zum 14. Lebensjahr sollten zudem gebührenfreien Zugang zu Schwimmbädern erhalten. Geld darf keine Hürde dafür sein, auch außerhalb der Schulzeit Schwimmen zu lernen.

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, noch einige Worte zu Ihrem Alternativantrag. Ich musste etwas lachen, als ich ihn las; denn mit Ihrem Antrag haben wir nun einen Schwimmbadfonds ohne Schwimmbadfonds.

Außerdem ist der Antrag mitnichten eine Alternative, sondern eher eine Änderung. Sie haben drei von unseren fünf Punkten übernommen und noch einen eigenen hinzugetan. Alle Maßnahmen, die zu einer schnellen Verbesserung der Situation für die Menschen und für die Kommunen führen würden, nehmen sie einfach heraus. Es gibt also kein Geld für die Bäder und kein Geld für die jungen Menschen.

Obwohl Sie selbst der Begründung zu Ihrem Alternativantrag von einem offensichtlichen Sanierungsstau sprechen, ergehen Sie sich lieber in Prosa. Das wundert mich sehr, haben Sie doch in Ihren Reihen Kolleginnen und Kollegen, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen.

So hat zum Beispiel Herr Meister im Jahr 2018 eine Kleine Anfrage zu Schwimmbädern gestellt.

(Olaf Meister, GRÜNE: Ja!)

Einige der Fakten entstammen der Anfrage. Offensichtlich ist bei ihm Interesse für dieses Thema vorhanden.