Protokoll der Sitzung vom 30.08.2019

„Unser Ziel ist eine Trennung zwischen Investorenbetreuung, Landesmarketing und Tourismus. Der Tourismus muss künftig in die Hände der Tourismusbranche selbst gelegt werden.“

Das ist genau das Gegenteil dessen, was in diesem Antrag steht, und übrigens - damit hat Holger Hövelmann recht - auch dessen, was im Koalitionsvertrag steht. Aber ich bin in der Opposition und der Koalitionsvertrag ist mir erst einmal egal. Er interessiert mich nur an dieser Stelle, weil dazu einmal etwas Vernünftiges darin steht.

Nun kann ich, wenn ich Ihre Überraschung zur Grundlage nehme, nachdem Sie diesen Antrag gelesen haben und völlig überrascht waren, dass ich mich jetzt auf diese Äußerung konzentriere, davon ausgehen, dass Sie in der Staatskanzlei die Position des Kollegen Zimmer zu diesem Thema bisher offensichtlich noch nicht erreicht hat. Denn ansonsten könnten Sie nicht überrascht sein, dass das heute hier thematisiert wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu sage ich mit einem leicht ironischen Unterton: Das beruhigt mich nun wieder; denn dann wird es offensichtlich nicht so hart wie angekündigt.

Herr Thomas, was steht in dem Antrag? - In dem Antrag steht: Eine solche Werbung mit billigen

Arbeitskräften und billigem Land und viel Fördermitteln muss der Vergangenheit angehören.

(Ulrich Thomas, CDU: Wer wirbt denn mit billigen Arbeitskräften?)

Das ist das Typische: Wenn Sie nicht mehr weiter wissen bei unseren Anträgen, dann gehen Sie, Herr Thomas, nach vorn und sagen: Vor 1989 haben Sie …

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dazu sage ich: So weit müssen wir in dieser Frage nicht zurückgehen. Wir haben noch Flyer von Landesmarketinginstitutionen, die noch keine zehn Jahre alt sind,

(Zuruf von André Poggenburg, fraktionslos)

in denen ausdrücklich von niedrigen Löhnen und geringer Gewerkschaftsbindung als Investorenvorteile gesprochen wird.

(Ulrich Thomas, CDU: Schon zehn Jahre her!)

Wissen Sie das nicht mehr? Ist Ihr Gedächtnis an der Stelle schon so weit weggedrückt worden? - Interessanterweise erinnern Sie sich an Zeiten vor 40 Jahren immer besser als an Zeiten von zehn Jahren. Das fällt mir in diesem Kontext schon auf.

(Zustimmung bei der LINKEN - Ulrich Tho- mas, CDU: Aber das waren die Schlimms- ten!)

Insofern sind die Dinge eigentlich klar. Wir wissen, worum es geht. Wir wollen eigentlich, dass wir diese strategische Diskussion nicht wieder in der Bereinigungssitzung zum Haushaltsplan beginnen,

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Ja!)

bei der dann auf einmal wieder irgendwelche Zahlen auftauchen, über die sich alle wundern. Auf die Frage: Was wollt ihr eigentlich mit dem Geld machen?, wird dann gesagt: Darüber denken wir noch nach. - Das sollte genauso der Vergangenheit angehören. Deswegen liegt unser Antrag vor. Ich finde es richtig, dass er überwiesen wird. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Dann danke ich Herrn Gallert für den Redebeitrag.

Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Ich konnte wahrnehmen, dass der Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung überwiesen werden soll. Wer für die Überweisung dieses Antrages ist, den bitte ich

um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen und zwei fraktionslose Abgeordnete. Wer stimmt dagegen? - Das sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Eine Stimmenthaltung eines fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist dieser Antrag an den Ausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 30 ist erledigt.

Wir kommen nun zu dem

Tagesordnungspunkt 31

Erste Beratung

Verfassungsauftrag wahrnehmen - Staatskirchenleistungen ablösen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/4774

Einbringer ist der Abg. Herr Gallert. Herr Gallert, Sie haben das Wort.

(Minister Marco Tullner: Schon wieder!)

Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich freue mich auch, dass der Kollege Bildungsminister sich darüber freut, dass ich wieder hier vorn stehe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte schon ein ziemlich einmaliger Vorgang sein, dass anlässlich des 100. Jahrestages des Bestehens eines Verfassungsauftrags im Parlament darüber diskutiert wird, wie wir jetzt vielleicht beginnen können, diesen umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber genau das ist die Situation, vor der wir stehen. Nun will ich nicht sagen, dass wir hier das erste Mal darüber reden. Meine Vorgängerin in dieser Funktion Frau Dr. Helga Paschke hat das in der letzten Legislaturperiode hier von diesem Pult aus schon ganz intensiv getan. Allerdings waren die Reaktionen damals sehr eigenartig. Von kirchenfeindlichem Verhalten und Ähnlichem war damals die Rede, was einem so widerfahren kann, wenn man die Verfassung ernst nimmt.

Aber kommen wir zu den eigentlich in Rede stehenden Regelungen. Man muss bei Dingen anfangen, die vielen Menschen - das merke ich immer wieder - nicht bekannt sind. In den meisten - nicht in allen - Ländern der Bundesrepublik gibt es Verträge zwischen den Ländern und der katholischen und der evangelischen Kirche, die die Zahlung von sogenannten Staatskirchenleistungen regeln. Bei uns ist das sozusagen integrierter Bestandteil eines jeweiligen Paragrafen eines Kirchenstaatsvertrages, der ganz viele Dinge regelt, sowohl bei dem Staatsvertrag mit der evan

gelischen Kirche als auch bei dem Staatsvertrag mit der katholischen Kirche.

Diese Zahlungen - das muss ich betonen - haben nichts, aber auch gar nichts mit irgendwelchen Wohlfahrtsaufgaben, die kirchliche Institutionen genauso wie DPWV oder AWO oder viele andere wahrnehmen, zu tun. Damit haben sie nichts zu tun. Das, was die Kirchen an staatlichem Geld für die Aufgaben erhalten, die sie in kirchlicher Verantwortung oder in kirchlichen Strukturen übernehmen, bekommen sie jenseits dieser Leistungen.

Die Staatskirchenleistungen haben auch nichts mit den Einnahmen aus der Kirchensteuer zu tun, die - das ist eine einzigartige Besonderheit im bundesdeutschen politischen System - von dem Staat für die Kirchen eingenommen werden. Auch damit haben die Staatskirchenleistungen nichts zu tun.

Die hier in Rede stehenden Leistungen sind Gelder, die der Staat der Kirche zur Abgeltung älterer Rechtstitel bezahlt. Nun ja. Fragt man etwas genauer, was diese älteren Rechtstitel sind, dann werden meist die Säkularisierungen von Kircheneigentum zum Beginn des 19. Jahrhunderts angeführt, die durch jährliche Zahlungen aus dem Staatshaushalt ausgeglichen werden sollen. Welche älteren Rechtstitel dies allerdings in SachsenAnhalt sind und welche Berechtigung für die Zahlung von 35 Millionen € jährlich an die beiden von mir genannten Kirchen besteht, das bleibt bisher zumindest für uns im Dunkeln; es entzieht sich leider unserer Kenntnis.

Es dürfte insbesondere von Interesse sein, dass die quantitative Summe dieser Rechtstitel in Sachsen-Anhalt pro Einwohner zehnmal so hoch ist wie die in Nordrhein-Westfalen. Die Kirchen müssen hier sozusagen ein unwahrscheinlich großes Volumen an älteren Rechtstiteln haben, die sie woanders nicht hatten.

Die Frage an der Stelle ist schon: Wie kommt es zu so unterschiedlichen Bezahlungen? - Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Auch in den ostdeutschen Ländern sind diese Dinge extrem differenziert. Eine Darstellung in einer Tabelle in der „Volksstimme“ war dabei nicht ganz richtig. Auch in Ostdeutschland ist Sachsen-Anhalt das Land mit den höchsten Pro-Kopf-Zahlungen in diesem Bereich.

Jetzt will ich noch etwas zu einem Thema sagen, das ich hier überhaupt nicht aussparen will. Bei diesen Zahlungen geht es ausdrücklich nicht darum, eine Wiedergutmachung für das Unrecht, das die Kirchen in der DDR erlitten haben, zu leisten. Darum geht es ausdrücklich nicht. Ich will es noch einmal klar sagen: Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in der DDR war differenziert und

kompliziert, aber es war zweifellos von einer strukturellen Diskriminierung von Kirchengliederungen und von Kirchenmitgliedern geprägt.

Ich sage auch als Vertreter meiner Partei noch einmal ganz deutlich: Für dieses Unrecht hat die SED die Verantwortung. Wir werden dieses Unrecht nicht leugnen und auch nicht vergessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber ich sage auch ganz klar: Auch nach Darstellungen von Kirchenrechtlern und nach Darstellungen der Kirchen haben diese Zahlungen, um die es hier geht, damit nichts zu tun.

Nun kann man sich als Nächstes die Frage stellen, warum in der Weimarer Reichsverfassung und danach im Grundgesetz die Ablösung dieser Leistungen gefordert wurde, deren Anteil im Landeshaushalt sich übrigens seit Beginn 90er-Jahre fast verdoppelt hat. Im Wesentlichen geht es dabei um die Trennung von Staat und Kirche. Unsere grundgesetzliche Ordnung kennt keine Staatskirche. Deswegen ist es auch logisch, dass die laufenden Kosten dieser Institution nicht aus dem Staatshaushalt finanziert werden können.

Allerdings - das besagen sowohl die Weimarer Reichsverfassung als auch das Grundgesetz - geht es nicht einfach um die Einstellung dieser Zahlungen, wie ich dies vor allen Dingen aus den Reihen der AfD gehört habe. Vielmehr geht es um die Ablösung. Unser Antrag besagt nichts anderes, als dass eine Kommission gebildet werden soll, in der die Modalitäten dieser Ablösung vorgeschlagen und besprochen werden - und zwar mit allen Beteiligten, das heißt mit der Landesregierung, den betroffenen Kirchen und dem Gesetzgeber in diesem Land.

Warum glauben wir, dass das funktionieren kann? - Einfach deshalb, weil wir glauben, dass sich alle drei Institutionen dem Grundgesetz verpflichtet fühlen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eigenartigerweise meint aber zum Beispiel der Ministerpräsident dieses Landes, dass man einen solchen Prozess erst dann einleiten könne, wenn der Bund dazu ein Grundlagengesetz verabschiedet habe. Das sehen wir ausdrücklich nicht so. Ebenso wie wir sieht das übrigens auch die Bundesregierung überhaupt nicht so. Diese hat nämlich im Jahr 2014 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE ausdrücklich Folgendes geantwortet - jetzt zitiere ich -: