Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

Sehr geehrte Damen und Herren! Ihnen liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Petitionen in der Drs. 7/5549 für den Zeitraum 1. Juni 2019 bis 30. November 2019 vor. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, die in den Anlagen 1 bis 14 aufgeführten Petitionen mit Bescheid an die Petenten für erledigt zu erklären. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Buchheim für die Erläuterung der Beschlussempfehlung.

Wir kommen nun zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen über die Beschlussempfehlung in der Drs. 7/5549 ab. Der Ausschuss für Petitionen empfiehlt, die in den Anlagen 1 bis 14 aufgeführten Petitionen mit Bescheid an die Petenten für erledigt zu erklären. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist das komplette Haus. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Stimmenthaltungen? - Ein fraktionsloser Abgeordneter.

Jetzt habe ich eine Frage. - Frau Buchheim, wird über die Anlagen 15 und 16 abgestimmt?

(Christina Buchheim, DIE LINKE: Das habe ich in meinem Bericht erwähnt! Das ist er- ledigt!)

- Es ist alles erledigt. Gut, dann ist das in Ordnung. Das habe ich dann überhört. Die Anlagen 15 und 16 nimmt der Landtag zur Kenntnis. Damit ist der Tagesordnungspunkt 12 erledigt.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 13

Erste Beratung

Pflegende entlasten - Pflegewohngeld ermöglichen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/5460

In der Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Einbringerin ist die Abg. Frau Zoschke. - Frau Zoschke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute nicht zum ersten Mal über die rasante Entwicklung der Kosten in den stationären Einrichtungen in der Trägervielfalt unseres Landes. Das lässt die Schlussfolgerung zu: Wir haben keine Erkenntnisprobleme.

Zu unseren Erkenntnissen gehören:

Erstens. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II wurde der sogenannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil eingeführt.

Zweitens. Zu dem einrichtungseinheitlichen

Eigenanteil, den jede Bewohnerin, jeder Bewohner zu entrichten hat, kommen für den Einzelnen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, die Investitionskosten, die Ausbildungsumlage und die Kosten für definierte Zusatzleistungen hinzu.

Drittens. In einem Pflegeheim sind ca. 75 % der anfallenden Kosten Personalkosten.

Viertens. Das Kostenniveau in Sachsen-Anhalt ist im Vergleich zu dem anderer Bundesländer, im Besonderen im Vergleich zu den westdeutschen Bundesländern, auf einem sehr niedrigen Stand.

Fünftens. Alle Kostensteigerungen bis heute und, wenn sich daran nichts gravierend etwas verändert, auch zukünftig gehen zulasten der Pflegebedürftigen und führen für viele zu existenziellen Problemen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sechstens. Die Mehrzahl der Träger stationärer Einrichtungen im Land signalisiert eindeutig einen gewachsenen Bedarf an Investitionen. Auch diese Kosten werden zulasten der Bewohnerinnen und Bewohner zu Buche schlagen.

Diese aufgelisteten Erkenntnisse dürften unstrittig sein. Auch bei den Ursachen für diese Situation wird es kaum gravierende Differenzen geben. Die Pflegeversicherung ist nur eine Teilleistungsversicherung. Sie deckt also nicht alle anfallenden Kosten für die Betroffenen ab.

Die Lohnsituation für das Pflegepersonal führt zur Flucht aus dem Beruf. Fach- und Hilfskräfte sind unterbezahlt und überarbeitet. Sie alle erhalten also nicht den guten Lohn für gute Arbeit. Der notwendige einheitliche und flächendeckende Tarifvertrag für Pflegekräfte ist noch nicht in Sicht. Daran wird wohl aktuell in Berlin gearbeitet - das lässt hoffen.

Allerdings müssen sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in allen Branchen bereits heute aufgrund des vorherrschenden Fachkräftemangels etwas einfallen lassen, um Fachkräfte zu gewinnen, auszubilden und auch im Unternehmen zu halten. Das gilt selbstverständlich auch für die Pflegebranche.

Mehr Lohn und Gehalt für Fach- und Hilfskräfte im Pflegebereich sind dringend notwendig, aber dies allein wird es auch nicht richten. Viele im Pflegebereich Tätige, unabhängig davon, ob sie stationär oder im ambulanten Pflegedienst tätig sind, fordern eine Veränderung der Arbeitsbedingungen. Das reicht von mehr Kolleginnen und Kollegen bis hin zur Gestaltung der Arbeitszeit. All dies verursacht Kosten und wird sich ebenfalls auf die Heimkosten auswirken. Diese Arbeitsbedingungen spielen eine immer größere Rolle und müssen selbstverständlich gegenfinanziert werden.

Darüber hinaus wirkt sich auch der demografische Wandel in mehrfacher Hinsicht auf die gegenwärtige Situation aus. Dafür stehen zum Beispiel folgende Facetten: Der Anteil älterer und pflegebedürftiger Menschen mit Multimorbidität steigt.

Pflegekräfte sind bereits jetzt rar und genau dieser demografische Wandel lässt die Anzahl verfügbarer Pflegekräfte auch weiterhin sinken.

Um die Lebens- und Wohnsituation der Pflegebedürftigen zu verbessern, hat der Gesetzgeber die Träger aufgefordert, der Schaffung von mehr Einbettzimmern mit eigenem Sanitärbereich größere Aufmerksamkeit zu schenken. Für viele der Einrichtungen hat dies größere Umbaumaßnahmen zur Folge. Hinzu kommen außerdem Maßnahmen, die sich aus anderen gesetzlichen Notwendigkeiten ergeben, so zum Beispiel aus dem Brandschutz.

Dies wird den Kalkulationsrahmen der Träger erweitern und damit zu Kostensteigerungen führen, die die Heimkosten weiter in die Höhe treiben. Das wissen viele im Raum. Wir diskutieren darüber auch schon eine gefühlte Ewigkeit.

Einige Träger signalisieren große Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation. Selbstverständlich sind die Lösungsansätze vielfältig und bunt. Vielleicht sind wir uns aber auch darin einig, dass die Einnahmesituation der Pflegeversicherung verbessert werden muss. Das Wie der Verbesserung der Einnahmesituation der Pflegeversicherung wird uns wahrscheinlich schon wieder auseinandertreiben.

Unsere Lösungsvariante ist die Bürgerinnenversicherung, in die alle Einkommensarten einzahlen und die als solidarische Versicherung dann auch alle Ausgaben bestreitet.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies haben wir hier und an anderer Stelle bereits mehrmals erläutert.

Ab und an ist im politischen Raum zu hören, dass auch in anderen Parteien diskutiert und gestritten wird, und dies immer sehr ergebnisoffen. So bleibt es spannend, wie sich der Zieleinlauf irgendwann gestalten wird. Darauf können wir aber nicht warten. So interessant die Diskussionen darüber auch sind; die Interessenlagen der Betroffenen verlangen eine akzeptable und machbare Entscheidung, und das jetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

So sind wir davon überzeugt, dass wir im Land etwas tun können und auch müssen. Konkrete Maßnahmen und Unterstützungen, die die Situation der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich verbessern und die für alle Seiten machbar und transparent sind, erwarten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen von uns, und das, bevor sich im Bund etwas tut.

Eine Möglichkeit, die wir sehen, ist die Schaffung eines Pflegewohngeldes. Dies ist im zuständigen Ausschuss zwar angesprochen, aber nicht weiter

diskutiert worden. Wir sind davon überzeugt, dass das Pflegewohngeld durchaus eine Lösung sein kann.

Träger von stationären Einrichtungen signalisieren die Notwendigkeiten eines akuten Investitionsbedarfs. Mehr Einzelzimmer mit eigenem Sanitärbereich, die Auflagen des Brandschutzes, aber auch allein die Tatsache, dass die meisten stationären Einrichtungen seit nunmehr 20, 25 Jahren in Gebrauch sind und damit in die Jahre gekommen sind, erklären die finanziellen Notwendigkeiten für Sanierung, Renovierung, Umbau einschließlich der Erneuerung der notwendigen Gebrauchsmöbel.

All diese Kosten sind umlagepflichtig bzw. umlagefähig. Dies führt permanent dazu, dass die Heimkosten für jede Bewohnerin, jeden Bewohner steigen. Um diesen Prozess etwas abzufedern, ist die Schaffung eines Pflegewohngeldes eine Möglichkeit, die jedes Land, also auch wir hier in Sachsen-Anhalt, hat.

Pflegewohngeld wird bereits in Mecklenburg-Vorpommern, in Schleswig-Holstein und in NordrheinWestfalen gezahlt. Aus den diversen Richtlinien und Gesetzestexten lässt sich schlussfolgern, dass das Pflegewohngeld ein bewohnerzentrierter Zuschuss zur Finanzierung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen vollstationärer

Dauerpflegeeinrichtungen ist. Es ist eine freiwillige Aufgabe und sie liegt demzufolge in unserer Hoheit, in unserem Ermessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Leistung ist einkommensabhängig, wird vom Sozialhilfeträger bezahlt und ist an den anfallenden Kosten ausgerichtet, insbesondere im investiven Bereich. Sie wird nicht gewährt, wenn Einkommen und Vermögen des Einzelnen bestimmte Grenzen übersteigen. Das Pflegewohngeld wird nicht an die Pflegebedürftigen ausgezahlt, sondern den Pflegeheimen bzw. deren Trägern nach deren Antragstellung überwiesen. Dies hat selbstredend den Charme, dass der Einzelne nicht mit einer umfangreichen Antragstellung belastet ist. Dies erledigen die Träger bzw. die jeweilige Einrichtung nach den Vorgaben des Sozialhilfeträgers.

Wir können die Einkommensgrenze, bis zu der es einen Anspruch geben soll, die Höhe des Pflegewohngeldes und die Bedingungen, die zu erfüllen sind, selbst regeln. Damit kann das Pflegewohngeld ganz konkret und nachhaltig die Situation derjenigen Pflegebedürftigen verbessern, deren Einkommen nicht mehr ausreicht, um alle Heimkosten zu begleichen, und denen aktuell nur der Gang zum Sozialamt bleibt.

Es geht in den meisten Fällen um Pflegebedürftige, die trotz eines langen arbeitsreichen Lebens

eben nicht in der Lage waren, Vermögen anzuhäufen, oder um Pflegebedürftige, die nach 1989 eine sehr wechselvolle Karriere auf dem zweiten Arbeitsmarkt erlebt haben, immer wenig verdient haben und denen aktuell tatsächlich nur der Gang zum Sozialamt bleibt, weil sie die gestiegenen und steigenden Heimkosten aus eigenem Vermögen nicht aufbringen können.

Die Anzahl der Betroffenen steigt. Dies ist unter anderem auch in den kommunalen Haushalten ersichtlich. Damit ist das Pflegewohngeld auch eine Möglichkeit, Altersarmut zu mildern bzw. zu verhindern.