Protokoll der Sitzung vom 25.02.2022

Sie können mir als Juristen zutrauen, dass ich Sachverhalte lesen kann. Ich habe Ihnen auch zugehört. Das, was Sie hier machen, ist im Grunde genommen - - Sie haben eine Steig- bügelhalter-Debate geführt. Sie haben versucht, über das Thema der FachkräŌe Ihre Zuwanderungsaversion nach vorn zu bringen. Nichts anderes war der Fall.

(Beifall)

Danke, Herr Silbersack. - Für die FrakƟon BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Striegel.

SebasƟan Striegel (GRÜNE):

Nach den Vorrednern kann man es eigentlich sehr, sehr kurz machen. Sie wollen über MigraƟon oder RemigraƟon reden, meine Herren und Damen von der AfD. Ich verweise da auf die hervorragende und nach wie vor nachlesenswerte Studie „Potenziale gesteuerter Zuwanderung für eine nachhalƟge Landesentwicklung in Sachsen-Anhalt“ des InsƟtutes für Landeskunde in Leipzig.

Die Schlussfolgerungen daraus haben wir mit unserem Antrag für ein willkommensfreund- liches Sachsen-Anhalt „Geordnete Zuwanderung ermöglichen“, der gerade zur Bearbeitung in verschiedenen Ausschüssen liegt, gezogen. Es ist an der Zeit, dass die KoaliƟonsfrakƟonen jetzt bei dem Thema auch einmal ein bisschen in Bewegung kommen und diesen Antrag tatsächlich beraten. Ansonsten gilt für Sie, meine Damen und Herren von der AfD, weiterhin: Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

(Zustimmung)

Danke. -Für die SPD spricht jetzt Frau Dr. Richter-Airijoki. - Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Japan als migraƟonspoliƟsches Vorbild - dieser Antrag reflekƟert auf einen bundespoliƟschen Programmpunkt der AfD, groß angekündigt, als Paradigmenwechsel. Eingetreten ist der Paradigmenwechsel allerdings in Japan mit einem neuen, Anfang 2019 erlassenen Gesetz. Es sieht die Anwerbung hoch qualifizierter, aber auch angelernter und anzulernender ArbeitskräŌe aus dem Ausland vor,

(Beifall)

und zwar ohne die Beschränkung auf sogenannte RemigraƟon von Menschen japanischer Abstammung. Das neue Gesetz entstand aus schierer Notwendigkeit.

Auch wenn in Japan z. B. schon Pflegeroboter im Einsatz sind und sogar die KommunikaƟon übernehmen, ist der Bedarf an ArbeitskräŌen groß. Die Pflege ist nur ein Beispiel dafür.

Ich kann hier nicht auf die erforderlichen umfassenden Maßnahmen zur Behebung des FachkräŌemangels eingehen. Vielmehr beschränke ich mich auf das Antragsthema RemigraƟon. RemigraƟon umfasst im Sprachgebrauch der AfD, wenn auch im vorliegenden schriŌlichen Antrag unausgesprochen, nicht nur das Hereinholen, sondern vor allem das Abschieben auf der Basis von Abstammung. Björn Höcke sprach von einem groß angelegten RemigraƟonsprojekt, bei dem man nicht um eine PoliƟk der wohltemperierten Grausamkeit herumkommen werde.

Dieser Antrag ist aus der Zeit gefallen, in mehr als einer Hinsicht. Ich empfehle, ihn abzu-

lehnen. Ich möchte zudem auf Folgendes hinweisen: Wie so viele, wenn in letzter Zeit nicht sogar alle Anträge der AfD-FrakƟon, so hat auch der vorliegende Antrag einen engen Bezug zu PublikaƟonen und Netzwerken des selbst ernannten InsƟtuts für StaatspoliƟk, IfS, in Schnellroda bei Naumburg, im konkreten Fall auch zu einer PublikaƟon von Ihnen, Herr Dr. Moldenhauer.

Das IfS pflegt Gedankengut von Autoren der 1920er- und 1930er-Jahre, die wegbereitend für das NS-Regime waren. Nach eigenen Angaben will es einen geisƟgen Bürgerkrieg führen. Eine IfS-SchriŌ - und zwar diese hier - forderte dazu auf, allgemeines Unbehagen zu mobilisieren.

Der Umsetzung solcher Strategien begegnen wir mitlerweile ständig, auch in diesem Hause. Jede Methode und jeder für Mobilisierung herangezogene Inhalt, egal wie falsch, alles scheint recht zu sein, wenn es darum geht, Misstrauen gegen Prozesse und InsƟtuƟonen des verhassten Systems zu schüren. Mit der Tendenz zu einer immer engeren Anlehnung der AfD an die Vordenker in Schnellroda und deren ideologisches Gepäck sollten wir uns aufmerksam auseinandersetzen. Mit „wir“ meine ich durchaus auch die 21 Herren und die zwei Damen der AfD-FrakƟon selbst. - Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Dr. Moldenhauer.

Vielen Dank. - Sie haben jetzt hauptsächlich zum InsƟtut für StaatspoliƟk gesprochen.

(Zuruf: Stimmt nicht!)

Ja.

Das war im Prinzip natürlich alles Unfug, den Sie von sich gegeben haben.

(Zurufe: Oh! - Zuruf: Den Japan-Teil haben Sie verpasst!)

Keineswegs.

Aber gut, das dürfen Sie tun. Es ist nicht verboten.

(Zuruf: Es ging auch um Japan!)

Abgesehen davon haben Sie auf eine Gesetzesänderung angespielt, die zum 1. April 2019 in KraŌ getreten ist. Zu meiner Studie, die Sie dankenswerterweise auch erwähnt haben -

Von 2018!

genau, vielen Dank für die Werbung - habe ich im Jahr 2019 einen FolgearƟkel in der „Sezession“ geschrieben. Darin geht es um die Anwerbung von 345 000 Gastarbeitern innerhalb von fünf Jahren. Diese bleiben fünf Jahre und dann gibt es eine eingebaute Rückkehrpflicht. Die Gastarbeiter dürfen keine Familienmitglieder

mitbringen. Sie werden aus ostasiaƟschen, also kulturnahen Ländern für TäƟgkeiten in 14 Branchen angeworben und können aufgrund der in Japan höheren Löhne Ersparnisse bilden. Sie kehren dann ihre Heimat zurück und können sich dort im Prinzip wirtschaŌlich enƞalten. Das ist eine runde Sache. Zu allen weiteren Aspekten des japanischen Zuwanderungsmodells sage ich gleich noch etwas.

Darf ich darauf erwidern?

Das dürfen Sie.

Aber auch die neue Einwanderungsbehörde in ihrer jetzigen Form ist 2019 geschaffen worden. Sie bietet Seminare an, wie man Ausländerinnen und Ausländer anlocken kann. Zu dem, was Sie darstellen: Die Anwerbung bezieht sich auf einen kurzen Zeitraum. Die Zahl, die Sie bezüglich der RemigraƟon genannt haben, bezog sich auf einen viel längeren Zeitraum. Dort findet also wirklich ein Paradigmenwechsel stat, aus gutem Grund.

Es gibt noch ein interessantes Buch: „Japan, AbsƟeg in Würde: Wie ein alterndes Land um seine ZukunŌ ringt“. Darin werden die Probleme angesprochen, die Japan jetzt mit diesem Paradigmenwechsel beantwortet. Daraus können wir lernen.

(Zustimmung)

Danke. - Als letzter Debatenredner spricht Herr Dr. Moldenhauer. - Herr Moldenhauer, bite.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! In meinem ersten Redebeitrag bin ich auf das japanische RemigraƟonsprogramm als Vorbild für Sachsen-Anhalt eingegangen. Diese wirtschaŌs-, migraƟons- und idenƟtätspoliƟsche Maßnahme ist Bestandteil des japanischen Zuwanderungskonzeptes, das gerade schon angesprochen wurde. Dem AfD-Bundestagswahlprogramm zufolge - auch das ist richƟg und wurde bereits erwähnt - soll dieses Zuwanderungsmodell als Vorbild für eine NeujusƟerung der deutschen MigraƟonspoliƟk dienen.

Die AfD-FrakƟon fordert auf der Landesebene außerdem eine NeujusƟerung für die sachsenanhalƟsche ZuwanderungspoliƟk. Darum werden wir in den kommenden Monaten weitere Anträge mit Bezug zum japanischen Zuwanderungsmodell einbringen. Ich bin mir sicher, dass Sie diesen Anträgen bereits mit großer Vorfreude entgegenblicken.

Japan zeigt, dass in einer globalisierten Welt der Spagat zwischen der Bewahrung seiner IdenƟtät einerseits und der ökonomischen Prosperität andererseits gelingen kann.

(Zurufe: Welche Prosperität? - Eben nicht!)

Dieser Spagat gelingt durch ein Bündel aufeinander abgesƟmmter Maßnahmen. Diese Maßnahmen stammen aus verschiedenen PoliƟkfeldern und werden miteinander kombiniert. Dazu zählen

• erstens eine restrikƟve und damit inländerfreundliche Asyl- und FlüchtlingspoliƟk,

• zweitens eine großzügige Entwicklungs- und FlüchtlingshilfepoliƟk in den betroffenen Regionen, also vor Ort,

• dritens eine ZuwanderungspoliƟk, die auf der RemigraƟon ausgewanderter ethni-

scher Japaner, einem Gastarbeiterprogramm mit konsequent durchgesetzter Rückkehrpflicht und einer SpitzenkräŌe-AnwerbungspoliƟk basiert;

• viertens eine FamilienpoliƟk, die auf FerƟlitätsanreize zur Anhebung der japanischen Geburtenrate setzt,

(Lachen)

• fünŌens eine Technisierungsstrategie als Strategie zur Zuwanderungsvermeidung und

(Zuruf: Pflegeroboter!)

• sechstens ein WirtschaŌsmodell, das mit dem japanischen Volkscharakter kompaƟbel ist und durch ein knapp gehaltenes ArbeitskräŌeangebot ProdukƟvitäts-, Qualitäts- und InnovaƟonsanreize generiert.