Protokoll der Sitzung vom 25.02.2022

Nun aber ist das Kind in den Brunnen gefallen, wie man sagt. Die Fehlentwicklung ist eingetreten. Viele Schulen im Land glauben, ohne

Schulsozialarbeit nicht mehr auskommen zu können. Wollen wir keine unbilligen Härten in Kauf nehmen, müssen wir deshalb, wie bei einem Drogenabhängigen, die Abhängigkeit langsam und schritweise reduzieren. Das, was wir brauchen, ist eine schritweise RedukƟon und KonzentraƟon der Schulsozialarbeit auf die sozialen Brennpunkte, wo ein echter Bedarf besteht. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die aktuelle Entwicklung als heilsam.

Die Erhöhung des Eigenanteils von 20 % auf 40 % bei den einzelnen Projekten und die Übernahme der zusätzlichen 20 % durch die Kommunen ist der richƟge Weg. Sie bietet zumindest die Chance, Schulsozialarbeit bedarfsgerecht zurückzufahren. Wenn die klammen Kommunen für Schulsozialarbeit Ɵefer in die Tasche greifen müssen, dann ist sichergestellt, dass Schulsozialarbeit künŌig nur noch dort eingesetzt wird, wo man sie wirklich benöƟgt. Dann wird Schulsozialarbeit nicht einfach eingeführt, weil sich alle damit irgendwie besser fühlen - so wurde Schulsozialarbeit in der letzten Legislaturperiode im Bildungsausschuss tatsächlich noch begründet -, sondern dann sind harte Indikatoren, Erfolgsnachweise und ein konkreter Bedarf Voraussetzungen.

Genau dieser Begründung muss sich Schulsozialarbeit stellen. Schulsozialarbeit ist nämlich keine Regelaufgabe, die am besten an jeder Schule etabliert werden sollte, wie sich das die Linken erträumen, sondern sie ist nur als eine punktuelle und übergangsweise Maßnahme dort sinnvoll, wo durch das Versagen der herrschenden PoliƟk soziale Missstände von außerhalb der Schule in die Schule hineinwirken.

Die aktuelle Umstellung der Förderstruktur geht genau in diese Richtung. Sie tut nicht nur dem Schulwesen gut, weil sie eine Fehlentwicklung eindämmt, sondern sie stärkt auch die Grundsätze der Subsidiarität und des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern. Die aktuelle Umstruk-

turierung bringt die Linken zum LamenƟeren. Wir haben an ihr gar nichts auszusetzen.

Vieles bleibt freilich noch zu tun. Auch die neue Förderrichtlinie zur Schulsozialarbeit weist noch viele Schwachstellen auf. Da ist die Verpflichtung zur Geschlechterparität bei mehr als einer VollbeschäŌigteneinheit pro Projekt. Weshalb wieder eine solche Geschlechterquote? Sollte es nicht allein nach QualifikaƟon gehen? Die Richtlinie beantwortet diese Frage selbst. Sie bekennt sich an mehreren Stellen zum GenderMainstreaming, also zu jener internaƟonalen poliƟschen Agenda, die geschlechtsspezifische Unterschiede in allen Lebensbereichen auf- heben will.

Damit nicht genug, wird die Förderung auch auf ein sogenanntes Cultural Mainstreaming verpflichtet, das analog zum Gender-Mainstreaming auf die AuĬebung kultureller Differenzen und damit IdenƟtäten hinarbeiten dürŌe.

Außerdem sollen keine Projekte gefördert werden, in denen die Schulsozialarbeiter unterhalb der Entgeltgruppe E 10 verdienen, was einem EinsƟegsgehalt von 3 400 € entspricht. Das wäre dann also der Schulsozialarbeitermindestlohn. Dieser ist eindeuƟg zu hoch. Ich sage nicht, dass ein Schulsozialarbeiter nicht auch mehr verdienen kann; dass aber bei einer geringeren Entlohnung ein Projekt automaƟsch die Förderfähigkeit verliert, raubt dem Einsatz von Schulsozialarbeit die nöƟge Flexibilität.

Außerdem sollte man den Träger überprüfen. Träger können alle Einrichtungen sein, die nach § 75 SGB VIII als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt sind, und dazu zählen in Sachsen-Anhalt leider auch sehr fragwürdige Einrichtungen, wie etwa der extrem linke Miteinander e. V. Hier muss einmal gründlich ausgemistet werden.

(Beifall)

Die Linken freilich haben an diesen Punkten wahrscheinlich gar nichts auszusetzen, sie finden das wahrscheinlich noch gut. Alles, was sie kriƟsieren, sind die Eigenanteile der Kommunen von 20 % für die Projekte und 40 % für die Netzwerkstellen. Das freilich sind die einzigen Schrite, die in die richƟge Richtung gehen. Der PoliƟkansatz der Linken erweist sich so wieder einmal als komplet pervers; sie verdrehen alles in sein Gegenteil. Die Linken wollen die künstlich erzeugte Abhängigkeit der Schulen von Schulsozialarbeit noch vergrößern. Sie wollen die Schulen weiterhin systemaƟsch mit sozialpoliƟschen Aufgaben überfordern. Um das Bildungsniveau hingegen kümmern Sie sich einen Dreck, Hauptsache, mulƟprofessionelle Teams scharwenzeln von morgens früh bis abends spät um die Schüler herum. Und für all das soll sehr viel Steuergeld verbrannt werden. So viel Geld gibt es gar nicht.

Fazit: Was die Linken wollen, das ist mit dem Schlussvers von Reinhard Meys Lied „Das Narrenschiff“ treffend beschrieben: Volle Fahrt voraus und Kurs aufs Riff. Wir von der AfD werden alles daransetzen, das Ruder rechtzeiƟg herumzureißen, und zwar nicht nur beim Thema Schulsozialarbeit. - Vielen Dank.

(Beifall)

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

An Herrn Dr. Tillschneider wird sich Herr Bernstein von der FDP-FrakƟon anschließen.

Sehr geehrte Frau PräsidenƟn! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Schulsozialarbeit ist zweifellos ein bedeutender und geradezu essenzieller Faktor zur Verbesserung der Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler in-

nerhalb unseres Schulsystems. Dieser Fakt ist in den herausfordernden Zeiten der Coronapandemie noch einmal in besonderem Maße zutage getreten.

Ihre mannigfalƟgen Wirkungsfelder umspannen ein breites Spektrum sozialpädagogischer Angebots- und Aufgabenvielfalt. Sie reichen von prävenƟven Maßnahmen zur Vermeidung von SchulabsƟnenz und Schulabbrüchen bis hin zur RedukƟon sozialer Ungleichheiten und zur Unterstützung gesellschaŌlicher und beruflicher IntegraƟon unserer Schülerinnen und Schüler. Wir brauchen die Schulsozialarbeit bedarfsgerecht, basierend auf einer schulscharfen individuellen Prioritätensetzung.

(Zustimmung)

Schulsozialarbeiter sind ein bedeutender Teil der mulƟprofessionellen Teams in unseren Schulen und machen diese zukunŌsfest. Ein wichƟger Meilenstein zum klaren Bekenntnis zur Bedeutung der Schulsozialarbeit ist deshalb ohne Frage der am 10. Juni 2011 in KraŌ getretene § 13a SGB VIII im Rahmen der Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Dort heißt es:

„Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote […], die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Schulen zusammen.“

Diese neu geschaffene gesetzliche Grundlage unterstreicht auch einmal mehr die Verantwortlichkeiten des Landes im Rahmen der zugestandenen Gesetzgebungskompetenz, aber in besonderem Maße auch die der örtlichen Träger und der Schulen vor Ort. Eine VersteƟgung der Schulsozialarbeit kann nur gelingen, wenn alle verantwortlichen Instanzen ihr klares Bekenntnis zur Schulsozialarbeit auch finanziell untermauern. Denn - lassen Sie es mich ganz deutlich

sagen - die von vielen Seiten geforderte Ausweitung und VersteƟgung der Schulsozialarbeit gibt es nun einmal nicht zum Nulltarif.

(Zustimmung)

Dieser Fakt wird auch von der FrakƟon DIE LINKE anscheinend gern vergessen,

(Zuruf: Oh!)

aber es bleibt aus meiner Sicht dennoch ein Fakt. Wir können uns bspw. weder Lehrer backen, noch haben wir die Lizenz zum fortwährenden Gelddrucken. Obwohl ich bei diesen Ansätzen gerade an einen Ausspruch des BundeswirtschaŌsministers denke, der gestern sagte: Am Ende ist es doch nur Geld. Diese Denkweise, dass es am Ende nur Geld ist, gibt mir wiederum sehr zu denken.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ich würde mir wünschen, dass wir in der aktuellen Diskussion um die besten, vor allem aber auch um umsetzbare Möglichkeiten ringen. Dies geht aber nur mit realisƟschen und faktenbasierten Ansätzen. Fakt ist nun einmal, dass die verfassungsrechtliche und föderale Zuständigkeit, und damit auch die Finanzierungsverantwortung, bei den Ländern und Kommunen liegt. Es ist deshalb überhaupt keine Frage, dass die örtliche Jugendhilfe bzw. die kommunalen GebietskörperschaŌen ihren finanziellen Beitrag leisten müssen. Die Grundlage hierfür soll die neue Förderrichtlinie zum ESF-Plus-Programm „Schulerfolg sichern“ legen. Der im Finanzierungskonzept festgeschriebene Paradigmenwechsel nimmt die Kommunen in die Pflicht, und das finden wir als Freie Demokraten auch prinzipiell richƟg.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das neue Finanzierungskonzept sieht im Bereich der Schulsozialarbeit eine Anteilsfinanzie-

rung mit einem EU-Beteiligungssatz von 60 % sowie die Finanzierungsbeteiligung in Höhe von 20 % durch Landesmitel und 20 % durch die Kommunen vor. Für die regionalen Netzwerkstellen liegt der kommunale Eigenanteil, wie bekannt, bei 40 %. Die verbleibenden 60 % kommen aus den ESF-Plus-Miteln.

Es ist absolut zutreffend, dass dieser Paradigmenwechsel die Kommunen vor neue Herausforderungen stellt. Aber auch die Kommunen müssen Prioritäten setzen und sich finanziell entsprechend aufstellen, und zwar nicht nur über neue Forderungen nach finanzieller Unterstützung durch das Land.

Selbstverständlich ist uns bewusst, dass die FinanzkraŌ unserer Kommunen höchst unterschiedlich ist. Das heißt aber keinesfalls, dass nicht jeder seinen Beitrag leisten kann. Auch die bereits diskuƟerte Unterstützung, bspw. über § 17 des FAG für in Schieflage geratene Kommunen, kann deshalb nur dann ein mögliches Mittel der Wahl sein, wenn die jeweilige Kommune entsprechende Nachweise erbringt.

Selbstverständlich muss es auch für finanzschwache Kommunen Schulsozialarbeiter geben. Um dies umzusetzen, müssen aber alle Akteure die Grundlagen schaffen. Es kann nicht die Lösung sein, dass die Verantwortung immer an die nächsthöhere Instanz abgegeben wird. Wir alle müssen unsere Hausaufgaben machen.

(Beifall)

Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir Freien Demokraten setzen uns für eine VersteƟgung und eine Ausweitung der Schulsozialarbeit ein. Dazu haben wir uns auch in unserem Wahlprogramm bekannt und dazu stehen wir.

(Beifall)

Auch uns genügen die derzeit 380 und in der späteren Ausweitung die 60 zusätzlichen Stellen

nicht unbedingt. Wir wollen und wir brauchen unter Umständen mehr - mehr Engagement für unsere Schulen vor Ort, mehr Zusammenarbeit zwischen den Lehrenden und den Schulsozialarbeitern und mehr als nur Lippenbekenntnisse von den Kommunen. Denn ohne sie wird es nicht gehen.

Wir denken aber auch, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler allein kein geeignetes Maß für die Feststellung der tatsächlichen Bedarfe an schulsozialpädagogischem Personal ist. Vielmehr benöƟgen wir schulscharfe Indikatoren, die die sozialen Gegebenheiten und Herausforderungen für die zielgenaue BedarfsbesƟmmung einbeziehen. Auch hier lohnt sich ein kriƟscher Blick über unsere Landesgrenzen hinaus; denn nicht immer müssen wir das Rad neu erfinden. In Nordrhein-Wesƞalen hat die Landesregierung mit einem liberal geführten Ministerium für Schule und Bildung einen solchen sogenannten schulscharfen Sozialindex eingeführt, um die Schulen vor Ort bedarfsgerechter zu unterstützen.

Die Coronapandemie hat uns einmal mehr gezeigt, wie verletzlich unser Schulsystem ist. Viele Kinder sind in dieser schweren Zeit der Kontaktreduzierung, der Schulschließungen und des Distanzunterrichts ins Straucheln geraten und sorgen sich darum, den Anschluss verpasst oder Freunde verloren zu haben. Hierbei geht es nicht allein um das AuĬolen von Bildungsrückständen, hierbei geht es vor allem auch darum, unseren Kindern den Weg zurück in die Normalität zu ebnen und insbesondere jene zu unterstützen, denen der Weg besonders schwerfällt. Gerade hierbei ist die Schulsozialarbeit von nahezu unschätzbarem Wert.

Abschließend: Wir brauchen gute vernetzte Strukturen und klare Verantwortlichkeiten für eine Stärkung der Bildungs- und ChancengerechƟgkeit unserer Kinder. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

VizepräsidenƟn Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Bernstein. - Es folgt Frau Lüddemann für die FrakƟon BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Bite schön.

Vielen Dank, Frau PräsidenƟn. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Man könnte die SituaƟon sehr deutlich zusammenfassen - und das möchte ich auch tun -: Die KoaliƟon baut Schulsozialarbeit ab, und das ist, finde ich, ein Skandal.

(Zustimmung)

Der Umgang mit der Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt zeigt einmal mehr, wie unwichƟg der Landesregierung offenbar die Anliegen und Bedürfnisse junger Menschen in Sachsen-Anhalt sind. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie, Frau Feußner, zulassen, dass in unserem Bundesland, dem Land mit der bundesweit höchsten Schulabbrecherquote - ich habe es mir extra noch einmal angeschaut; sie ist doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnit -, Schulsozialarbeit künŌig abgebaut stat aufgebaut wird.

Noch im KoaliƟonsvertrag haben die koaliƟonstragenden FrakƟonen versprochen, sich für eine VersteƟgung der Schulsozialarbeit einzusetzen. Es wurde oŌ davon gesprochen, den Status quo in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Mitlerweile muss man feststellen: Das wird nicht so sein.