Protokoll der Sitzung vom 18.05.2022

Immerhin finden sich Supermärkte und auch Einzelhändler, die Teile dieser unverkauften

Waren als Spenden an soziale Einrichtungen bzw. Wohltätigkeitsorganisationen weitergeben. Aber das passiert eben auf freiwilliger Basis. In der gegenwärtigen Situation, in der immer mehr Menschen in unserem Land auf die Tafeln angewiesen sind, was ohnehin schon ein sehr schwieriger Fakt ist, gehen diese Spenden nun auch noch zurück. Im Übrigen werden von den ca. 500 000 t nur ca. 125 000 t weitergereicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Andere Länder, z. B. Frankreich und Tschechien, haben sich bereits vor Jahren für eine gesetzliche Regelung entschieden und verpflichten Lebensmittelmärkte ab einer bestimmten Größe zur Weitergabe an soziale Einrichtungen. Wir finden, diesen Schritt sollten wir in der Bundesrepublik endlich ebenfalls gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Einen ersten Anlauf hat unsere Fraktion bereits in der letzten Legislaturperiode unternommen. In der damaligen Anhörung hat sich der Beauftragte für „Brot für die Welt“ der Diakonie Mitteldeutschland in seiner Stellungnahme deutlich für eine bundesweite gesetzliche Regelung bis spätestens zum Jahr 2020 ausgesprochen. Doch bis heute - wir sind bereits im Jahr 2022 - hat sich diesbezüglich leider noch immer nichts getan.

Hinzu kommt, dass Wohltätigkeitsorganisationen wie die Tafeln derzeit nicht nur mit einem viel größeren Ansturm von bedürftigen Menschen und weniger verfügbaren Lebensmitteln konfrontiert werden, sondern zugleich auch die Kosten für Strom und Kraftstoff längst aus dem Ruder gelaufen sind, sodass die ohnehin nur auf Spendenbasis und überwiegend nur mit Ehrenamtlichen arbeitenden Tafeln längst in finanzielle Not geraten sind. Hierbei sehen wir

das Land in einer besonderen Verantwortung und wollen daher, dass die Tafeln kurzfristig unterstützt werden, um ihnen vor allem beim Aufbau und bei der Unterhaltung der Infrastruktur für Transport und Lagerung unbürokratisch zu helfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber auch viele Menschen, die sich dessen bewusst sind, dass Lebensmittel wertvoll sind; vielleicht sind sie auch gezwungen, sich aus Lebensmittelabfällen noch Genießbares herauszusuchen. Doch schauen Sie: Noch immer wird das sogenannte Containern strafrechtlich verfolgt, obwohl sich auch hier im Land immer- hin mehr als 80 % der Menschen dafür aus- sprechen, dass das Retten noch genießbarer Lebensmittel aus der Mülltonne erlaubt werden sollte.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Deshalb plädieren wir mit unserem heutigen Antrag dafür, dass das Containern endlich straffrei wird.

Neben den auf der Bundesebene notwendigen und in unserem Antrag geforderten Maßnahmen benötigen wir auch als Land endlich und dringend eine eigene Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen, die alle Akteure, und zwar vom Acker bis zum Teller, einbindet. Diese Strategie muss dann auch konkrete Vorschläge, Maßnahmen und Unterstützungsformen enthalten. Andere Bundesländer, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind im Vergleich zu uns schon ein riesiges Stück weiter.

Leider ist es in Sachsen-Anhalt so, dass wir trotz vollmundiger Erklärungen - auch in der letzten Legislaturperiode - hierbei noch nicht vorangekommen sind. Daher bitte ich Sie

dringend um Unterstützung unseres Antrages. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe hierzu keine Fragen. - Bevor wir in die Dreiminutendebatte einsteigen, begrüßen wir ganz herzlich auf unserer Besuchertribüne Damen und Herren des CDU-Stadtverbandes Schönebeck. Herzlichen willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Schulze. Ich hoffe, er gibt sich etwas mehr Mühe als seine Vorrednerin aus der Landesregierung, mit der Redezeit von drei Minuten klarzukommen. - Herr Minister, Sie haben jetzt das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Wir reden über Lebensmittelverschwendung. Daher will auch ich keine Zeit verschwenden und direkt zum Thema kommen. Ich als Landwirtschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt muss eines ganz klar sagen: Ich bin froh darüber, dass es solche Debatten gibt, weil - ich glaube, darin sind wir einer Meinung - Lebensmittelverschwendung ein Problem und zugleich eine Herausforderung ist. Lebensmittel sind Nahrungsmittel; diese sollten nicht verschwendet werden und in der Mülltonne landen.

Das ist ein Problem, das sehr ernst zu nehmen ist und nicht nur in Sachsen-Anhalt besteht; vielmehr ist es ein globales Problem. Ich möchte aber die Behauptung bestreiten, dass dagegen

nichts getan wird. Ich möchte - daran war ich selbst beteiligt - an die EU-Abfallrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2018 erinnern, in der ganz klar auch Ziele zur Verringerung von Lebensmittelabfällen auf europäischer Ebene definiert wurden. Ich denke, es ist wichtig, dass man auf dieser großen Ebene ansetzt, weil es nicht nur einzelne Bundesländer oder einzelne Mitgliedstaaten betrifft, sondern die gesamte Europäische Union.

Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner hat das dann umgesetzt: Die Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung wurde im Februar 2019 verabschiedet. Auch wir im Land tun einiges. Das ist vielleicht nicht immer jedem bewusst. Der Haushaltsgesetzgeber, der Landtag, finanziert das aus Steuermitteln. Ich denke hierbei unter anderem an das Schulmilchprogramm der Agrarmarketinggesellschaft. Wir machen bspw. Programme an den Schulen, die darauf abzuzielen, den Schüler zu vermitteln, wie wichtig es ist, Lebensmittel entsprechend einzusetzen, Lebensmittel nicht wegzuwerfen und Lebensmittel nicht zu verschwenden.

Warum ist das gerade dort wichtig? - Weil 52 % der weggeworfenen Lebensmittel von privaten Haushalten weggeworfen werden; nur 4 % sind es beim Groß- und Einzelhandel. Deswegen ist es wichtig, auch in den privaten Haushalten anzusetzen.

Ich als Landwirtschaftsminister sage auch: Das ist mir unheimlich wichtig, weil es auch um eine Wertschätzung der Arbeit unserer Landwirte geht;

(Beifall bei der CDU)

denn wenn die Lebensmittel weggeworfen werden, dann bedeutet das, dass man deren Arbeit nicht komplett wertschätzt. Deswegen

ist es wichtig, wie wir es auch in Sachsen-Anhalt machen, in der schulischen Bildung anzusetzen. Das machen wir in unserem Ministerium z. B. über die verschiedenen Programme, die ich genannt habe. Es geht um Gesundheitsvorsorge - die Krankenkassen macht das, glaube ich, sehr gut. Es ist wichtig, Verbraucherinformationen in vielfältiger Form weiterzugeben. Es muss - vielleicht noch einen Satz, ich habe noch eine Redezeit von 20 Sekunden -, wenn es Regelungen gibt, deutschlandweit geregelt werden.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist sicherlich eine Sache, über die man reden kann. Es nützt nichts, wenn wir in Sachsen-Anhalt darüber reden; denn wir können es allein in Sachsen- Anhalt nicht ändern, sondern es muss aus Berlin kommen.

Ich bin gespannt auf die Dinge, die die neue Bundesregierung dazu vielleicht auf den Weg bringen wird. Wir können es dann begleiten und unterstützen. Das sollte unsere Aufgabe sein. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Minister. Es gibt eine Frage von Frau Eisenreich. - Diese kann sie jetzt auch stellen.

Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben es zum Schluss gesagt: Es geht um Bundesratsinitiativen. Das ist auch das Anliegen unseres Antrages. Daher wäre es gut, wenn wir als Land Sachsen-Anhalt vorangehen könnten. Können Sie sich vorstellen, solche Initiativen einzubringen?

Ich kann mir grundsätzlich vieles vorstellen. Aber ich glaube, eine Bundesregierung ist im Amt, weil sie eine Verantwortung trägt. Diese Verantwortung sollte sie erst einmal wahrnehmen. Deshalb der Appell nach Berlin. Wir in Sachsen-Anhalt haben mit der SPD und der FDP zwei Partner in der Bundesregierung. Aus meiner Sicht sollte die Bundesregierung handeln. Ich bin immer bereit, als Landwirtschaftsminister in dem Rahmen, in dem ich es kann und in dem wir es dürfen, auch Vorschläge zur Umsetzung der Dinge zu machen, die aus Berlin kommen. Ich glaube, das ist erst einmal der richtige Weg.

(Zustimmung bei der CDU)

Dann sind wir mit dem Redebeitrag der Regierung am Ende. - Bevor wir in die Debatte der Fraktionen eintreten, begrüßen wir die letzte Gruppe am heutigen Tag auf der Besuchertribüne. Das sind Damen und Herren der Jungen Union Sachsen-Anhalt. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt beginnen wir mit der SPD-Fraktion und der Abg. Frau Pasbrig. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Von Landwirtschaftsbetrieben über verarbeitende Betriebe, Handelsunternehmen, Gastronomie und private Haushalte sind es Handelsunternehmen, die mit den - wir haben es heute schon mehrfach

gehört - mehr als 12 Millionen t an Lebensmittelabfällen jährlich in Deutschland den kleinsten Anteil verursachen, nämlich 4 %. Es sind die privaten Haushalte, die mehr als 50 % der Lebensmittelabfälle verursachen. Auf die einzelnen Verbraucherinnen und Verbraucher umgelegt - auch das haben wir heute hier schon gehört -, bedeutet das ca. 75 kg Lebensmittelabfälle jährlich.

Die damalige Bundesregierung hatte bereits im Jahr 2019 eine nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung vor- gelegt. Diese möchte die aktuelle Bundesregierung nun weiterentwickeln und verbindlicher ausgestalten. Ihr Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die Lebensmittelverschwendung zu halbieren. Sie möchte dabei genau abwägen, ob überhaupt gesetzliche Änderungen erforderlich sind.

Der Vorsitzende der Tafel in Sachsen-Anhalt, der ehemalige Kollege Andreas Steppuhn, hat heute in der „Volksstimme“ bekräftigt, dass es keines gesetzlichen Wegwerfverbots bedürfe. Stattdessen bedürfe es der Unterstützung bei der Abholung von Lebensmitteln bei den Herstellern. Diesem Bedarf tragen wir bereits Rechnung.

(Zuruf von der AfD: Na ja!)

Unser Alternativantrag konzentriert sich vor allem auf den Umgang mit Lebensmitteln durch die Endverbraucherinnen und Endverbraucher. Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen ist es, die Wertschätzung von Lebensmitteln zu steigern. Bevor Sie denken, dass wir den gemeinnützigen Organisationen wie der Tafel nur deshalb dankbar sind, weil sie uns helfen, von Verschwendung bedrohte Lebensmittel zu retten, ist deutlich zu machen: Das ist natürlich nur ein Aspekt. Wir danken der Tafel für ihr

unermüdliches Engagement, Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs zu sammeln und an Bedürftige abzugeben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Der Schlüssel zur Lösung des Problems der Lebensmittelverschwendung liegt zuallererst in der Ernährungsbildung. Wir müssen dringend Bildungsangebote zum Thema Lebensmittel ausweiten. Dabei sind solche Vereine wie die Landfrauen, die mit Schulkindern gemeinsam kochen oder den Schulgarten anlegen, beispielgebend. Bereits die Kleinsten müssen sehen, wie unser tägliches Essen entsteht und wie viel dafür getan werden muss.

Auch wenn es zuweilen abgetan wird, sollte das Hauswirtschaften wieder zu einem Thema in der Schule werden mit folgenden Inhalten: Wie kann eine Wocheneinkaufsplanung aus- sehen? Wie viel Gramm Fleisch oder Gemüse rechne ich pro Portion? Wie viel von einem Huhn kann ich eigentlich verwerten

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawoll!)

und wie viele Tage kann ich davon essen? Oder die Frage: Muss ich Kartoffeln immer schälen?

Sie mögen das alles beantworten können, aber in modernen Single- oder Familienhaushalten sind Convenience-Food bzw. Fertigprodukte doch schneller zur Hand.

Frau Pasbrig, weder die Kollegen noch Sie können die Fragen beantworten, weil Sie jetzt den letzten Satz sagen werden, da Sie Ihre Redezeit weit überschritten haben.

Ich wäre im Folgenden noch darauf eingegangen, dass ich Preissenkungen - -