Protokoll der Sitzung vom 19.05.2022

Für den Wald setzte man zu diesem Zeitpunkt immer noch auf hauseigene Schätzungen, deren

Quantifizierung immer denen anderer Bundesländer hinterherhinkte und mit den Schätzungen der Waldbesitzer nicht in Einklang gebracht werden konnte. Die Schätzungen differierten stellenweise um den Faktor 10. Jeder, der sich im Wald auskennt, ihn ab und zu besucht oder auf den Brocken wandert, hat eigentlich ge- sehen, dass die bezifferten Schäden der Waldbesitzer wohl eher der Realität entsprechen als das, was das Haus mitteilte.

Sehr verehrtes Haus! Genau dieser Prozess be- ginnt jetzt wieder. Ein Ziel unseres Antrages ist es, dass man bei diesem Streit - ob nun Schäden da sind oder nicht, die man vielleicht sieht oder auch nicht, die Schäden ermittelt bzw. geschätzt werden - alle Protagonisten dauerhaft an einen Tisch holt; denn die nationale Aufgabe der Waldrettung kann nur zusammen umgesetzt werden.

Der Minister hatte kürzlich ein Treffen mit den Verbänden. Es gab viele fröhliche Bilder und auch hier optimistische Nachrichten. Aber das reicht mittlerweile leider nicht mehr aus; denn unsere Bürger sind voller Sorge darüber, dass weiterhin nicht nur Bäume, sondern ganze Waldstücke verschwinden. Sie wollen weiterhin helfen und sich einbringen, aber vor allem wollen sie Informationen haben. Sie wollen Ziele haben, sie wollen wissen, wohin die Reise geht. Die Wildnis, die wir einst in Mitteleuropa hatten, ist seit geschichtlicher Zeit schon der sekundären Kulturlandschaft gewichen und kann als Begriff nicht mehr dienen. Wir haben eine Kulturlandschaft und die ist in allen Ecken unseres Landes zu finden. Wir können sie nur bearbeiten und hoffen, dass wir durch unsere Arbeit im Wald die Grundlagen dafür schaffen, um mit den Herausforderungen der kommenden Zeit zurechtzukommen.

Vor ein paar Tagen hat die Bundesregierung wieder Geld für den Waldgipfel bereitgestellt.

Dieses Mal war es knapp 1 Milliarde €. Laut Pressemitteilung der Familienbetriebe der Forst- und Landwirtschaft ist dies allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Diese schätzten den Finanzbedarf zum Beräumen der alten und bereits wieder durch neue Stürme verursachten Schäden zum Umbau des Waldes in Deutschland auf mehr als 50 Milliarden €. Diese Summe können die Waldbauern überhaupt nicht aufbringen. Die Landeskasse ist dafür auch nicht geeignet. Auch die Bundeskasse wird den Anteil niemals in dieser Höhe stemmen können, wenn wir einfach so weitermachen.

Deshalb ist es unabdingbar, die Dimensionen der Schäden im Land Sachsen-Anhalt genau zu kennen. Nur so können wir die begrenzten Mittel auch effizient einsetzen. Wir haben mit dem Waldsterben ein Problem von nationalem Ausmaß. Dieses Problem müssen wir schnell lösen. Dazu bedarf es Strategien, die von allen Akteuren im Wald getragen werden. Die Grenzen zwischen privatem, kommunalem, Landes- oder Bundeswald halten weder die Kalamitäten auf noch das Wasser in der Fläche. Deshalb müssen wir zusammen zu einer Strategie zur Rettung der Wälder finden.

Lassen Sie uns dabei nicht weiter über die Höhe von Schäden spekulieren und streiten, sondern diese mit den vorhandenen Möglichkeiten ermitteln. Lassen Sie nicht über den Weg streiten, unseren Wald zu retten, sondern lassen Sie uns heute mit der Zustimmung zu unserem Antrag einen weiteren Schritt gehen, unseren Wald zu retten. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Herr Loth, einen Moment bitte. Falls Sie die Gelegenheit nutzen wollen, um weitere Ausfüh-

rungen zu machen, könnte Ihnen Frau Frederking noch eine Frage stellen. Wollen Sie diese beantworten? -Offensichtlich ja. - Dann, Frau Frederking, Sie haben die Möglichkeit, diese jetzt zu stellen. Denken Sie bitte daran: eine Minute! Sie haben das Wort.

Herr Loth, Sie haben wieder auf die letzte Legislaturperiode reflektiert. Meine Frage ist: Kennen Sie den Waldzustandsbericht, den der neue Minister Herr Schulze - der jetzt gar nicht mehr so neu ist - am 15. November 2021 vorgestellt hat? Was steht ganz grob gefasst darin?

Sie können antworten, Herr Loth.

Sehr geehrte Frau Frederking, natürlich kenne ich den Waldzustandsbericht. Sie haben ihn sicherlich auch selbst gelesen, sonst würden Sie mich jetzt nicht fragen. Ich bin mir sicher, dass die Zeit dafür jetzt nicht ausreicht, das grob zusammenzufassen. - Danke.

Dann steigen wir in die Debatte ein, drei Minu- ten Redezeit je Fraktion. Für die Landesregierung spricht zuerst Herr Minister Schulze.

(Der Minister steht an der Regierungsbank und hat ein Mobiltelefon in der Hand)

- Es wäre zumindest mein Wunsch, dass er jetzt spricht. Handys sollte man grundsätzlich auf lautlos stellen. Das trifft aber jetzt nicht nur auf

den Minister zu. Wir hatten in den letzten zwei Tagen des Öfteren mal peinliche Momente. - Dann, Herr Schulze, haben Sie das Wort.

Lieber Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, die Stimmung hier drin hat sich wieder ein wenig abgekühlt, alle haben gut gegessen und getrunken. Ich habe das zu- mindest gemacht.

Kollege Gallert hat vorhin gesagt, dass ich des Öfteren im Krisenmodus bin. Ich muss Ihnen sagen: Beim Wald müssen wir das auch sein; denn dem Wald in Sachsen-Anhalt - darüber hinaus auch, aber wir reden hier über den Wald in Sachsen-Anhalt - geht es nicht nur nicht gut, sondern sogar schlecht.

Frau Frederking, Sie haben zu Recht den Waldzustandsbericht angesprochen. Den habe ich in einer größeren Runde vorgestellt, damit die Medien darüber berichten können, damit aber auch jeder mitbekommt, welchen Status der Wald hat, und sieht, wie es ihm geht. Der Vorredner hat es bereits gesagt, dass es regelmäßig Runden gibt. Natürlich werden dort auch Bilder gemacht. Aber am Ende des Tages geht es auch darum, dass man Ergebnisse erzielt.

Ich möchte kurz anreißen, was wir in den letzten Monaten neu aufgelegt bzw. wiederbelebt haben: zum einen den Krisenstab Wald im Harz, bei dem es vonseiten des damaligen Ministe- riums keine Beteiligung mehr gab, weil man das von der Hausleitung nicht wollte. Ich habe natürlich sofort dafür gesorgt, dass auch die Fachleute aus meinem Haus im Harz mit dabei sind, wenn Thomas Balcerowski als Landrat einlädt.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU, und von Olaf Feuerborn, CDU)

Zum anderen haben wir den Landesbeirat Holz wieder ins Leben gerufen. Auch den gab es nicht mehr. Jetzt treffen sich Experten aus meinem Haus mit Experten der privaten Waldbesitzer und all denjenigen, die in irgendeiner Form beteiligt sind, um darüber zu reden und dann Handlungsempfehlungen zu geben, was man machen kann und was man machen sollte.

Dann habe ich noch etwas gemacht. Ich habe mir als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz herausgenommen - dabei geht es ja nicht nur darum zu leiten, sondern auch Ideen einzubringen -, eine Agrarministerkonferenz ausschließlich zum Thema Wald durchzuführen. Das gab es so noch nie oder zumindest seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Wir haben am Montag dieser Woche sehr viel und sehr intensiv darüber diskutiert - das kam eben auch schon -, weil vieles, was wir machen müssen, wir als Land Sachsen-Anhalt allein nicht hinbekommen werden.

Ich will ein kurzes Schadensbild nennen, das sich aktuell abzeichnet und widerspiegelt, wo wir gerade stehen. Wir haben für das erste Quartal 2022 Blößen in einem Umfang von 1 500 ha und eine Schadholzsumme von rund 800 000 Festmetern durch die Betriebe genannt bekommen. Wir hatten Stürme, das ist bekannt gewesen; ich habe darüber im Landtag berichtet. Fakt ist aber, dass das eine hohe Zahl ist. Natürlich nutzen wir die Satelliten- und Luftbilder. Sie sind ja vorhanden. Es für mich wichtig, das so umzu- setzen. Warum soll man die moderne Technik, die vorhanden ist, nicht auch dafür nutzen? Es ist für mich wichtig in allen Bereichen, auch wenn es um das Thema Brandbekämpfung geht, dass man auf moderne Technik setzt, die am Ende schnell hilft.

Deutschland hat viele Herausforderungen, was das Thema Wald angeht, aber Sachsen-Anhalt gehört weiterhin zu den sechs am stärksten betroffenen Bundesländern, was die Schäden an-

geht. Ich möchte an der Stelle - das muss auch einmal gesagt werden; schade, dass nicht alle hier sind - auch einmal den Forstleuten, den Waldbesitzern, den Forstunternehmern danken. Sie sind seit Jahren im Ausnahmezustand und sie machen für unseren Wald enorm viel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte aber auch dem Landtag danken. Sie haben gestern den Haushalt beschlossen. Die Kolleginnen und Kollegen, die mit dem Thema befasst sind, werden gesehen haben, dass wir eine Menge Geld investieren. Es sind, um es konkret zu sagen, 9,9 Millionen € für die Beseitigung von Schadflächen bzw. für die Wiederaufforstung. Damit können wir 1 500 ha pro Jahr aufforsten. Das ist keine Riesensumme. Aber das ist das Doppelte von dem, was in den letzten Jahren aufgeforstet worden ist. Das heißt, der Landtag sorgt mit Geld dafür, dass wir in den Regionen, auf die wir Zugriff haben, einiges machen können.

Am Ende meiner Rede möchte ich etwas platzieren, was ich in dieser Woche auch bei Agrarministerkonferenz gesagt habe: Wir brauchen ein Stück weit mehr Unterstützung aus Berlin. Diesbezüglich möchte ich auf die Ökosystemleistungen des Waldes zu sprechen kommen, die aus meiner Sicht besser und stärker honoriert werden müssen.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn wir das hinbekommen, dann können wir den mehr als 50 000 Privatwaldbesitzern in Sachsen-Anhalt viel stärker helfen. Sie brauchen diese Hilfe nämlich auch, also nicht nur wir im staatlichen Wald, sondern auch sie.

Das sollten wir gemeinsam machen. Deswegen danke ich Ihnen, dass wir hierüber eine Debatte führen; genauso wie wir es im Ausschuss

machen werden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen. - Die SPD-Fraktion eröffnet die Debatte der Fraktionen. Frau Pasbrig ist schon auf dem Weg nach vorn. - Sie haben das Wort.

Frau Pasbrig, warten Sie bitte. - Das Problem besteht jetzt darin, dass ich nicht rechtzeitig angesagt habe, dass der Minister seine Redezeit um zwei Minuten überzogen hat, was der Minister nicht wusste, weil wir die Uhr zu spät gestartet haben. Deswegen haben jetzt alle Rednerinnen inklusive Ihrer Person eine Redezeit von fünf Minuten. Aber mein alter Hinweis bleibt be- stehen: Niemand ist gezwungen, die Redezeit auszuschöpfen. - Jetzt haben Sie das Wort.

Alles klar. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kürzlich wurde im „Deutschlandfunk“ von einem rosa Elefanten gesprochen. Dieser rosa Elefant ist die Erderwärmung und der Klimawandel. Beides ist evident, aber wir reden noch immer zu wenig darüber bzw. ziehen wir noch immer nicht die richtigen Schlussfolgerungen daraus.

Schaut man sich den Antrag der AfD an, wird in der Begründung vom Ausmaß der Katastrophe gesprochen. Der Bericht des Deutschen Zen- trums für Luft und Raumfahrt wird mit „besorgniserregend“ zitiert, aber ich fühlte mich eben beim Lesen Ihres Antrags an den rosa Elefanten erinnert. Sie beschreiben den Zustand des Waldes in unserem Bundesland, aber bei der Benennung der Ursachen kürzen Sie ab. Warum? - Weil es Ihnen nicht ins Weltbild passt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Kerstin Eisenreich, DIE LINKE, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Ob Hochwasser, die häufiger eintreten, ob extreme Trockenheit, die auch unsere Landwirte vor wirtschaftliche Probleme stellt, oder eben die Schäden in unserem Wald - das, was wir sehen, ob nun durch eigene Augen oder durch die Auswertung von Satellitenbildern, ist das Ergebnis des menschengemachten Klimawandels.

(Zuruf von Daniel Rausch, AfD)

Zu einer ehrlichen und vertrauensvollen Politik gehört eben auch, die Ursachen von Zuständen klar zu benennen.

Unser Wald ist der Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, ist mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz auch wirtschaftlich wichtig für unser Bundesland und als wichtiger CO2Speicher auch für den Klimaschutz unverzichtbar. Ich erinnere deshalb gern an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz. Wir müssen bei allem, was wir entscheiden, auch die zukünftigen Generationen im Auge haben. Wir müssen unseren Kindern und Kindeskindern unsere Wälder erhalten.

Unser Wald braucht unsere volle Aufmerksamkeit. Genau das passiert, und zwar sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. Auf der Agrarministerkonferenz haben der Bundesminister und die Landesminister darüber beraten und verabredet, das Bundeswaldgesetz zu novellieren, die Ökosystemleistungen der Wälder angemessen zu honorieren, das Forstschädenausgleichsgesetz zu novellieren und eine Holzbauinitiative zu starten.

Der Minister hat soeben auf die verschiedenen Landesinitiativen hingewiesen. Außerdem bietet unser Bundesland mit dem Landeszentrum Wald umfassende Angebote sowohl für Wald-

besitzerinnen und Waldbesitzer und den Waldschutz als auch sehr gut nachgefragte Angebote im Bereich Waldpädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung an.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Durch die Beteiligung an der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt, die unter anderem den Waldzustandsbericht erarbeitet, stehen uns aktuelle Forschungsergebnisse und Beratungsangebote zur Verfügung. Sie sehen also, dass Bund und Land an dem Thema aktiv arbeiten. Aber sowohl der Antragstitel als auch der Antrag selbst tun gerade so, als würden wir unseren Wald vernachlässigen. Das ist nicht der Fall. Aber um dem nachzugehen und dafür zu sorgen, dass Sie das demnächst auch honorieren, schlage ich vor, den Antrag in den Landwirtschaftsausschuss zu überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)