Für die Beschäftigten sind da nicht nur die zusätzlichen freien Tage verloren, sondern es entfällt auch die Möglichkeit, durch den Einsatz von sogenannten Brückentagen aus wenig Urlaub möglichst viel freie Zeit zu gewinnen. Die Beschäftigten verlieren damit Freizeit, Ruhe und Erholungszeit. Für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind es dagegen schlicht zusätzliche Arbeitstage, und zwar Arbeitstage, die sie in anderen Jahren nicht haben, wenn sich der Kalenderverlauf anders gestaltet. Es sind praktisch Geschenke der Beschäftigten an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber durch eine unfreiwillige Verlängerung der jährlichen Arbeitszeit.
Das Szenario von 2022, also diesem Jahr, wiederholt sich im Abstand von einigen Jahren; denn sieben unserer elf Feiertage sind sogenannte datumsfeste Feiertage. Sie wandern praktisch schrittweise durch die Wochentage, mit jedem Jahreswechsel um einen Tag und in Schaltjahren um zwei Tage. Mehrere dieser datumsfesten Feiertage sind miteinander verbunden, weil sie jeweils auf den gleichen Wochentag fallen; sie wandern also im Block durch die Wochentage. Den kleineren dieser Blöcke erleben wir in diesem Jahr mit dem 1. Mai und dem 25. Dezember. Den größeren Block bilden dann die Feiertage 3. Oktober, 31. Oktober und 26. Dezember.
Weil diese beiden Blöcke immer auch auf benachbarten Wochentagen liegen, gibt es Jahre, in denen diese fünf von elf Feiertagen alle
gleichzeitig auf ein Wochenende fallen. Das war z. B. im letzten Jahr so und kommt im Jahr 2027 wieder auf die Beschäftigten zu. Dazwischen liegen Jahre, in denen drei Feiertage oder auch mal nur ein Feiertag auf ein Wochenende fallen. Was selten vorkommt, sind Jahre - -
Ja, Herr Lippmann, es ist schwierig heute, ich weiß. - Könnten Sie einmal versuchen, den Geräuschpegel ein bisschen runterzudrehen?
Was selten vorkommt, sind Jahre, in denen keiner unserer Feiertage auf ein Wochenende fällt. Aber auch diese gibt es. Das ist aber nur dann der Fall, wenn das neue Jahr an einem Mittwoch beginnt und es kein Schaltjahr ist.
Das werden die Beschäftigten z. B. im Jahr 2025 und dann wieder im Jahr 2031 genießen dürfen. In allen anderen Jahren werden die Beschäftigten aber an einem, an drei oder sogar an fünf Tagen um wesentliche Effekte der Feiertagsruhe geprellt. Das ist ein gravierendes Defizit in unseren Feiertagsregelungen.
Gesetzliche Feiertage sind grundsätzlich freie Tage. Sonn- und Feiertage und die damit verbundene Arbeitsruhe unterliegen in Deutschland einem besonderen Schutz durch das Grundgesetz. So schreibt Artikel 140 des Grundgesetzes fest - ich zitiere -:
Fallen solche datumsfesten Feiertage auf ein Wochenende, dann gibt es in Deutschland - anders als in anderen Mitgliedsländern der EU und in vielen Drittstaaten - bislang keine Regelung, die grundgesetzlich geschützte Arbeitsruhe zusätzlich zu den freien Tagen des Wochenendes nachzuholen.
Solche Kompensationsregelungen für Feiertage, wie wir sie mit unserem Antrag fordern, gibt es in vielen unserer Nachbarländer, z. B. in Belgien, in den Niederlanden, in Luxemburg oder in Polen, aber auch in Italien, in Spanien, in Großbritannien, in Irland oder in Japan, in Singapur und in Australien.
Eine Diskussion darüber, ob Feiertage ausge- glichen werden sollten, wenn sie auf ein Wochenende fallen, gab es auch in Deutschland bereits mehrfach. Eine Ausgleichsregelung konnte dabei bisher nicht durchgesetzt werden. Deutschland muss endlich das nachholen, was unsere europäischen Nachbarn längst vorgemacht haben.
Wir als LINKE sehen die Zeit dafür als reif und längst überfällig, schnellstmöglich ein sogenanntes Montagsfeiertagsgesetz zu erarbeiten. Ein solches Gesetz über den Ausgleich von Wochenendfeiertagen wollen wir mit dem vorliegenden Antrag initiieren. Zwei Jahre Pandemie haben zu lange andauernden Einschränkungen bei der Gestaltung individueller Freizeit, zu Arbeitsverdichtung und zu zusätzlichen Belastungen, besonders für Familien, geführt. Deshalb wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt, den Feiertagsausgleich auf den Weg zu bringen.
Die Festlegung der Feiertage ist zwar überwiegend Ländersache, allerdings sind die Feiertagsregelungen in den Ländern weitgehend vergleichbar, und den Feiertagsausgleich gibt es bundesweit nirgendwo.
Deshalb fordern wir unsere Landesregierung auf, sich auf der Bundesebene für eine einheitliche Ausgleichsregelung einzusetzen. Wenn dies nicht gelingt, fordern wir die Landesregierung auf, selbst aktiv zu werden und eine entsprechende landesgesetzliche Regelung zu schaffen.
Bis zu einer bundesweiten oder landesweiten gesetzlichen Regelung sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auf freiwilliger Basis ihren Beschäftigten im Sinne eines Coronabonus zeitnah einen zusätzlichen arbeitsfreien Tag gewähren; denn die Beschäftigten werden es mit besserer Gesundheit, erhöhter Motivation und Leistungsfähigkeit und einer stärkeren Verbundenheit danken.
Der kontinuierliche Anstieg an psychischen und physischen Belastungen im Arbeitsleben ist ein Alarmzeichen, nach der Pandemie mehr für den Arbeitsschutz der Beschäftigten zu unternehmen. Der Feiertagsausgleich kann hierfür einen Beitrag leisten.
Ökonomische Argumente gegen die Gewährung des Feiertagsausgleichs können nicht wirksam Geltung beanspruchen; denn unsere Feiertage sind lange tradiert und sie sind nicht darauf ausgerichtet, dass sie nicht zu einer echten Arbeitsruhe führen. Es gibt sie ja, die Jahre, in denen keiner der Feiertage auf ein Wochenende fällt. Es hat noch nie jemand ernsthaft behauptet, dass dann die Wirtschaft in die Knie geht. Das Gegenteil ist der Fall: Die Wirtschaft profitiert einseitig davon, wenn der Kalenderverlauf durch weniger Ausfall an Feiertagen für die zusätzliche Wertschöpfung günstig ist.
Die mit den Feiertagen verbundene Arbeitsruhe und zusätzliche Freizeit sollen nicht länger dem Kalenderverlauf ausgeliefert sein. Deshalb muss im Interesse der Beschäftigten gesetzlich geregelt werden, dass Feiertage an Wochenenden verlässlich nachgeholt werden.
Ich sehe eine Intervention von Frau Dr. Schneider. Herr Lippmann, vielleicht lohnt es sich, gleich hier vorn stehen zu bleiben. - Frau Dr. Schneider, Sie haben das Wort.
Es ist wirklich eine Intervention und keine Frage. Ich bin doch sehr erstaunt über Ihre Argumentation, dass die Feiertage zur Ruhe und zur Erholung beitragen. Warum geben wir nicht entsprechend mehr Urlaubstage? Denn dann würde die Argumentation stimmen. Für mich sind Feiertage, die überwiegend auch kirchlich hinterlegt sind, deshalb frei, damit ich die Rituale und Bräuche an diesen Feiertagen wahrnehmen kann, und nicht deshalb, damit ich eine Ruhezeit habe.
Ihre Ausführungen haben eine völlig falsche Argumentation. Am 1. Mai, den Tag der Arbeit, an dem es auch heute noch entsprechende Bekundungen zur Arbeit usw. gibt, könnte ich nicht teilnehmen, wenn ich arbeiten muss. Dafür gibt es diese Feiertage und nicht dafür, dass ich einen zusätzlichen Urlaubstag habe.
Das ist schon eine heftige Argumentation, die aber einen wahren Kern hat. Ich bin in meinem Redebeitrag etwas gehüpft, weil ich auf die Zeit geschaut habe, sonst wäre ich darauf auch eingegangen. Es geht natürlich um die Pflege von religiösen und anderen Traditionen, aber auch um die Pflege der familiären Verbindungen. Es sind aber nicht alle Feiertage kirchlich hinterlegt.
- Allerdings die meisten schon. - Wir haben Glück, dass von den elf Feiertagen immerhin vier Feiertage nicht datumsfest sind: Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag. Diese Feiertage bleiben uns in jedem Jahr erhalten. Nach Himmelfahrt kann man also immer einen Brückentag nehmen, um ein verlängertes Wochenende zu machen.
(Anne-Marie Keding, CDU: Abschaffen für alle, die aus der Kirche ausgetreten sind! - Thomas Lippmann, DIE LINKE, lacht)
- Sagen Sie es ruhig ein bisschen lauter, sozusagen für das Protokoll. Das macht sich gut in der Außendarstellung.
Nein, ich finde, man kann hierbei nicht von einem Extrem in das andere fallen. Der Umgang der Menschen im Land mit den Feiertagen ist so breit gefächert wie die Mentalität der Menschen. Natürlich schaffen wir damit einen Anlass, uns auch des Anlasses des Feiertages bewusst zu werden. Sie wissen aber so gut wie ich, dass das längst nicht auf alle Menschen zutrifft. Ich weiß nicht einmal, ob man sagen kann, dass es auf den größten Teil der Menschen zutrifft; wahrscheinlich bei Weihnachten und Ostern schon.
- Also, ich erspare es euch, dass wir jetzt vertieft über die Rolle des 6. Januar in Sachsen-Anhalt reden,