Protokoll der Sitzung vom 07.09.2022

Wir sind verantwortlich. Dazu muss ich - das sei mir an dieser Stelle gestattet - sagen: Wenn ein Bundeswirtschaftsminister an einem Sonntag sagt, Atomkraft ist mit uns nur eingeschränkt oder gar nicht möglich, dann ist

es marktpolitisch völlig logisch, dass der Strompreis am Montag durch die Decke geht, meine Damen und Herren.

(Zuruf)

Insofern ist es wichtig, dass wir den Menschen - - Märkte sind Gefühle von morgen, d. h. das, was sich entwickeln wird. Deshalb ist es unsere Verantwortung, genau dort nachzuschärfen und zu schauen, wo wir tatsächlich helfen können. Es bringt uns nichts, wenn wir die Menschen allein lassen. Deshalb werden wir als FDP im Land, aber auch im Bund alles daran setzen, den Menschen tatsächlich Sicherheit zu geben. Das können und werden sie erwarten dürfen, meine Damen und Herren. Deshalb ist dieses Thema der Versorgungssicherheit eine ganz wesentliche Grundlage.

Jetzt kommen wir - wenn wir dies tun und uns liegt jetzt dieser Antrag der AfD vor - zu der Frage: Ist es denn richtig, dass eine Entlastung dadurch erreicht werden könnte, dass wir Nord Stream 2 öffnen, dass wir die Sanktionen zurückfahren und die Verhandlungen beginnen? Dazu möchte ich Folgendes sagen: Es ist tatsächlich so, dass Gas kommen könnte, aber es wird nicht geliefert. Dem könnte man entgegenhalten: Das ist eine einfache Reaktion. Aber es ist einfach ein Erpressungsmittel, das von Russland eingesetzt wird. Das können wir einfach nicht hinnehmen.

(Zustimmung bei der FDP - Daniel Rausch, AfD: Wir schicken doch Waffen hin!)

Ich möchte eines ganz klar sagen - damit möchte ich an den Minister anschließen -:

(Daniel Rausch, AfD: Wir haben doch damit angefangen!)

Am 30. August 2022 ist jemand gestorben, der für dieses Land, für Sachsen-Anhalt, für Deutschland eine ganz wesentliche Bedeutung hatte, nämlich Michail Gorbatschow.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Guido Heuer, CDU)

Das ist jemand, der initiiert hat, dass wir alle in diesem Rahmen sitzen können. Auch diesem Mann und seinem Vermächtnis gegenüber tragen wir eine Verantwortung.

(Zuruf von der AfD: Das hat man nicht ge- sehen!)

Das, was sein Tun und sein Handeln in jener Zeit beinhaltete, ist Teil unseres eigenen Wertekanons, meine Damen und Herren. Wir leben in einem Wertekanon. Wenn Sie eine Abwägung dessen vornehmen, was wichtig ist, dann können Sie das nicht unter den Tisch fallen lassen. Das geht einfach nicht.

Herr Dr. Moldenhauer, eines muss ich Ihnen sagen: Sie können nicht einfach punktuell Dinge herausgreifen, sondern Sie müssen die Dinge in der Gesamtheit betrachten. Dabei muss man auch schauen, wie das Verhältnis zu Russland, zur Ukraine ist, welches Verhältnis wir zu ihnen haben und welche Verantwortung wir aus der Geschichte heraus haben. Wenn Sie das nicht tun, dann werden Sie immer zur falschen Antwort kommen, meine Damen und Herren.

(Daniel Rausch, AfD: Ja, Panzer in die Ukra- ine, das ist eure Lehre! Schämt euch!)

Deshalb müssen wir bei der Frage der Abwägung der Interessen schauen, dass wir den Druck auf Putin so groß wie möglich halten. Denn eines wollen wir doch alle: dass der

Krieg aufhört. Den Krieg hat Russland begonnen, und wir können nicht so tun, als wenn es ihn nicht geben würde. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir im Rahmen dieses Wertekanons, dem wir verpflichtet sind, den Spagat zwischen der Verpflichtung gegenüber dem Vermächtnis Gorbatschows, dem, was er für uns getan hat, und den drängenden Problemen der Menschen bei uns im Lande, die natürlich Versorgungssicherheit brauchen, hinbekommen.

Insofern ist mein Appell an alle: Wir sollten alles dafür tun, energieseitig das herauszuhauen, was geht. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, den Menschen die Sicherheit zu geben, dass die Dinge bezahlbar sind. Wenn wir feststellen, dass die Zahl der Insolvenzen im Augenblick aus bestimmten Gründen hochgeht, dass die Bäckermeister sagen: „Ich kann nicht mehr zahlen, ich fahre herunter“, oder dass das SKW sagt: „Wir können nicht mehr produzieren“, dann muss die Politik Antworten finden, meine Damen und Herren.

(Daniel Roi, AfD: Sie sind doch überall in der Regierung!)

Aber das bedeutet nicht, dass wir reflexartig einen Kniefall vor Putin machen. Das wird nicht funktionieren.

(Zurufe von der AfD)

Das wird nicht funktionieren und das werden wir nicht tun. Jedenfalls mit uns wird das nicht stattfinden, da können Sie sich so viel aufregen, wie Sie wollen. Ich, meine Damen und Herren, habe einen inneren Wertekanon und den werde ich definitiv nicht aufgeben. - Vielen Dank.

(Daniel Roi, AfD: Wir warten auf ihre Lö- sungsvorschläge!)

Vielen Dank, Herr Silbersack. Es gibt zwei Fragen, zum einen von Herrn Lieschke und zum anderen von Herrn Rausch. Lassen Sie sie zu, Herr Silbersack?

Ja, klar.

Herr Lieschke, bitte.

Werter Herr Silbersack, Sie sagten jetzt gerade mehrfach, auch wenn Nord Stream 2 geöffnet werden würde, würde kein Gas kommen. So habe ich Sie verstanden.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja! - Zuruf: So ist es! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das Gas wird abgefackelt!)

Erst heute hat Russland angeboten, Nord Stream 2 zu öffnen. Wovor haben Sie so grundlegende Angst? Warum trauen Sie sich nicht zu fragen, ob Russland Gas liefern würde? Haben Sie Angst davor, dass Russland sagt: Ja, wir liefern Gas?

Ich verstehe diesen Ausdruck „er erpresst uns“ nicht. Warum machen Sie das Angebot nicht? Wenn dann nichts kommt, schüttle ich Ihnen gern die Hand und sage: Ja, Herr Silbersack, Sie hatten recht, es kommt kein Gas. Aber solange wir als Land nicht fragen, ist das einfach eine Mutmaßung, die in den Raum gestellt wird,

die nicht bewiesen ist. Fragen Sie doch einfach! Wovor haben Sie Angst?

(Unruhe)

Herr Lieschke, ich habe keine Angst. Ich glaube auch nicht, dass ich den Eindruck vermittle. Ich habe eine gewisse Verantwortung gegenüber den Menschen hier im Land.

(Zurufe von der AfD: Eben! - Genau darum!)

Bei der derzeitigen Russlandpolitik, die unter Gorbatschow niemals denkbar gewesen wäre, bin ich mir sicher, dass das einfach Machtpoker ist. Die Frage ist, ob man sich auf einen solchen Machtpoker einlässt oder nicht. Deshalb tut man gut daran, in dieser Situation ein gerades Kreuz zu behalten. Und genau das macht die Bundesrepublik Deutschland.

(Zurufe von der AfD)

Das war die Antwort auf die Frage. - Jetzt hat sich Herr Rausch gemeldet. Lassen Sie auch seine Frage zu, Herr Silbersack? - Bitte Herr Rausch. - Sie verzichten zugunsten einer Kurzintervention von Herrn Dr. Moldenhauer? - Herr Dr. Moldenhauer, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Silbersack, Sie haben gerade von Lehren aus der Geschichte gesprochen und davon, dass man die Geschichte natürlich immer mit im Blick

haben muss. Bis zum Ausbruch dieses Konflikts, dieses Krieges - wie immer Sie es nennen wollen -

(Zuruf von den GRÜNEN: Angriff!)

war es Konsens in der Bundesrepublik Deutschland, dass nie wieder deutsche Waffen gegen Russen gerichtet werden sollen. Mit dieser Lehre aus der Geschichte haben wir gebrochen. Darauf wollte ich, weil Sie diese Lehren erwähnt haben, noch einmal hinweisen.

Dann sei mir an dieser Stelle auch folgende Anmerkung erlaubt: Politik lebt von der Zuspitzung, auch in Debatten. Wenn ich mir anschaue, wie Herr Melnyk in den Debatten teilweise geholzt hat und welche Sprache auch Herr Selenskyj an den Tag legt, wenn er sagt, wem er - so sagte er es ja - in die Fresse hauen will, dann muss ich sagen: Das ist eine Rhetorik, die man, wenn man gutmütig ist, zum Teil vielleicht noch aus der Situation heraus erklären kann. Aber ich sage einmal: Wer austeilt, der muss auch ein- stecken können.

(Beifall bei der AfD)

Herr Silbersack, bitte.

Zu Letzterem. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie man sich fühlt, wenn man Präsident eines Landes ist, welches überfallen wurde, in dem Tausende und Abertausende Menschen sterben. Dass man dann eine andere Gangart an den Tag legt

und durch Emotionalität zum Ausdruck bringt, dass man sich in einer Grenzsituation befindet, ist nachvollziehbar. Insofern finde ich diese Wortwahl im Einzelnen nicht schön, aber ich glaube, Sie müssen das vor dem Hintergrund eines überfallenen Landes betrachten. Dann wird es klar.

Was die Frage zu Russland betrifft, bin ich, weil ich ein ganzheitliches Europa sehe - das ist nicht teilbar -, ehrlicherweise der Hoffnung, dass die Dinge auch in der Zukunft gemeinsam mit Russland gemacht werden müssen.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Aber das schaffen wir eben nur gemeinsam. Wenn ich mich an die Bilder von diesem langen Tisch im Kreml erinnere und daran, wie sich ein europäisches Staatsoberhaupt nach dem anderen, ob es Macron war, ob es Scholz war, an das 10 m entfernte andere Tischende gesetzt hat, dann muss ich feststellen: Der Herr Putin hat sie im Grunde alle ins Leere laufen lassen.

Deshalb sage ich: Die Grundaussage, dass Deutschland aufgrund der Geschichte eine besondere Verantwortung gegenüber Russland hat, ist völlig klar. Ich bin auch überhaupt kein Freund davon, dass man sich tatsächlich mit deutschen Waffen gegen Russland zur Wehr setzt.

(Zuruf von der AfD: Das will doch keiner!)