Insofern, muss ich ganz ehrlich sagen, hätte ich mir von der AfD-Fraktion - der Titel lautet ja „Verkehrsblockaden“ - ein bisschen mehr für Sachsen-Anhalt gewünscht. Das haben Sie wieder nicht gesagt. Aber der Kollege Büttner redet viel über Dinge, bei denen er nicht anwesend ist, wie ich jetzt feststellen musste. Deshalb möchte ich ganz gern noch darauf kommen, wie wir zukünftig in Sachsen-Anhalt mit diesen Klimaprotesten umgehen können.
Als Erstes, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht für uns Freie Demokraten ein Satz darüber. In unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und Demokratie wer- den wir das Prinzip, dass der Zweck die Mittel heiligt, nicht akzeptieren
Diejenigen, die sich angeblich für mehr Klimaschutz auf die Straße kleben, um dann den Sekundenkleber - der übrigens nicht wasserlöslich ist wie der Kleister, den man heute in München verwendet hat - einfach in den Gully zu werfen, finde ich, pflegen auch keinen wunderbaren Umgang mit dem Umweltschutz.
Ich weiß auch nicht, ob man 40 l Tapetenkleister auf die Straße kippen sollte wie heute in München. Das muss auch jemand wegmachen; denn wenn der aushärtet, besteht eine gewisse Rutschgefahr. Ich verstehe das nicht. Aber wir müssen als Staat auch auf solche Aktionen reagieren und konsequent zur Anklage bringen.
Ich persönlich bin aber der Meinung, dass diese Aktion, diese Radikalisierung in den Aktionen, die in den letzten Monaten zugenommen haben, eher einen Bärendienst für den Klimaschutz leistet.
Es ist ein Zitat des Bundessprechers der Grünen Jugend. Da heißt es unter Bezugnahme auf die gestrigen Durchsuchungen:
„Die krasse Kriminalisierung der Klimabewegung macht mir große Sorge. Denn bei all den Protesten stehen wir sicherlich erst am Anfang von dem Protest, der notwendig wird, um die Klimakatastrophe in den Griff zu bekommen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn diese Radikalisierung der Grünen Jugend noch nicht genug ist, dann wehret den Anfängen! Denn es kann eigentlich strafrechtlich nicht noch relevanter werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Und ja, Herr Kollege Meister, ich war auch mal in einer Jugendorganisation. Ich weiß auch, dass man da manchmal etwas radikaler formulieren kann. Aber ich nehme zumindest für die Jungen Liberalen in Anspruch, dass wir uns immer auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Klimakrise ist Tatsache. Die Erderhitzung ist menschengemacht. Die Klimakrise und die Industrialisierung sind miteinander verbunden. Seit dem Menschen organisiert und in einem in der Menschheitsgeschichte nicht bekannten Maß fossile Rohstoffe nutzen und vor allem verbrennen, eskaliert sie.
Die Mechanismen der Erderhitzung sind verstanden. Kein vernünftiger Mensch kann behaupten, wir wüssten nicht, was geschieht, wenn wir mit Kohle, Erdöl und Erdgas über Jahrmillionen gespeicherte Kohlenstoffvorräte in die Atmosphäre verbringen. Die zerstörerischen Effekte unseres menschlichen Tuns sind seit Jahrzehnten klar.
Und doch überall das gleiche Bild, ob in Sachsen-Anhalt, der Bundesrepublik Deutschland, Europa, der Welt: Bislang verfehlen 197 Vertragsstaaten zum internationalen und verbindlichen Klimaabkommen von Paris gemeinsam die Verpflichtung, die sie zum Schutz des Klimas eingegangen sind.
Die Weltgemeinschaft ist in keinem Bereich auf dem Weg zur 1,5-Grad-Grenze unterwegs. Die Klimakrise eskaliert. Aktuell steuern wir auf 2,4 bis 2,6 °C Erderhitzung bis Ende dieses Jahrhunderts zu. Das ist weit weg von deutlich unter 2 °C oder - besser - 1,5 °C, was Ergebnis eines langen Aushandlungsprozesses aller Staaten war.
Erdüberhitzung, auf die wir aktuell zusteuern, aber macht weite Teile unserer Erde unbewohnbar. Tödliche Hitzewellen und Hungersnöte sind die Folge.
Die NASA geht von mehreren bevölkerungsreichen Regionen aus, die schon in 30 bis 50 Jahren unbewohnbar werden:
Iran, Kuwait, Oman. Schwer ertragbar wird in diesen Szenarien das Leben in Saudi-Arabien, Ägypten, Jemen, Sudan, Äthiopien, Somalia sein. Bis zum Jahr 2070 werden auch große Teile Brasiliens, der Mittlere Westen der USA, Arkansas, Missouri, Iowa kaum mehr bewohnbar sein. Aber auch Regionen in Südostasien und in Indien sind betroffen.
Von der Verknappung von Siedlungs- und Ackerflächen durch steigende Meeresspiegel habe ich da noch gar nicht gesprochen. Die Klimakrise eskaliert und wir tun zu wenig, viel zu wenig, um daran etwas zu ändern.
Um die 1,5-Grad-Grenze noch mit 50 % Wahrscheinlichkeit zu erreichen, wäre das CO2-Äquivalent-Budget für unser Bundesland Sachsen-Anhalt schon im Jahr 2029 aufgebraucht, und zwar bei linearer Reduktion unseres Treibhausgasausstoßes ab sofort. Von diesem Reduktionspfad sind wir meilenweit entfernt.
Der Name „Letzte Generation“ nimmt zu Recht die in der Wissenschaft unzweifelhaft festgestellten Kippelemente auf, die zu einer abrupten und unumkehrbaren Änderung des
Erdsystems führen können. Ausgelöst werden können diese Kipppunkte bereits bei einer Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze.
Im Namen der heute hier in Rede stehenden Protestbewegung steckt also die richtige Feststellung, dass es unsere Generation als die letzte Generation ist, die Entscheidungen zu einer Eingrenzung der Klimakrise treffen kann, an die wir uns noch gut anpassen können.
In dieser Situation stellen Abgeordnete hier im Raum diejenigen Menschen als Radikale, ja, Terroristen hin, die unserer Gesellschaft den Spiegel vorhalten,
die das Menschheitsversagen als Problem benennen und Lösungen einfordern, die helfen, die Erderhitzung zu begrenzen.
António Guterres, nichts weniger als der UN-Generalsekretär, hat die Sache auf den Punkt gebracht. Ich darf ihn zitieren: