Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

Wenn in jeder Haushaltsaufstellung neben den üblichen Angaben auch eine Zeile zu der „Wiederbeschaffung der verbrauchten natürlichen Ressourcen“ enthalten wäre, dann wäre das ein kleiner Schritt zu einer stärkeren Bewusstseinsschärfung.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Für viele ist die Adventszeit völlig normal verbunden mit viel Nascherei. Ein weiterer Verlust der Artenvielfalt könnte diese Lust allerdings schmälern. Denn der in so vielen Leckereien enthaltene Kakao lebt davon, dass besonders zwei kleine Insektenarten munter, fröhlich und gesund sind, nämlich Ameisen und Fliegen. Es braucht Kakaoplantagen, die von Schatten spendenden Bäumen umsäumt sind, und unsere adventliche Nascherei - diejenigen von Ihnen, die jetzt nicht in der Fastenzeit sind, genießen

das - kann einfach ungehindert weitergehen. Aber der Kakao wird zunehmend als Monokultur in der Sonne angebaut und das muss auf lange Sicht scheitern. Ameisen und Fliegen mögen diese Bedingungen gar nicht. Technischer Fortschritt gleicht all das nicht aus.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Am Ende - auch das wissen wir seit 50 Jahren durch den ersten Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ - hilft perspektivisch für diese globale Aufgabe nur ein anderes Wirtschaften.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Deswegen bleibt es unverständlich, warum wir noch immer das Wachstumspostulat nach vorn stellen, zumal der Earth Day im Jahr immer weiter nach vorn rutscht und wir jetzt mittlerweile schon im ersten Halbjahr angekommen sind.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Ich finde, deutlicher können die Signale gar nicht werden.

(Guido Kosmehl, FDP: Aber Wachstum si- chert Wohlstand!)

Die vor 50 Jahren zugrunde gelegten Kriterien des Club of Rome sind immer noch aktuell: Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, nicht erneuerbare Ressourcen, Umweltschäden. Sehr ähnliche Kriterien führen übrigens zu Krieg, Vertreibung und Migration. Diese Erfahrung rückt uns hier im globalen Norden quasi wöchentlich näher auf den Leib.

Wir brauchen also weltweit ein verstärktes soziales und ökologisches Gleichgewicht, sonst laufen wir unweigerlich in eine Katastrophe und auch unser Reichtum hier im Norden ist perspektivisch gefährdet. Wir brauchen also eine andere Denk- und Verhaltensweise, um die Krise zu bewältigen. Das hat der Deutsche Christian Berg festgehalten und in seinem im Jahr 2020 erschienenen Bericht an den Club of Rome „Ist Nachhaltigkeit utopisch?“ beschrieben.

Auch die moderne Volkswirtschaftslehre befasst sich mit der Gestaltung einer Postwachstumsgesellschaft. Die Leitfrage in dieser Perspektive lautet: Wie kann eine Wirtschaft gestaltet werden, in der Umbau und Schrumpfen mit einem guten Leben auf allen Kontinenten einhergeht und Wohlstand eben nicht eine Frage von Reichtum ist, sondern eine Frage von Frieden, Gerechtigkeit, persönlichen Entwicklungschancen und Bildung? Wenn etwas wachsen darf, was kann das sein? Wirtschaften unter den Bedingungen der Nachhaltigkeit und der Gerechtigkeit ist das Gebot der Stunde. Dann laufen die Dinge wie Klimaschutz und Artenschutz unweigerlich mit.

Zurück zu Montreal 2022. Die Tagung geht noch fünf Tage. Wir dürfen sehr gespannt sein, was am Ende dabei herauskommt. Auf der einen Seite teile ich, ehrlich gesagt, die Skepsis: Möglicherweise wird es wirklich nicht zu einem Paris-Moment kommen. Aber auf der anderen Seite bin ich bis zum 19. Dezember hoffnungsvoll, dass wir vielleicht in die Nähe eines Paris-Moments kommen.

Der Kampf gegen den Klimawandel und der Kampf für biologische Vielfalt gehören zusammen. Die Freude an der Vielfalt der Natur muss im Alltag gegenwärtig sein und nicht nur bei

Wochenendspaziergängen im Wald oder auf der weiten Flur.

Wir brauchen - diesbezüglich bin ich sehr bei António Guterres - einen Friedenspakt mit der Natur. Die Gestaltungsmöglichkeiten hier im Land sind vielfältig. Ich glaube, sie hängen wirklich weniger am Geld als an den Möglichkeiten und dem kooperativen Denken. Sie sind abhängig von dem Mut, gute Pfade zu stabilisieren, neue Pfade zu denken und alte zu verlassen. Gestatten Sie mir, dies am Ende zu bemerken: Neu zu denken, Mut zu haben und alte Pfade zu verlassen, ist eine Botschaft von Weihnachten, für alle diejenigen, die in zehn Tagen Heiligabend feiern. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Danke. - Es gibt eine Frage von Herrn Scharfenort.

(Jan Scharfenort, AfD: Intervention!)

- Verzeihung, Sie haben recht. Es ist eine Intervention.

(Ulrich Siegmund, AfD: Inhaltlich stellen!)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte einfach einmal mit dem Wachstumsbegriff und den Irrtümern, insbesondere bei den Linken, aufräumen. Natürlich bedeutet Wachstum nicht nur den Verbrauch von Naturressourcen.

Wachstum bedeutet auch Produktivitätsfortschritte, die durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt ausgelöst werden.

Solange die Produktivität in einer Volkswirtschaft steigt, haben wir natürlich auch Wachstum zu verzeichnen. Das ist sehr wohl anzustreben. Sie wollen den vernichten, so scheint es mir. Aber es ist einfach ein Irrglaube, das immer nur an den Verbrauch von Naturressourcen zu koppeln.

Solange dem Menschen - das Postulat kann man sicherlich aufrechterhalten - immer wie- der etwas Neues einfällt und er neue Erfindungen hervorbringt, solange können wir - - Solange wir dieses Postulat aufrechterhalten - in Deutschland ist das bei unserem Bildungsstand wahrscheinlich nicht der Fall, aber auf der Welt insgesamt wird dem Menschen der Ideenreichtum nicht ausgehen; wir können weiterhin unterstellen, dass ihm immer wie- der etwas Neues einfällt -, solange ist auch Wachstum unbegrenzt möglich. Insofern noch einmal: Aufklären mit den Irrtümern der Linken.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Herr Aldag, ich schaue zu Ihnen. Wollen Sie noch etwas sagen? - Gut, damit sind wir am Ende der Debatte angelangt. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 der Geschäftsordnung des Landestages von Sachsen-Anhalt nicht gefasst.

Nutzen Sie mit mir die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Thomas Mann“ aus Dardesheim zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Der Kollege Gallert kommt nach vorn und lässt sich nicht ablenken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht weiter. Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 10

Aktuelle Debatte

Fachkräfte ausbilden, gewinnen, anerkennen und integrieren - zentrale Aufgabe für die Sicherung von Sachsen-Anhalts Zukunft

Antrag Fraktion SPD - Drs. 8/1988

Die Redezeit beträgt je Fraktion zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls zehn Minuten Redezeit zur Verfügung. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: SPD, AfD, FDP, DIE LINKE, CDU und GRÜNE.

Zunächst hat die Antragstellerin das Wort. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Dr. Katja Pähle. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fachkräftemangel in Deutschland zeigt sich schon dann eindrucksvoll, wenn man nur die Zahlen betrachtet. 73 % der Unternehmen berichten von Engpässen in ihrer Personalausstattung.

In einer Befragung für den Fachkräfte-Migrationsmonitor der Bertelsmann Stiftung, der vor sechs Tagen erschienen ist, ist das nachzulesen.

Zwei Millionen unbesetzte Stellen ermittelt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Spätsommer dieses Jahres. Sie prognostizieren einen Zuwanderungsbedarf von jährlich 260 000 Personen netto. Dasselbe Institut präsentiert diese Zahlen.

Zusammenfassend urteilt die Bertelsmann Stiftung:

„Der Personalmangel tritt mittlerweile in fast allen Berufen, Branchen und Regionen auf. Unsere Wirtschaft verliert dadurch zunehmend an Dynamik.“

Wirklich plastisch aber wird das Problem, wenn wir auf seine Auswirkungen schauen und sie uns praktisch vor Augen führen. Erst gestern warnte das neu gegründete Bündnis Pro Rettungsdienst: Bei einem Weiter so könnte es in Zukunft immer öfter passieren, dass im Notfall kein Rettungswagen kommt. Im Zweifelsfall liegt es heute schon am Personalengpass, wenn Betroffene auf den Rettungsdienst warten müssen, und nicht an den Klimaklebern.

(Guido Kosmehl, FDP: Oh! Das ist jetzt - - Das liegt vielleicht am rot-roten Berlin! - Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Wir erleben es im Alltag: Arztpraxen verkürzen ihre Öffnungszeiten, Kitas können an Tagesrandzeiten nicht mehr öffnen, Rathäuser schließen Außenstellen, Handwerker können Aufträge nicht mehr an annehmen.

Wir erleben es im Parlament: Bei der Anhörung zur Änderung des Ladenöffnungszeiten-

gesetzes, das wir gestern beschlossen haben, machten die Vertreter des Einzelhandels deutlich, dass sie für zusätzliche Öffnungszeiten kein Personal hätten.

(Ulrich Siegmund, AfD: Sind sie selbst schuld daran!)

In vergangenen Wahlperioden hat noch manch einer in diesem Haus gedacht, dass sich mit sinkenden Bevölkerungszahlen viel Geld beim Personal im öffentlichen Dienst sparen lässt. Heute erleben wir: Arbeitskräfte fehlen an allen Ecken und Enden; in der Privatwirtschaft ebenso wie bei öffentlichen Dienstleistungen. Das Problem ist förmlich mit den Händen zu greifen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Branchen genauso wie der öffentliche Dienst überlegen in dieser Situation, wie sie mit attraktiven Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung gegensteuern können. Das ist gut so. Aber damit ändern wir nichts daran, dass die Decke überall zu kurz ist. Es führt kein Weg daran vorbei: Deutschland braucht mehr Arbeitskräfte. Deutschland braucht Zuwanderung.