Protokoll der Sitzung vom 26.01.2023

Der angekündigte Wechsel im Präsidium findet nun zum Tagesordnungspunkt 27 statt.

Trotz meiner vollmundigen Ankündigung, dass es vorhin der letzte Wechsel des Tages gewesen sei, hat das Parlament beschlossen, heute noch eine Nachtschicht einzulegen. Deswegen rufe ich auf den

Tagesordnungspunkt 27

Erste Beratung

Ausbildungsvergütung für Pflegehelfer:innen sofort auf den Weg bringen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2141

Einbringen wird den Antrag Frau Anger. - Frau Anger, bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat im letzten November zur Sitzung des Landtages abgefragt, wie es mit der Umsetzung der Maßnahmen des Corona-Sondervermögens seitens des Sozialministeriums steht. Der Maßnahmenbeginn sei bspw. dann gegeben, wenn mit einer Ausschreibung oder mit der Veröffentlichung einer

Richtlinie oder Ähnlichem gestartet sei; das musste alles bis zum Ende des Jahres 2022 erfolgen.

Mit einigen Maßnahmen war zum Zeitpunkt der Nachfrage tatsächlich noch nicht begonnen worden. Dennoch: Die Antworten des Sozialministeriums fielen immer wieder beschwichtigend aus. Sie suggerierten, alles würde in trockenen Tüchern stecken. Für die Ausbildungsvergütung der Pflegehelfer*innen hieß es im November auf meine Anfrage, dass ein Gesetzgebungsverfahren erforderlich sei. Dieses Gesetzgebungsverfahren wolle man kurzfristig mit einem Beschluss der Landesregierung herbeiführen und dann gelte die Maßnahme auch als gestartet.

Meine Damen und Herren! Nun zeigt sich, dass das überhaupt nicht der Fall ist. Im vergangenen Jahr wurde kein Gesetzentwurf vorgelegt und somit auch kein Beschluss herbeigeführt. Die Aussagen des Sozialministeriums von November hatten keinen Bestand. Folglich bleibt die Pflegehelfer*innen-Ausbildung auf der Strecke. Das Geld, ihre Ausbildungsvergütung, geht ihnen verloren.

(Unruhe)

Einen Augenblick bitte, Frau Anger. - Das ist der letzte Tagesordnungspunkt, und wir haben uns alle darauf verständigt, dass wir diesen heute noch aufrufen wollen. Daher wäre es gut, wenn wir noch eine gewisse Konzentration an den Tag legen könnten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Alles das, was wir heute Abend erledigen, brauchen wir morgen Abend nicht zu erledigen.

Daher bitte ich um noch ein bisschen Konzentration. - Frau Anger, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Allein knapp 19 Millionen € des Sondervermögens waren für diese Ausbildungsvergütung vorgesehen. Mit der Ausbildungsvergütung sollen jetzt die Schulden des Landes getilgt werden, während bei den Pflegehelfer*innen Wortbruch begangen wurde.

Damit steht fest, die Landesregierung lässt dringend benötigte Mitarbeitende in der Pflege bereits bei Ausbildungsbeginn im Stich. Der Personalmangel im Gesundheitswesen wird durch diesen folgenschweren Fauxpas weiter verschärft. Die Gesundheitsministerin hat den Pflegehelfer*innen damit einen Bärendienst erwiesen.

Meine Damen und Herren! Der Finanzminister selbst hat bereits im Oktober des letzten Jahres der Fachministerin, also der Sozialministerin, in diesem konkreten Fall Untätigkeit vorgeworfen. Finanzminister Richter kritisierte im „Mitteldeutschen Rundfunk“, dass die Umsetzung hierbei nicht zufriedenstellend sei. Er machte deutlich, dass die Verzögerungen damit zusammenhingen, dass man in den Ministerien zu lange für die Umsetzung von Richtlinien brauche. Auch ihm ging es im letzten Jahr alles viel zu langsam. Die Sozialministerin selbst flüchtete sich in Ausreden und erklärte, dass die Umsetzung nicht erfolge, weil im Bund die Anschlussfinanzierung nicht geklärt sei. Umso mehr muss man sich verwundert fragen, wie sie infolge dessen zu der Aussage kommen konnte, mit den Vergütungen nun im 2024 starten zu wollen.

Meine Fraktion hat wieder nachgefragt. Im Ausschuss hieß es nur, es laufe alles, alles starte wie geplant. Und jetzt? - Nichts lief und nichts ist wie geplant gestartet. Das Gesetz ist nicht fertig. Es wird einfach ausgesessen, wie so vieles in diesem Haus.

Die Pflegehelfer*innen in der Ausbildung bekommen immer noch keinen Cent Vergütung. Im Gegenteil: Jetzt zahlen sie auch noch die Schulden des Landes. So kann man sich zu- künftige Mitarbeitende in der Pflege schon vor Berufsantritt vergraulen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir alle wissen um den Mangel beim Personal in der Pflege. Wir alle wissen um die Rahmenbedingungen in der Pflege. Der seit Jahren andauernde Pflegenotstand sowie die Belastungen der Pandemie und der Energiekrise haben das Gesundheitswesen Sachsen-Anhalts in die Nähe des Abgrundes getrieben. Darüber haben wir heute schon gesprochen. Seit Jahrzehnten verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege, ob in den Krankenhäusern, im Bereich der ambulanten Pflege oder in den Altenheimen. Die Belastung steigt, die Attraktivität des Berufes sinkt - schlecht bezahlt, körperlich extrem anstrengend und psychisch zehrend.

Die wenigen jungen Menschen in Sachsen-Anhalt wollen und können unter diesen Bedingungen kaum arbeiten - Drei-Schichten-System, Personalmangel, überbelegte Häuser mit unterbesetztem Personal. Abschreckender geht es nicht. Dann auch noch eine Ausbildung zum Pflegehelfer/zur Pflegehelferin für lau?

Meine Damen und Herren! Dass es die Gesundheitsministerin in dieser akuten Notsituation offenbar komplett verpennt hat, die geplante

Ausbildungsvergütung für dringend benötigte Pflegehelfer*innen im letzten Jahr auf den Weg zu bringen, ist aus gesundheitspolitischer Sicht geradezu fahrlässig. In der Antwort auf meine dringliche Anfrage zum heutigen Plenum zu den Zahlen der Pflegehelfer*innen zeigt sich, dass wir in den letzten zehn Jahren einen sehr starken Rückgang zu verzeichnen haben: Haben im Jahr 2012 noch 981 junge Menschen diese Ausbildung begonnen, waren es im Jahr 2021 nur noch 519. Von diesen 519 haben auch nur 270 den Abschluss geschafft oder gemacht. Völlig offen ist die Frage, wie viele der Absolvent*innen dann noch in den Beruf einsteigen oder etwas anderes machen. Das ist Scheitern mit Ansage.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nun bleibt der Zugang weiter prekär. Das federführende Gesundheitsministerium hat die Erarbeitung eines entsprechend nötigen Gesetzes schlichtweg verschlafen oder bewusst ausgesessen. Und den Preis sollen wieder diejenigen zahlen, die seit jeher kaum Wertschätzung und politische Unterstützung erfahren. Deren Idealismus und deren Engagement für die Gesellschaft dürfen jedoch nicht noch weiter ausgenutzt werden.

Meine Damen und Herren! Ich fordere das Kabinett auf, Wort zu halten und die vorgesehenen Mittel für die Ausbildungsvergütung um- gehend bereitzustellen. Deshalb muss die Landesregierung zumindest als Anfang und als Zeichen der Wahrnehmung und Wertschätzung jetzt sofort ein Gesetz auf den Weg bringen, das diese Ausbildungsvergütung für Pflegehelfer*innen im Land regelt. Noch im ersten Quartal 2023 muss es kommen, und es muss rückwirkend mit Beginn des Ausbildungsjahres 2022/2023 in Kraft treten, damit das Geld bei den Pflegehelfer*innen auch ankommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Kurzfristig müssen zur Stärkung der Pflegeberufe natürlich weitere Schritte gegangen werden. Verbesserungen der Rahmenbedingungen sind nötig. Ein weiteres Austragen des kaputtgesparten Gesundheitssystems auf dem Rücken der Fachkräfte und Helfer*innen darf sich nicht fortsetzen. Beim Personal darf nicht weiter gespart werden. Das Personal braucht dringend Verstärkung und Kolleg*innen. Die Ausbildungsvergütung ist ein erster kleiner, aber wichtiger Schritt, der jetzt umgehend zu gehen ist, wenn das Gesundheitsministerium endlich aufwacht, in die Gänge kommt, seine Hausaufgaben macht und einen Gesetzentwurf dafür umgehend vorlegt.

Ich bitte Sie, unseren Antrag zuzustimmen, damit wir das auf den Weg bringen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Anger. - Es ist eine Dreiminutendebatte verabredet worden. Zunächst redet für die Landesregierung die Ministerin Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dass ein arbeitsmarktpolitischer Handlungsbedarf in der Pflegehelferinnenausbildung existiert, wurde nicht erst durch die Coronapandemie deutlich. In Sachsen-Anhalt beschloss der Landtag am 31. Januar 2019, die Landesregierung

zu bitten, alle notwendigen Verwaltungsverfahren zur Umsetzung der Schulgeldfreiheit für Erzieher- und Gesundheitsberufe vorzubereiten, damit diese beginnend, wohlgemerkt, zum Schuljahr 2020/2021 in Sachsen-Anhalt umgesetzt werden können.

Ich habe diesen Landtagsbeschluss sehr begrüßt und traf in meinem Haus - nicht alles ist nur in meinem Haus ressortiert - für die Schulen in freier Trägerschaft, die noch Schulgeld verlangen, ausreichend Haushaltsvorsorge. Somit wird seit 2019 die Finanzierung der Schulgeldfreiheit in der Ausbildung der Altenpflegehilfe und der Altenpflege durch das Sozialministerium übernommen und damit durch den Landeshaushalt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Auch auf der Bundesebene gibt es seit dem Jahr 2021 intensivierte Bestrebungen, die Ausbildungskapazitäten für die Pflegehilfe- oder die Pflegeassistenz-ausbildung deutlich zu steigern. Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien auf der Bundesebene für die 20. Legislaturperiode sieht dafür die Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufegesetzes für die Pflegeassistenzausbildung vor. Es erfolgten bereits erste Abstimmungen zwischen den zuständigen Bundes- und Landesministerien. Hierbei wurde aber deutlich, dass die bisherige Ausgestaltung der Pflegehelferinnen- und Pflegehelferausbildung in den Ländern auf sehr unterschiedlichen Strukturen basiert und die Voraussetzung für bundeseinheitliche Regelungen bislang nicht abschließend rechtssicher geklärt werden konnten.

Noch einmal für die antragsstellende Fraktion: Aufgrund dessen beabsichtigt der Bund, nun mittels eines Rechtsgutachtens klären zu

lassen, inwieweit verfassungsrechtliche Bedenken einer bundesrechtlichen Regelung im Wege stehen. Bei der Einrichtung des CoronaSondervermögens ist die Landesregierung davon ausgegangen, dass die Ausbildungsvergütung für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mittelfristig durch den Bund geregelt wird. Im Vorgriff auf eine solche Bundesregelung sollte übergangsweise eine Finanzierung der Ausbildungsvergütung für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer aus dem Corona-Sondervermögen beginnend ab dem 1. August 2023 erfolgen.

Im Moment kann allerdings nicht eingeschätzt werden, wann und ob der Bund in die Finanzierung einsteigt. Es hat sich erst im Dezember ergeben, dass es sich dabei um keine Übergangsfinanzierung handelt. Eine Dauerfinanzierung können wir nicht aus dem Corona-Sondervermögen vornehmen. Daher hat das Finanzministerium, auch weil der Gesetzentwurf bereits fertig war, gesagt, es könne nicht aus dem Corona-Sondervermögen finanziert werden.

(Zuruf von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

Ich halte aber die Gewährung einer Ausbildungsvergütung für die Pflegehelferinnen und Pflegehelfer für dringend und zwingend notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen werden wir insbesondere alles dafür tun, dass die Attraktivität dieser Ausbildung erhöht und dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegengewirkt wird. Wir müssen jetzt innerhalb der Regierungsfraktionen schauen, ob es möglich ist, den Termin 1. August 2023 noch zu halten. Das würde aber bedeuten, wir müssten das im Jahr 2024 im Vorgriff aus dem Landeshaushalt stemmen. Das ist der Unterschied zu dem, was hier vorhin vorgetragen wurde.

Wir haben keinen Gesetzentwurf verpennt. Wir haben sogar schon die Richtlinien dafür fertig, damit das aus dem Bildungsministerium und aus unserem Ministerium auf den Weg gebracht werden kann. Es ist nämlich eine gemeinsame Gesetzesinitiative, weil auch im Schulgesetz Änderungen herbeigeführt werden müssen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Damit treten wir in die Debatte ein. Die erste Debattenrednerin wird Frau Dr. Schneider für die - -

(Zurufe)

- Ach, Herr Gebhardt, Entschuldigung! Ich habe es mir aufgeschrieben.