Protokoll der Sitzung vom 23.02.2023

Der Kollege Erben hat so mich nett gebeten, doch noch einmal auf den Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen einzugehen. Das mache ich natürlich sehr gern,

(Zustimmung - Siegfried Borgwardt, CDU, lacht)

zumal die Ministerin bei einer der vorherigen Debatten sehr skeptisch war, ob die Personalie Joachim Stamp wirklich der richtige sei. Ich glaube, wir können sie davon überzeugen, dass Joachim Stamp nicht nur als Integrationsminister in NRW gute Zahlen geliefert hat, sondern dass er noch stärker auf diesem Gebiet versuchen wird, Migrationsabkommen zu schließen, und zwar auf beiden Seiten, die Sie auch angesprochen haben, also auf der einen Seite eine legale Zuwanderung von Fachkräften zu ermöglichen, aber dies nur zu ermöglichen,

wenn auf der anderen Seite eine Rückführung derjenigen garantiert ist, die keine Aufenthaltstitel mehr haben können.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich bin gespannt - Frau Ministerin, ich glaube, vielleicht sind wir beide gespannt -, wie sich jetzt das mit Indien abgeschlossene Migrationsabkommen auswirken wird. Denn die Gruppe der indischen Staatsangehörigen, die ohne Aufenthaltstitel in Sachsen-Anhalt leben, ist relativ groß. Ich hoffe, ehrlich gesagt, dass wir das schnell nicht nur implementieren, sondern auch umsetzen können, dass wir durchaus in dem Punkt - womit wir seit Jahren ein Problem haben, weil wir keine Passpapiere haben - vorankommen und dass wir die Anzahl der Ausreisepflichtigen in Sachsen-Anhalt reduzieren können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das geschieht, dann ist für diejenigen, die unseren Schutz brauchen, ob als Flüchtlinge, als Asylsuchende oder als Menschen im subsidiären Schutz, auch genügend vorhanden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. Es gibt eine Frage von Herrn Roi, wenn Sie diese zulassen.

Ich bemühe mich.

Sie bemühen sich. - Herr Roi, bitte.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Kosmehl. Gestatten Sie mir zunächst, einleitend eine Aussage richtigzustellen: Wir glauben an Europa, aber nicht an die EU. Das ist ein großer Unterschied,

(Oliver Kirchner, AfD: Ja!)

insbesondere auch deshalb, weil ich hier im Landesparlament mitbekommen musste, dass gerade die EU-Gesetzgebung, die Sie so hoch gelobt haben, das größte Problem für unser Bundesland und für unsere Bürger ist. Ich nenne an dieser Stelle bspw. das jüngst verabschiedete Verbrennerverbot.

(Zustimmung von Nadine Koppehel, AfD - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

Herr Roi, Sie wollten schon eine Frage stellen, keine Intervention.

Ich habe eine Frage und ich kann vorher eine Bemerkung machen. Darum habe ich gebeten. Das ist auch Usus hier im Hause.

Nein, das ist eine Intervention. Sie müssen zum Thema reden. Jetzt stellen Sie also bitte die Frage.

Genauso lehne ich die Abfallgesetzgebung und den europäischen Grenzschutz ab, der uns

immer wieder versprochen wird, den Sie genannt haben. Seit 16 Jahren wird uns die europäische Lösung vorgegaukelt.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Jetzt stellen wir fest, dass Ihr Chef Herr Lindner dort in Berlin mehr Abschiebungen fordert. Wir haben immer noch keinen europäischen Grenzschutz. Dazu frage ich Sie: Wie sollen Abschiebungen jemals Sinn machen, wenn wir keinen Grenzschutz organisieren? - Ich sage Ihnen, es macht nur Sinn, wenn wir diesen national organisieren; denn Europa hat es 16 Jahre lang gezeigt, dass es dies nicht kann. Daher machen Abschiebungen nur Sinn, wenn wir selber einen Grenzschutz organisieren. Wie stehen Sie dazu? Oder wollen wir weiter abschieben und am nächsten Tag feststellen, dass sie alle wieder hier sind? - Das macht keinen Sinn.

(Beifall bei der AfD - Jan Scharfenort, AfD: Die Position von Österreich!)

Herr Kosmehl.

Ich versuche es kurz zu machen.

(Zuruf von der AfD: Die böse AfD!)

Herr Roi, wir haben erstens die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Wir als Freie Demokraten haben seit vielen Jahren im Europäischen Parlament, aber auch in verschiedenen nationalen Parlamenten, darauf hingewiesen, dass deren personelle Ausstattung weiter

aufzustocken ist. Wir haben keine flächen- deckende, alle 5 m stehende Grenzpatrouille, sondern wir haben eine Einsatzkraft, die von Finnland ganz im Norden bis hin nach Griechenland reicht und die an vielen Stellen illegale Migrationsübertritte verhindern kann. Das muss weiter ausgebaut werden.

Dafür kann ich mir durchaus vorstellen, eigene Laufbahnen zu machen; nicht nur Kontingente aus verschiedenen Mitgliedstaaten zusammenzuführen, sondern perspektivisch eine eigene europäische und nicht mehr national geprägte Grenzschutztruppe aufzubauen.

Der zweite Punkt ist - das will ich Ihnen ganz klar sagen -: Wenn wir Europa ernst nehmen wollen, wenn wir Europa leben wollen,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Europa oder die EU?)

dann dürfen wir keine Grenzkontrollen mehr in den verschiedenen Nationalstaaten haben, sondern nur noch an den Außengrenzen. Ansonsten sind die europäische Idee und der europäische Binnenmarkt, der dann auch Kontrollen und Zollkontrollen herbeiführt, tot. Genau das wollen wir nicht.

Sie wissen gar nicht, wie viel der europäische Binnenmarkt zur Entwicklung der neuen Bundesländer Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Brandenburg beigetragen hat. Wer Europa verneint, der vergisst, was Europa in den letzten Jahren für uns getan hat.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Wie viele europäische Mittel sind denn aus Europa nach Sachsen-Anhalt gekommen?

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Dafür ha- ben wir vorher gezahlt! Das ist doch eine Milchmädchenrechnung! So ein Quatsch! - Weitere Zurufe von der AfD)

Vielleicht überlegen Sie erst einmal, was uns Europa gebracht hat, bevor Sie es ablehnen.

Das war die Antwort von Herrn Kosmehl. - Als nächster Redner folgt Herr Striegel.

(Daniel Roi, AfD: Nachfrage ist nicht mehr möglich, oder was?)

- Herr Roi, Sie stehen noch. Ich nehme an, dass Sie eine Nachfrage stellen wollen. Damit, dass Herr Kosmehl sich hingesetzt hat, hat er sehr deutlich signalisiert, dass er diese nicht mehr zulassen will.

(Daniel Roi, AfD: Sie haben ihn auch nicht darauf hingewiesen!)

Das ist bei Nachfragen immer noch das Recht des Redners.

(Daniel Roi, AfD: Sehr eigentümliche Aus- legung der Geschäftsordnung!)

Deswegen rufe ich Herrn Striegel an das Rednerpult. - Herr Striegel, Sie haben das Wort.

(Zuruf von der AfD: Es wird noch schlimmer!)

Ja, das macht der Kollege Kosmehl schon richtig. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der AfD entspricht einmal mehr dem Politikansatz einer

Fraktion, die sich um Realitäten nicht scheren mag, aber diese Realitäten aus zusammenhanglos zusammengekehrten Fakten, Halbwahrheiten, Lügen, rassistischen Ressentiments erschaffen will.

(Tobias Rausch, AfD: Es geht jetzt nicht um Frau Baerbock!)

In Ihrem Antrag sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa. Darin vergleichen Sie von Menschen mit subsidiärem Schutz in Sachsen-Anhalt begangene Straftaten im Jahr 2022 mit der Anzahl der im Jahr 2022 erteilten Aufenthaltstitel oder subsidiären Schutzstatus und nutzen dann die Gesamtzahl aller begangenen Straftaten, ohne die verzerrenden Punkte herauszurechnen. Das entbehrt jeglicher kriminalwissenschaftlichen Grundlage. Sie stellen hierbei Korrelationen und keine Kausalitäten dar.

Weiterhin vermengen Sie die Voraussetzungen zur Gewährung des subsidiären Schutzes mit dem Vorliegen eines Verbots der Abschiebung oder dem Vorliegen von Abschiebungshindernissen. In der Summe erwarten Sie dann wieder, dass sich hier alle empören. Das sind populistische Methoden, mit denen Sie einmal mehr Ihre braunen Ressentiments verbreiten wollen.

Nun zum subsidiären Schutzstatus selbst. Mit dem subsidiären Schutz wird der Staat seiner Verantwortung - die Kollegin sagte es bereits - gegenüber all jenen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gerecht, die weder nach der Flüchtlingskonvention noch nach dem Asylgrundrecht einen Anspruch auf Asyl haben und denen bei ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland oder in das Land des letzten Aufenthalts trotzdem ernsthafter Schaden, wie die Todesstrafe, Folter oder willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts, drohen. Dieser Schutzstatus ist nicht verhandelbar.