Protokoll der Sitzung vom 23.02.2023

(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber doch nicht acht Jahre! Damit hat sie doch recht!)

Wenn sie länger untergebracht werden, dann muss es irgendwelche Gründe haben. Hinter- fragen Sie sie, bitte. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Dann kommen wir jetzt einmal zur Debatte. Es ist eine Fünfminutendebatte. Sie beginnt mit dem Beitrag der Landesregierung durch die

Innenministerin. - Frau Zieschang, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Abg. Quade, Sie haben hier heute eine Lebenswirklichkeit beschrieben, die nicht meine ist.

(Beifall bei der CDU)

Wenn in Sachsen-Anhalt alles tatsächlich so abschreckend wäre, wie Sie es beschrieben haben, dann frage ich mich, wieso im letzten Jahr so viele Menschen bei uns aufgenommen worden sind.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Ge- nau!)

Wir erfüllen unsere gesetzliche Aufnahmeverpflichtung in Sachsen-Anhalt, und das ohne Wenn und Aber. Wenn ich es mir anschaue, bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine - das wissen Sie - lagen wir von der ersten Minute an bis heute über unserer Aufnahmequote. Das heißt, wir haben nicht nur unsere gesetzliche Aufnahmeverpflichtung erfüllt, sondern übererfüllt, aber das auch aus Überzeugung.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Insgesamt muss man sagen, dass das Jahr 2022 für Deutschland wirklich durch eine herausfordernde Aufnahmesituation gekennzeichnet war. Neben mehr als 217 000 beim BAMF registrierten Asylanträgen wurden mehr als eine Million Menschen aufgenommen, die vor dem

völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg aus der Ukraine fliehen mussten.

Sachsen-Anhalt hat im vorigen Jahr die Aufnahme von mehr als 29 000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und von mehr als 5 900 Asylsuchenden sehr gut bewältigt. Der Dank gilt vor allem den Landkreisen und kreisfreien Städten und den Menschen in unseren Gemeinden - wirklich eine hervorragende Leistung -, denen es gelungen ist, alle Eintreffenden aufzunehmen und zu versorgen.

Wir müssen eines ganz nüchtern feststellen: Die Hauptlast dieser Aufnahmeleistung im vorigen Jahr, aber auch in den Jahren davor wird in den Aufnahmekommunen geleistet, und das unterstützt mit ehrenamtlichem Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger.

(Zustimmung bei der CDU)

In der letzten Zeit nehmen die Hinweise aus den Landkreisen und kreisfreien Städten zu, dass die Aufnahmekapazitäten nahezu erschöpft seien. Es wird immer schwieriger, geeigneten Wohnraum zu finden und diesen zeitnah herzurichten. Ich kann nur sagen, diese Hinweise aus der kommunalen Familie nimmt die Landesregierung sehr ernst. Der Ministerpräsident und ich sind dazu in sehr engem Austausch mit den Landräten und Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte und auch mit den kommunalen Spitzenverbänden.

Auch unser Land, sprich: die Landesregierung, leistet seinen Beitrag bei der Bewältigung dieser besonderen Aufnahmesituation. So hat das Land bereits die Kapazitäten der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber, der ZASt, erweitert und weitere Plätze in der Erstaufnahme geschaffen.

Allein in den vergangenen drei Monaten hat das Land insgesamt fast 400 zusätzliche Plätze in neun temporären Außenstellen geschaffen. Zudem kommt demnächst die ZASt-Außenstelle in Quedlinburg mit rund 100 Plätzen dazu, die wieder vollständig genutzt werden kann.

Ich kann Ihnen sagen, das Land wie auch die Kommunen, wir arbeiten tagtäglich daran, die Aufnahmekapazitäten zu erweitern. Der Bund hat dem Land Sachsen-Anhalt übrigens weder im vorigen Jahr noch in diesem Jahr Immobilien oder Liegenschaften für die Unterbringung angeboten.

Ich komme nun zu den Finanzen, die auch in Ihrem Antrag breiten Raum einnehmen. Das Land erstattet den Aufnahmekommunen die Kosten für die Aufnahme von Asylsuchenden. Im vorigen Jahr hat das Land mehr als 90 Millionen € an die Aufnahmekommunen gezahlt. Hinzu kommen die eigenen Kosten des Landes.

Für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine hat das Land bis zum Rechtskreiswechsel den Aufnahmekommunen die Kosten vollständig erstattet. Allein für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine hat das Land daher im vorigen Jahr Kosten in Höhe von rund 60 Millionen € gehabt. Hinzu kommen die eigenen Kosten des Landes. Diese beliefen sich auf zusätzlich rund 26 Millionen €. Der Bund wiederum trägt nur einen Bruchteil dieser Kosten.

Seit dem Rechtskreiswechsel der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in das SGB II trägt der Bund zwar einen Großteil der Kosten für den Lebensunterhalt. Die Kommunen müssen sich

aber an den Kosten der Unterkunft beteiligen, was die Kommunen erheblich finanziell belastet. Gleiches gilt für die Kosten des Lebensunterhaltes älterer Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach dem SGB XII sowie für deren Krankenkosten.

Die kommunalen Spitzenverbände fordern zudem zu Recht, dass der Bund für Asylbewerber mit Bleibestatus alle flüchtlingsbezogenen Unterkunftskosten nach dem SGB II übernimmt. Das hat der Bund von 2016 bis 2021 getan. Diese Praxis muss wieder aufgenommen werden und sie muss rückwirkend zum 1. Januar 2022 gelten.

Insgesamt bleibt deswegen festzuhalten, es bedarf einer auskömmlichen finanziellen Unterstützung durch den Bund.

(Zustimmung bei der CDU)

Auf dem Flüchtlingsgipfel des Bundesinnenministeriums in der vorigen Woche ist bislang kein zusätzlicher Cent des Bundes für die Unterbringung der eingetroffenen Menschen in Aussicht gestellt worden.

(Alexander Räuscher, CDU: Schämt euch, ihr GRÜNEN!)

Dies war insbesondere für die kommunale Familie ernüchternd. Das Land wird auch mit Blick auf die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler die berechtigten finanziellen Belange der Kommunen und im Übrigen auch der Länder und deren Dringlichkeit gegenüber dem Bund deutlich machen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Dank, Frau Ministerin. - Es gibt eine Intervention von Herrn Scharfenort. - Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sie waren ja auch auf dem Flüchtlingsgipfel und haben dort das Gesprochene, denke ich, wahrgenommen, auch die Kritik.

Ich möchte einfach vermehrt dafür werben, dass Geld nicht mehr reichen wird. Wir sind an den Kapazitätsgrenzen. Nehmen Sie allein das Schulproblem, das Lehrerproblem. Auch in meinem Landkreis sagen immer mehr Lehrer, dass sie nicht mehr können. Es geht einfach nicht mehr; es funktioniert nicht mehr.

Sie können noch so viel Geld dorthin schicken, die Kapazitäten sind einfach nicht da und können auch nicht in Kürze aufgebaut werden. Wir haben sowieso schon das Lehrerproblem, das dadurch natürlich noch zusätzlich verschärft wurde, neben Integration, Inklusion, Erziehung, was die Lehrer noch alles machen sollen. Also, es scheitert auch nicht nur am Geld. Es scheitert auch einfach an den Kapazitäten. Die haben wir nicht mehr. Der nächste Schritt - was soll noch kommen? - ist, wieder Turnhallen zu öffnen.

Wie soll denn das weitergehen? Und dann? Was wird danach? Die Betreuer sind nicht da, die Lehrer sind nicht da. Es funktioniert nicht mehr. Deshalb möchte dafür werben, wir müssen einfach begrenzen. Wir müssen jetzt anfangen, richtig zu begrenzen.

(Beifall bei der AfD)

Sie haben das Wort, Frau Ministerin.

Ich habe, glaube ich, schon beim vorherigen Debattenbeitrag mitgeteilt, dass es beim Migrationsgipfel ja um zwei Aspekte ging. Das eine war - das konnte ich absolut nachvollziehen -, dass die kommunalen Spitzenverbände auf ihre erhebliche finanzielle Belastung hingewiesen haben. Die kommunalen Spitzenverbände, gerade auch aus Sachsen- Anhalt, haben deutlich gemacht, dass das Land seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt und die Kommunen entlastet, wo es geht.

Aber bspw. durch den Rechtskreiswechsel zum SGB II - Kosten der Unterkunft; das habe ich geschildert - bleiben jetzt plötzlich die Kommunen auf Kosten sitzen, die ihnen vor dem Rechtskreiswechsel das Land zu 100 % erstattet hat.

Deswegen nahm zum einen die Diskussion über die stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes breiten Raum ein. Es gab ja schon Zusagen, auch im letzten Jahr, vonseiten des Bundes. Aber es ist mit Blick auf die Gesamtentwicklung der Kostensituation völlig offensichtlich, dass das, was der Bund bislang beiträgt, nicht aus- reichend ist. Deswegen habe ich in Berlin die Forderung der Kommunen nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung des Bundes mit unterstützt.

Zum anderen - das war der zweite Aspekt - wurde über die Begrenzung von Migration

gesprochen. Das war sozusagen nicht nur ich, sondern auch die kommunalen Spitzenverbände haben dort deutlich gemacht, dass es einer Kehrtwende in der Migrationspolitik bedarf. Ich habe das selbst dort eingebracht. Insofern ist das, was Sie hier erwähnen, bei- des Gegenstand auf dem Flüchtlingsgipfel gewesen.

Danke. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Damit ist der Debattenbeitrag der Landesregierung beendet. Wir kommen nun zur Fünfminutendebatte der Fraktion. Als Erste spricht für die CDU-Fraktion Frau Godenrath. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Zunächst bleibt erst- mal festzustellen, wenn wir uns den Antrag angucken, dass es gar keine Zweifel daran gibt, dass die humanitäre und rechtliche Verpflichtung zur Aufnahme und Unterbringung von Schutzsuchenden unbestritten ist. Das ist also ein Thema, das klar ist.

Der Antrag fordert jetzt eine umfassende Übernahme von Verantwortung durch den Bund. Das sollte aus unserer Sicht zunächst ein Mitspracherecht der Länder bzw. der Kommunen und Landkreise beinhalten, weil es die Kommunen und Landkreise sind, die letztendlich diese Aufgaben bewältigen. Die Ministerin hat es auch schon ausgeführt. Vielen Dank auch an die Kommunen, die sich dieser schwierigen Aufgabe stellen.

(Beifall bei der CDU)

Da gibt es ja sehr, sehr deutliche Signale der Überforderung, die bis dato vom Bund nicht nur nicht wirklich wahrgenommen, sondern sogar ignoriert werden. Der Migrationsgipfel blieb da auch relativ erfolglos; auch das wurde bereits ausgeführt.

Umso dankbarer bin ich für diesen Entschließungsantrag der Landesregierung zur Stärkung der Beteiligung der Länder, nämlich frühzeitig über geplante Aufnahmeprogramme zu informieren, die Beteiligung an deren Ausgestaltung zu gewährleisten und dies insbesondere auch im Hinblick auf die Anzahl aufzunehmender Personen. Denn wenn wir uns dem Thema Aufnahmekapazitäten widmen, brauchen wir tatsächlich einen realistischen Blick. Wie viele Menschen können wir hier tatsächlich noch aufnehmen?

Wo und an welcher Stelle ist Hilfe vor Ort sinnvoller? Wir müssen sagen: Wenn wir etwas investieren, investieren wir vor Ort, damit die Menschen dort bleiben, dort wieder leben können. Denn was nützen uns vollmundige Zusagen vom Bund und vollmundige Forderungen von der Seite der LINKEN, wenn überhaupt keine Hilfe geleistet werden kann, wenn wir sagen, wir haben kein Personal? Da reicht es auch nicht, einfach Abordnungen des Bundes zu fordern; denn das Personal fehlt dann an anderer Stelle genauso. Ich kann nicht einfach sagen: Zack, ich hole mir die Leute hier rüber.

Wenn man keine finanziellen Ressourcen und keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr hat, weil auch Unterbringungsmöglichkeiten nicht mal eben wie Pilze aus dem Boden schießen, dann kann das auch nicht die abschließende Lösung sein.