Protokoll der Sitzung vom 22.03.2023

Die SPD hat schon das Abitur in NRW heruntergewirtschaftet, hat es zum Inbegriff eines Billigabiturs verkommen lassen und - das sei nur nebenbei bemerkt - ihrer Klientel, der Arbeiterschaft, wirklich ein schönes Kompliment gemacht, indem sie keinen anderen Weg sah, den Arbeiteranteil unter den Abiturienten zu erhöhen, als die Maßstäbe abzusenken.

Die CDU wiederum hat bei diesem Irrsinn oft mitgemacht, hat kaum Widerstand geleistet, war aber - das muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen - keine treibende Kraft. Wo die CDU bzw. die CSU allein regiert hat, wie lange

Zeit in Baden-Württemberg und Bayern, waren die Abiturmaßstäbe während dieser Zeit die besten im Bildungsvergleich. Das müssen wir anerkennen.

In Sachsen-Anhalt hat die CDU jetzt einen zaghaften Versuch unternommen, zu ihrer guten Bildungspolitik, die einst Teil ihres Markenkerns war, zurückzufinden, und hat angeregt, die Schullaufbahnempfehlung wieder verpflichtend zu machen.

Die SPD ist vorhersehbar sofort auf die Barrikaden gegangen. Da dachten wir: Wenn die CDU schon in die richtige Richtung geht, dann kann sie etwas Unterstützung gebrauchen. So haben wir den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht. Werte Kollegen, Sie müssen sich jetzt nicht bedanken. Es reicht, wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen. - Vielen Dank.

(Lachen und Beifall bei der AfD)

Bevor ich Frau Feußner als Vertreterin der Landesregierung ans Pult rufe, möchte ich doch feststellen, dass kein einziger der Parlamentarier und Parlamentarierinnen die Schülerinnen und Schüler als Menschenmaterial betrachtet.

(Zustimmung - Zuruf: Woher wissen Sie das denn?)

Frau Feußner, bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nutze gern die Gelegenheit, das Thema „Übergang nach Klasse 4“ sachgerecht ein-

zuordnen und auch die bereits bestehenden Regelungen für einen späteren Wechsel zum Gymnasium zu verdeutlichen. Mir ist dabei zunächst wichtig zu betonen, dass nach dem vierten Schuljahrgang nicht darüber entschieden wird - das möchte ich ausdrücklich betonen -, ob jemand das Abitur erreicht oder nicht, sondern lediglich darüber, ob das gymnasiale Angebot zum Zeitpunkt der Entscheidung der beste Weg ist.

Es ist wichtig, auch wohlmeinend ehrgeizigen Eltern zu verdeutlichen, dass im weiteren Bildungsverlauf bis hin zur Studienberechtigung noch viele, viele Wege offenstehen. Wir haben ein sehr transparentes System. Insofern kann man also ganz unaufgeregt schauen, welches Angebot nach Klasse 4 zu dem Kind passt, und Kindern im Bedarfsfall die Zeit lassen, erst später eine derartige Ausbildung zu wählen.

Liebe Parlamentsmitglieder! Aus Gymnasien erreichen uns Signale, dass dort Kinder unter Druck geraten, weil sie den besonderen Herausforderungen des gymnasialen Angebots zu diesem Zeitpunkt bei aller Förderung noch nicht gerecht werden können.

(Zuruf: Ja!)

Aus diesem Grunde haben wir in der Koalition eine Optimierung des Beratungsverfahrens im Rahmen der Schullaufbahnempfehlung vorgesehen. Dies schließt künftig eine stärkere Einbindung der Gymnasien ein. Eltern sollen auch aus der Perspektive der aufzunehmen- den Schulform mit Blick auf die festgestellten Leistungen der Kinder vor der Entscheidung beraten werden. Es ist jedoch weder erforderlich noch vorgesehen, den Eltern diese Entscheidung zu entziehen oder sie zu über- steuern.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hinsichtlich der Regelung für einen späteren Zugang zum Gymnasium bestehen ebenfalls bereits jetzt sachgerechte Normen. Gemäß geltender Übergangsverordnung müssen, aufwachsend mit den Schuljahren, in zunehmend mehr Fächern bereits stabile gute Leistungen vorliegen, um am Gymnasium erfolgreich sein zu können. Mit dem Erwerb des erweiterten Realschulabschlusses steht allen, die das geschafft haben, der Weg in die gymnasiale Oberstufe offen. Die bestehende Gesetzesformulierung in § 34 Abs. 3 des Schulgesetzes, dass der Bildungswechsel von Bedingungen abhängig gemacht werden kann, ist also auch schon längst genutzt worden. Insofern bedarf es keiner Änderung von „kann“ in „muss“. Auch die entsprechende Verordnungsermächtigung ist in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bereits erteilt.

Liebe Parlamentarier! In den vorgelegten Fragen bedarf es also keiner Änderung des Schulgesetzes. Ich empfehle, dem Antrag nicht zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP, bei den GRÜNEN und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Vielen Dank, Frau Feußner.

Ich korrigiere mich, Frau Präsidentin: Ich empfehle, den Gesetzentwurf nicht zu überweisen.

Ja, wir haben vor, nachher erst einmal über die Überweisung zu befinden.

(Dr. Falko Grube, SPD: Der Schüsselsatz ist: Nein sagen!)

Wir treten ein in die Debatte. Die SPD-Fraktion und die CDU-Fraktion haben bereits vorab erklärt, auf einen eigenständigen Redebeitrag zu verzichten. Für die Koalitionsfraktionen wird dann Herr Bernstein reden. Zunächst rufe ich Herrn Lippmann für die Fraktion DIE LINKE auf.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Ich verzichte auch!)

- Herr Lippmann verzichtet auch,

(Zuruf von der AfD: Was?)

sodass gleich Herr Bernstein nach vorn kommt.

(Ulrich Siegmund, AfD: Inhaltlich stellen! - Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Koalitionsfraktionen haben wir uns auf eine Modifizierung der Schullaufbahnempfehlung verständigt. Wir waren uns abschließend darüber einig, dass die im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen nicht angetastet werden sollen. Maßgeblich aus unserer Sicht bleibt letzten Endes noch immer der Elternwille.

(Zustimmung von Katrin Gensecke, SPD, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Aber - jetzt kommt das Aber - um die Entscheidung der Eltern auf eine wirklich fundierte Basis zu stellen, haben wir uns darauf verständigt, dass wir bereits in Klasse 3 verpflichtende Lernberatungsgespräche mit den Eltern durchführen. Ziel dieser Gespräche soll es sein, die

Eltern bestmöglich tatsächlich über die breiten Bildungsmöglichkeiten und Bildungswege, die wir in unserem Schulsystem zur Verfügung haben, aufzuklären. Viele wissen das einfach gar nicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Es geht darum, den Eltern damit auch zu verdeutlichen, mit dieser Entscheidung für den Übergang von Klasse 4 in Klasse 5 wird für ihre Kinder keine Entscheidung für den weiteren Lebensweg getroffen. Das muss an der Stelle einfach einmal klar gesagt werden. Es ist außerdem das Ziel, in solchen Gesprächen die Akzeptanz der Eltern für eine später auszusprechende Schullaufbahnempfehlung zu stärken.

Wie haben wir uns diese modifizierte Schullaufbahnempfehlung gedacht? - Ausgangspunkt sind die Noten in den Fächern Mathematik, Deutsch und Sachkunde mit einem Notendurchschnitt von 2,33 und das Ausschlusskriterium, dass in diesen drei Fächern nicht die Note 4 erbracht wird. Schülerinnen und Schüler, die auf der Grundlage einer solchen Festlegung keine Empfehlung bekommen, sollen die Möglichkeit eines Probeunterrichts am Gymnasium und einer Teilnahme an verpflichtenden landeseinheitlichen Lernfeststellungen haben, um dann die Entscheidung über den gymnasialen Bildungsweg zu treffen. Aber wie gesagt: Die endgültige Entscheidung bleibt den Eltern. Wir haben damit aber trotzdem die Hoffnung, dass sie sich auch von den beratenden Gesprächen mit den Lehrerinnen und Lehrern an den entsprechenden Schulen leiten lassen werden.

Ganz klar herausgestellt werden muss die Tatsache, dass wir uns auch darüber einig sind,

dass wir die Sekundar- und die Gemeinschaftsschulen stärken müssen. Denn oftmals ist das Kriterium, weshalb Eltern sagen, ich schicke mein Kind auf ein Gymnasium, ihre Sicht, dass das Kind damit noch die bestmögliche Bildung erhält. Es ist quasi die Ansicht, dass die Sekundarschulen ein Ausschlusskriterium sind, um diese Schulen zu besuchen. Das heißt für uns: Wir müssen diese Schulen stärken. Dann werden sie aus unserer Sicht hoffentlich stärker angewählt.

Abschließend noch eine Anmerkung zu den Übergangsmöglichkeiten in der Sekundarstufe I. Wir haben vor, auch in der 6. Klassenstufe verpflichtende Laufbahngespräche durchzuführen und ab Klasse 7 jederzeit die Möglichkeit zu eröffnen, die Schullaufbahn für eine gymnasiale Bildungsstufe zu öffnen - mit der Voraussetzung, die ich soeben bereits nannte: Ein Notendurchschnitt von 2,33 in Mathematik, Deutsch und in der ersten Fremdsprache.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, wir haben uns durchaus tiefgründig mit dem Thema beschäftigt. Wir werden die Ergebnisse der Expertenkommission, die sich auch mit dem Thema Schulübergänge beschäftigt, einfließen lassen. Wir sehen daher keine Notwendigkeit für einen solchen Gesetzentwurf. Das bedeutet: Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Danke.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Bernstein. Ich sehe keine Fragen. - Frau Sziborra-Seidlitz ist als nächste Rednerin angekündigt worden.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Der hier vorliegende Gesetzentwurf beweist einmal mehr: Die AfD hat nun wirklich keine eigenen Ideen für unser Bundesland. Wenn Sie nicht gerade Rassismus, Ideen von vorgestern und Ihr rechtes Weltbild feiern, dann schreiben Sie eben die Ideen der CDU ab - wie in diesem Fall.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Die CDU-Fraktion träumt öffentlich von der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung. Und schon fängt die AfD das Stöckchen und legt es dem Parlament hechelnd und schwanzwedelnd zu Füßen.

(Lachen bei der AfD - Zuruf: Sexismus! - Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Wie auch schon der CDU sagen wir Ihnen ganz deutlich: Wir GRÜNEN stehen für Bildungsfreiheit in Sachsen-Anhalt. Ein erzwungener Besuch des Gymnasiums oder der Sekundarschule bringt rein gar nichts, besonders da die Entscheidung gegen das Lernen an Sekundarschulen von Eltern und Schülerinnen nicht immer vorrangig deswegen getroffen wird, weil die Kinder später unbedingt Abitur machen sollen oder die Eltern ihre Kinder überschätzen würden. Genau vor dieser Entscheidung habe ich gerade selbst gestanden. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen berichten, dass es oft schlichtweg daran liegt, dass die Sekundarschulen stärker von dem Mangel an Lehrkräften betroffen sind als Gymnasien und sich öfter in sanierungsbedürftigen Gebäuden befinden. Es gibt noch viele andere Gründe. Aber das Schwerwiegendste von allem ist wohl: Die Sekundarschulen haben leider das Image der Bildungsresterampe in Sachsen-Anhalt.

(Ministerin Eva Feußner: Was?)

An diesem Image müssen wir etwas ändern. Durch bessere Sekundarschulen in Sachsen- Anhalt und nicht durch den Zwang einer Schullaufbahnempfehlung machen wir die Sekundarschule und den mittleren Schulabschluss attraktiv und zu einem Erfolgsmodell.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Es bringt nichts, Kinder und Jugendliche an die Sekundarschule zu zwingen, schon gar nicht Zehnjährige, die noch ganz am Beginn ihrer schulischen Kompetenzentwicklung stehen. Im Zweifelsfall werden die Eltern ohnehin rechtlich dagegen vorgehen, weil sie nur das Beste für ihre Kinder wollen.