Protokoll der Sitzung vom 23.03.2023

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Silbersack. - Jetzt kommt Herr Aldag. Ich habe schon gesehen, auf dem Zettel steht „Mensch“.

(Zurufe: Oh! - Mensch, Mensch, Mensch!)

Herr Aldag, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Es ist ein ernstes Thema, deshalb bleiben wir dabei auch ernst. Ich kann es relativ kurz machen. Ich will auch die Zeit bei dieser Debatte nicht überbean-

spruchen. Ich fand es erst einmal gut, dass nach Herrn Rausch die Debatte ein bisschen versachlicht wurde. Dazu hat Minister Herr Willingmann erheblich beigetragen, nicht nur im Ton, sondern auch im Inhalt. Ich kann voll und ganz hinter dem stehen, was Sie gesagt haben.

Natürlich sind es große Herausforderungen, vor denen wir stehen. Ich habe wahrgenommen, dass das Ziel an sich von allen verfolgt wird. Aber der Weg ist das Entscheidende. Es geht darum - auch das ist wichtig in dieser Debatte -, nicht in eine Komplettablehnung zu gehen, sondern das Ziel fest im Auge zu haben, die Weichen richtig zu stellen und jetzt in den entsprechenden Gremien zu gucken, wie wir diesen Weg gestalten. Das sehe ich übrigens auch bei dem Thema, das wir vorhin hatten, genauso.

Es ist etwas auf den Weg gebracht worden. Es sind die Weichen gestellt worden. Jetzt gibt es genügend Zeit, in den entsprechenden Gremien - dazu hat vielleicht auch die Debatte heute beigetragen - verschiedene Positionen mitzunehmen, auch zum Bund mitzunehmen, und dann darüber zu reden, wie man das entsprechend ausgestalten kann. Ich glaube, wir alle sind uns darin einig, dass es große Herausforderungen sind, vor denen wir stehen, die nicht einfach zu stemmen sind.

Ich bin auch bei Ihnen allen, wenn es heißt, dass wir die Menschen - da ist das Wort - dabei mitnehmen müssen. Das dürfen wir nicht ver- gessen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir in den letzten 16 Jahren ein bisschen unentschlossen waren - ich rede jetzt mit den Worten von Robert Habeck vom Dienstag. Wir müssen entschlossener sein. Wir dürfen nicht zu zaghaft sein. Wir dürfen nicht zu sehr bremsen, sondern wir müssen nach vorn gehen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

um die von uns selbst gesteckten Ziele zu er- reichen. Es waren alle in den verschiedenen Regierungen daran beteiligt, diese Ziele zu stecken. Dazu gehört das Pariser Abkommen usw. Dazu gehört das Klimagesetz, das verabschiedet wurde; das haben wir nicht hier verabschiedet. Von daher gilt es, diese Ziele fest im Auge zu haben. Deswegen müssen wir gezielt ambitionierte Maßnahmen umsetzen. Auf diesen Weg wollen wir uns gemeinsam begeben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Aldag. - Kollege Grube möchte gern für die SPD fortsetzen. Bitte.

Herr Präsident! Hohes Haus! Eine Vorbemerkung: Herr Rausch, es hilft in der Debatte nicht sonderlich weiter, wenn wir hier mit einzelnen Kollegen Pingpong spielen und denen Kompetenzen absprechen. Man kann dabei übrigens gelegentlich ins kurze Gras kommen. Der Kollege Aldag ist in seinem Nicht-AbgeordnetenLeben ein sehr erfolgreicher selbstständiger Planer mit einem renommierten Planungsbüro in Halle.

(Tobias Rausch, AfD: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? - Zuruf: Für Grünan- lagen!)

Das eine oder andere könnte man an der Stelle - -

(Tobias Rausch, AfD: Und was hat das eine mit dem anderen zu tun?)

Man kann halt in das kurze Gras kommen.

(Unruhe bei der AfD)

Was das Thema Gebäuderichtlinie betrifft, ist es gut, dass wir hier darüber sprechen. Aber zur Skandalisierung eignet sich das nicht.

(Tobias Rausch, AfD: Doch!)

Wir wissen, dass der Gebäudesektor ein Drittel der CO2-Emissionen ausmacht. Wenn man klimaneutral werden will - ein Großteil des Hauses will das; wir wissen um die Verantwortung, die wir haben, gegenüber uns, unseren nach- folgenden Generationen, auch unseren Kindeskindern -,

(Zuruf von der AfD)

dann wird man da etwas machen müssen. Das hat hier niemand streitig gestellt. Es muss machbar sein, das ist keine Frage. Es muss physisch machbar sein. Es muss machbar sein in allen Wohnungen und Häusern. Der Kollege Frak- tionsvorsitzende der CDU und ich haben uns gerade darüber unterhalten, dass das bei uns beiden alles ein bisschen schwieriger wird. Dafür muss es dann auch Lösungen geben. Das heißt, wir müssen dafür tatsächlich Zeitschienen haben.

Was die EU-Richtlinie völlig richtig in den Blick nimmt, das sind die Gebäude, bei denen sich das Meiste herausholen lässt. Wenn Sie heute ein Gebäude der Energieklasse C haben und das energetisch sanieren, haben Sie ganz viel Aufwand, aber einen ziemlich geringen Klima- nutzen. Deswegen macht es schon Sinn, gerade die Gebäude in den Blick zu nehmen, die die geringsten Energieeffizienzklassen haben. Das sind übrigens ganz lebenspraktisch die Gebäude, bei denen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein Eigentümerwechsel ansteht. Ich habe das vorhin schon gesagt. Oft sind das Gebäude, die schon sehr lange im Besitz ihrer

jetzigen Bewohnerinnen und Bewohner sind. Wenn die nächste Generation dort einzieht, macht es tatsächlich Sinn, sie zu sanieren. Das machen die Leute übrigens auch schon.

(Beifall bei der SPD)

Ich kenne niemanden, der ein Haus neu gebaut hat oder der in ein altes Haus eingezogen ist, der sich nicht mit Fragen auseinandergesetzt hat wie: Wie dämme ich? Was für eine Heizanlage installiere ich? Die Entscheidung, die im Jahr 2023 dazu getroffen wird, ist mit Sicherheit eine andere als die, die im Jahr 2015 oder im Jahr 2010 getroffen worden wäre. Das heißt, die meisten Leute werden sich ohnehin damit auseinandersetzen: Baue ich eine Flächenheizung ein? Bringe ich Solarthermie oder PV aufs Dach? Installiere ich eine Wärmepumpe? Baue ich eine Pelletheizung ein oder Hybridsysteme? Das ist das, womit sich heute jeder, der sich mit einer Haussanierung, mit einer neuen Immobilie oder mit dem Neubau einer Immobilie befasst, aus- einandersetzt.

Das, was in der Richtlinie steht, wird erstens nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Und zweitens - der Minister hat recht - müssen wir bei der Umsetzung in geltendes Recht schauen, dass das für alle machbar ist. Das heißt, wahrscheinlich werden wir, was die neuen Zeiträume betrifft, auf andere Zahlen kommen müssen. Ich bin mir sicher, dass wir zu dem Thema hier nicht zum letzten Mal diskutieren. Der Titel der Aktuellen Debatte ist weder zielführend noch berechtigt. - In diesem Sinne wünsche ich uns einen schönen Tag. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Danke. - Zum Schluss der Debatte spricht noch einmal der Kollege Rausch mit einer Redezeit von drei Minuten.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Ich möchte auf die Einlassungen von Herrn Dr. Grube eingehen. Die Überschrift sei nicht zielführend, haben Sie gesagt. Wenn der Verband Haus & Grund feststellt, dass die betroffenen Gebäude mit 93 000 €, also ca. 100 000 €, saniert werden müssen, dann ist das schon ein Hammer. Sie können doch nicht von sich auf andere schließen. Sie verdienen relativ viel Geld, aber für den durchschnittlichen Bürger und den Rentner ist das sehr viel Geld. Das muss ich ganz klar sagen.

Sie sagen auch, wir hätten jetzt nichts Sachliches dazu beigetragen. Wir haben ganz viele Fakten genannt, wie es in der Lebensrealität ist. Herr Minister hat darauf Bezug genommen. Wir waren auch die Einzigen, die abseits von Förderungen davon gesprochen haben, wie man es vielleicht steuerrechtlich gestalten müsste, wenn man sich intensiver damit beschäftigt.

Nächster Punkt. Ich kann mir schon herausnehmen, zu Herrn Aldag zu sagen, dass es grober Unfug ist, was er sagt, weil es nämlich an der Lebenswirklichkeit im Gebäudesektor vorbeiläuft. Das weiß man, wenn man sich mit den ganzen Leuten unterhält, die in der Immobilienwirtschaft tätig sind. Das können Sie nicht wegschreien; das ist einfach so.

Sie haben vorhin richtig erkannt, dass das Land erst einmal selbst in Verantwortung gehen muss. Das haben auch wir gesagt. Insofern können Sie nicht sagen, dass wir hier nicht zur Sachlichkeit beigetragen hätten. Das ist ein Gerücht. Das möchte ich hier klargestellt haben. Es sei denn, Sie unterstellen Ihrem Minister, dass er selbst nicht auf sachliche Bezüge eingegangen ist, obwohl er das gesagt hat. Das wäre auch schwierig.

Zu Frau Eisenreich. Sie sprach von Panikmache und sagte, man müsse mit den Genossenschaften sprechen. Wir können gern mit dem VdW sprechen und wir können mit den Wobau-Geschäftsführern sprechen.

(Zuruf: Genau!)

Es ist gesagt worden, dass viele der Gebäude aus der Zeit zwischen 1880 bis 1910 stammen. Davon stehen auch viele unter Denkmalschutz. Bei diesen haben Sie gar nicht die Möglichkeiten, diese Standards einzuführen. Es müssten erst einmal die denkmalschutzrechtlichen Vorschriften geändert werden, um diese Maßnahmen überhaupt ergreifen zu können. Das heißt, da wurde auch völlig an der Sache vorbeidiskutiert. Ich kann mir das nur so erklären, dass hier Leute zu Themen sprechen, von denen sie einfach keine Ahnung haben. Das ist das grund- legende Problem.

Herr Gürth hat vieles richtig gesagt, ist aber trotzdem über einen Denkfehler gestolpert. Dadurch, dass Sie selbst den Green Deal mit auf den Weg gebracht haben, da Sie selbst Richt- linien auf der Bundesebene erlassen haben, die das alles forcieren, sind Sie mit schuld an dem, was hier passiert. Sie von der LINKEN, den GRÜNEN, der SPD und der CDU haben sich auch im EU-Parlament entsprechend verhalten, damit diese Richtlinien überhaupt beschlossen werden konnten. Das gab es mit uns nicht.

(Beifall bei der AfD)

Der einzige Redebeitrag, von dem man sagen kann, der war vernünftig, das war der Redebeitrag von dem Kollegen Silbersack. Das ist einer der wenigen, der sich intensiver damit beschäftigt hat und auf die Problematik des Artikel 14 hingewiesen hat. Jetzt muss ich aber sagen: Wenn man die Richtlinie weiter angeht - des- wegen habe ich gesagt, es gibt noch mehrere

Sachen -, ist auch Artikel 20 ganz spannend, nämlich Gebäudeautomatisierung und -steuerung. Wenn man dort sieht, dass neben dem Energiepass jetzt ein Sanierungspass eingeführt werden soll, dass in einer Datenbank von Land und Bund erhoben werden soll, welcher Verbrauch in welcher Wohnung entsteht - das ist die Einführung der Überwachung meines Heizverhaltens. Da frage ich mich schon, wohin das geht. Das werden wir genau begleiten und werden das hier weiter fortführen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Damit sind wir am Ende der Debatte. Beschlüsse in der Sache werden nach der Geschäftsordnung nicht gefasst. Ich habe festgestellt, dass der Geräuschpegel wesentlich angenehmer war, sodass man auch etwas verstehen konnte.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 6

a) Erste Beratung

Das Deutschlandticket sozial machen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/2338