Protokoll der Sitzung vom 29.06.2023

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! In Artikel 20a des Grundgesetzes wurde im Jahr 1994 der Umweltschutz als Staatsziel und damit ein Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber formuliert, sodass der Umweltschutz bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen und Tätigkeiten zu berücksichtigen ist.

Damit wurde der gesamtgesellschaftlichen Diskussion zu diesem Zeitpunkt entsprochen, die beginnend in den 70er-Jahren die Verschmutzung von Luft, Boden und Gewässern in das öffentliche Bewusstsein rückte.

Wie für alle gesetzlichen Festlegungen gibt es auch für Artikel 20a des Grundgesetzes Kritiker und Unterstützer. Den Kritikern gehen die Regelungen nicht weit genug; sie fordern ein eigenes Umweltrecht. Die Befürworter betrachten die Begrifflichkeit des Schutzes der Lebensgrund- lagen aller Schutzgüter und die Ausprägung derselben als abgedeckt.

International gibt es noch weitreichendere Entwicklungen, die zum Teil aus dem Weltverständnis zur Lebensumwelt indigener Völker entlehnt wurden. So ernennen einige südamerikanische Länder Ökosysteme und einzelne Arten zu juristischen Personen, deren Rechte dann justiziabel eingefordert und entschieden werden können.

In der Bundesrepublik Deutschland waren tatsächlich die Bundesländer die Vorreiter, um das Staatsziel Umweltschutz in die Landesverfassungen aufzunehmen. Beginnend mit BadenWürttemberg im Jahr 1967 war dieser Prozess dann durch entsprechende Regelungen in den neuen Bundesländern bereits 1993 abgeschlossen.

(Unruhe)

Einige der Länderformulierungen sind ähnlich kurz gefasst wie die im Grundgesetz, andere sind deutlich differenzierter. Damit werden landesspezifische Prioritäten innerhalb der legitimierten Gesetzgebung der Länder deutlich.

Dazu noch ein europäischer Vergleich. Weltweit einzigartig war bereits im Jahr 1987 per Gesetz der Volksentscheid in der Bundesverfassung der Schweiz verankert worden. Es sind die Moore und Moorlandschaften von besonderer Schön-

heit und von gesamtschweizerischer Bedeutung geschützt. Es dürfen darin weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen vorgenommen werden. Zugelassen sind nur Einrichtungen, die dem Schutz oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung der Moore und Moorlandschaften zugutekommen.

(Unruhe)

- Also, hier ist was los!

(Zuruf von der AfD: Kein Anstand bei der CDU! - Ulrich Thomas, CDU: Zeit läuft!)

- Time flies. Ich habe viel Zeit, Herr Thomas, ich habe viel Zeit.

(Lachen bei der CDU)

Drei Verordnungen konkretisieren den Verfassungsauftrag und klären die Begriffe. Ein Handbuch zum Moorschutz kam hinzu und im Jahr 2017 eine revidierte digitale Vollversion. Eine Fläche von insgesamt 106 000 ha Hochmoore und Moorlandschaften ist somit in der Schweiz geschützt.

In Sachsen-Anhalt sprechen wir von 80 000 ha Moorböden, die für die Renaturierung der Gebietskulisse bereitstehen. Ein interessanter Vergleich; denn die Schweiz ist fast doppelt so groß wie Sachsen-Anhalt, wobei aber in der Schweiz der Moorschutz weiterhin trotz Verfassungsrang nicht als perfekt betrachtet wird.

Damit kommen wir zu den von uns formulierten spezifischen Änderungen im Umweltschutz für das Land Sachsen-Anhalt. Was machten und machen die Bundesländer bereits vor den na- tionalen Strategien zum Moorschutz anders als Sachsen-Anhalt? Niedersachsen hat bereits in den1980er-Jahren ein Moorschutzprogramm erstellt und im Jahr 2014 mit dem Vorrang von

Moorschutz in der Raumordnung begonnen. 2016 folgte das Programm „Niedersächsische Moorlandschaften“, das 11 % der Landesfläche berücksichtigte.

Schleswig-Holstein formulierte im Jahr 2020 ein Programm zum biologischen Klimaschutz mit den Schwerpunkten Neuwaldbildung und

Moorschutz. Bayern stellte ein Moorerhaltungskonzept mit Leitfäden auf und Handlungsschlüssen für die Praxis. Baden-Württemberg und Brandenburg haben ebenfalls ein Moorschutzprogramm. Brandenburg fördert zusätzlich den Waldmoorschutz.

Damit kommen wir zum zweiten Schwerpunkt des Gesetzentwurfes. Ebenso wie die Moore besitzen auch die Alleen und Baumreihen für die einzelnen Bundesländer entsprechende spezifische Besonderheiten. Die ergeben sich folgerichtig aus den historischen Abläufen bei der Gestaltung der Kulturlandschaft, wie wir sie in Teilen noch besitzen und damit kennen lernen und erleben dürfen.

Mecklenburg-Vorpommern nimmt nicht nur beim Moorschutz eine Vorreiterrolle ein. In seiner Landesverfassung ist in Artikel 12 - Umweltschutz - Abs. 2 festgelegt: „Land, Gemeinden und Kreise schützen und pflegen die Landschaft mit ihren Naturschönheiten, Wäldern, Fluren und Alleen, die Binnengewässer und die Küste mit den Haff- und Boddengewässern.“

Brandenburg, das alleenreichste Land der BRD, lehnte zwar das Begehren einer Volksinitiative im Jahr 2011 ab, leitete aber über den Landtagsbeschluss entsprechende Alleeschutzmaßnahmen ein.

Das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ der Bundesregierung fördert genau den Schutz von Ökosystemen wie Wälder, Meere und auch Moore, die so hergestellt werden

sollen, dass sie ihrer Funktion nachkommen und für eine natürliche Klimastabilität sorgen können. Leider ist die Landesregierung bei der Umsetzung des biologischen oder natürlichen Klimaschutzes, der unbestritten am effizientesten ist, bisher noch nicht weit gekommen.

Unsere Natur- und Kulturlandschaften werden sich deutlich und unwiderruflich verändern - ja, man muss es so formulieren -, sie werden für die nachfolgenden Generationen zerstört

werden. Der unter dem Tagesordnungspunkt 20 zu behandelnde Gesetzentwurf, werte Koalition, lässt einige Akzente dieses Bundeslandes, die Sie innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung durchaus setzen können, völlig vermissen.

Ergeben und voller Akribie erfüllen Sie Ihre bundespolitischen Flächenziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien, wie wir es nachher hören werden. Kommt es Ihnen eigentlich in den Sinn, dass die Bevölkerung zu befragen ist, wie weit unser Land hier noch zuzubauen ist? Weitere raumordnerische Ziele schlagen Sie nicht vor und Sie kommen hier völlig vom Kurs ab.

Lassen Sie mich am Ende meiner Rede noch kurz zusammenfassen: Ich bin begeistert, wie der Moorschutz hier im Landtag ankommt. Sie haben es sich in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, Sie haben eigentlich auch den Alleenschutz im Blick, und keinen hier interessiert es. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Wir haben vereinbart, zu dem Tagesordnungspunkt keine Debatte zu führen. - Der Herr Minister, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In eigener Zuständigkeit

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

will ich zunächst loben, wer immer sich für den Erhalt und die Renaturierung unserer Moore einsetzt und den Klimaschutz anerkennt. Das ist umso bemerkenswerter,

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP, bei den GRÜNEN und von Kerstin Eisenreich, DIE LINKE)

als es aus einer Richtung kommt, die bislang Schwierigkeiten damit hat, den menschen- gemachten Klimawandel zu akzeptieren.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP, bei den GRÜNEN, von Kerstin Eisen- reich, DIE LINKE, und von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

Aber gestatten Sie mir, es möglichst mit sach- lichen Argumenten zu beantworten.

Meine Damen und Herren! Unabhängig von jeglicher Motivation für diesen Antrag, die Landesverfassung verpflichtet uns in Artikel 35 bereits jetzt zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für jedes jetzige und zukünftige Leben. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und mithin des Klimas hat also bereits Verfassungsrang und steht damit gleichrangig - erlauben Sie mir als Jurist diese Anmerkung - neben anderen Verfassungsgütern wie den Grundrechten und den übrigen Staatszielbestimmungen.

Darüber hinaus wurde die Verpflichtung zum Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen, Herr Loth,

durch die Erwähnung in der Präambel und in Artikel 2 zum Staatsstrukturprinzip erhoben und steht dadurch auf einer Stufe mit dem Demokratie-, Republik-, Sozial- und Rechtsstaats- prinzip. Man könnte sagen: Mehr Schutz gibt es gar nicht.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Dieser Schutz umfasst eben auch Moore, Moorböden, Alleen und Baumreihen, die wegen ihrer besonderen ökologischen Funktion - darin sind wir uns ja einig - als Schutzgüter hiervon erfasst sind. Die Bedeutung ebenjener Moore, Moorböden, Alleen und Baumreihen für den Natur- und Klimaschutz ist also unstreitig. Wir haben darüber ja wiederholt im Ausschuss gesprochen. Ich habe Ihnen im Umweltausschuss auch bereits zu den geplanten Maßnahmen berichtet, ebenso Staatssekretär Herr Dr. Eichner aus meinem Hause am 10. Mai 2023.

Es gibt eine laufende Bund-Länder-Zielverein- barung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz vom 20. Oktober 2021, die der Kollege Schulze und ich für das Land Sachsen-Anhalt unterzeichnet haben. Wir haben den Schutz von Alleen und Baumreihen in § 21 des Landes- naturschutzgesetzes geregelt. Und er ist natürlich höherrangig durch Artikel 20a des Grund- gesetzes und Artikel 35 Abs. 1 der Landesver- fassung erfasst.

Mithin, meine Damen und Herren: Unsere Verfassung ist klar, der sich daraus zum Schutz jetzigen und künftigen Lebens ergebende Auftrag ebenfalls. Für uns ist dies ein verpflichtender Gestaltungsauftrag. Den nehmen wir in dieser Koalition wahr. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Danke. - Es ist vereinbart worden, zu dem Tagesordnungspunkt keine Debatte zu führen. Dann können wir zum Abstimmungsverfahren kommen.

Abstimmung

Wer ist für eine generelle Überweisung? - Die AfD. In welchen Ausschuss?

(Hannes Loth, AfD: UWE!)

- In den Ausschuss für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. - Wer also dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich noch einmal um das Kartenzeichen. - Das ist die AfDFraktion. Wer die Überweisung ablehnt, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden und wir brauchen nichts weiter zu machen.