Protokoll der Sitzung vom 29.06.2023

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch zu einem anderen Punkt in unserem Antrag hat uns die KZV natürlich schon Widerspruch signalisiert. Das war zu erwarten. Wenn aber ein Befund in der gesamten Situation ist, dass wir junge Menschen im Land ausbilden, sie dann aber dorthin gehen, wo mit privaten Leistungen mehr Geld zu verdienen ist, dann sollte dringend überprüft werden, ob die freie Niederlassung nicht durch eine Bedarfsniederlassung ersetzt werden sollte. Das ist ein heikler Punkt, ich weiß, aber die Situation ist, wie gesagt, ernst, und wir sollten alles in Betracht ziehen.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Kritikpunkt der Zahnärzteschaft ist, dass ihre Vorschläge nicht aufgenommen werden und dass

sie in Entscheidungsprozesse nicht einbezogen wird. Das kann durch kluge Kommunikation und das Annehmen der politischen Aufgabe schnell verändert werden, wenn denn die Sozialministerin es so möchte. Trotziges Wegdrehen und das Zeigen mit dem Finger auf andere nutzen dabei nichts, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wie gesagt, die Lage ist ernst und bis 2023 sind es nur noch sieben Jahre - - Bis 2030, Entschuldigung. Das habe ich falsch aufgeschrieben und dann auch noch doof vorgelesen.

(Holger Hövelmann, SPD: Wir passen auf!)

Also noch einmal: Wie gesagt, ist die Lage ernst, und bis 2030 sind es nur noch sieben Jahre, also eine Ausbildungsperiode. Lassen Sie uns alles dafür tun, dass so viele ausgebildete Zahnärztinnen und Zahnärzte wie möglich im Land bleiben und mehr ausgebildet werden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Lange. Herr Lange, es gibt eine Frage, und zwar von Herrn Tullner, wenn Sie diese zulassen.

Von Herrn Tullner?

Von Herrn Tullner, genau.

Ich bin gespannt. Jetzt will er bestimmt etwas zum Lehrermangel wissen.

Herr Tullner, bitte.

Nein, keine Sorge. - Lieber Kollege Lange, ich will die fleißige Arbeit unserer Parlamentarischen Geschäftsführer nicht dadurch kaputt machen, dass ich in endlose Fragen verfalle. Deswegen mache ich es relativ kurz.

Sie sind dabei, Ihre Rolle zu finden. Sie sind ja jetzt Landesvorsitzender. Ich verstehe, dass man daher auch ein bisschen polemisch und sonst wie auftritt. In Ihrer, wie ich fand, nicht immer sehr nachvollziehbaren Rede kamen Sie auf den Fachkräftemangel in vielerlei Hinsicht zu sprechen. Sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass Ihre politische Organisation in Thüringen seit zehn Jahren den Beweis hätte antreten können, dass die Dinge so viel einfacher zu gestalten und besser zu machen sind? Wenn Sie entsprechende Zahlen vorlegen könnten, dann würden wir uns mit Ihren Argumenten auch ernsthafter auseinandersetzen können als mit Ihrer Polemik, die Sie hier vorgetragen haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Alexander Räuscher, CDU, lacht)

Herr Lange.

Herr Tullner, das ist ein beliebter Move, den ich von Ihnen nicht anders gewohnt bin.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Aber gucken Sie einmal, wir sind hier in Sachsen-Anhalt. Ich bin hier seit vielen Jahren in einer Oppositionsrolle. Dabei beobachten wir genau, was die Regierungen tun und was sie nicht tun. Insbesondere das, was Sie persönlich getan und nicht getan haben, hat uns gerade mit Blick auf die Situation der Lehrerinnen und Lehrer in ein riesiges Problem gestürzt.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Herr Tullner, daran kommen Sie nicht vorbei.

Vielen Dank. - Als Nächste spricht Frau Ministerin Grimm-Benne für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist noch gar nicht so lange her, als sich der Landtag mit der Sicherstellung der zahnärztlichen und kieferorthopädischen Versorgung in den Landkreisen und den kreisfreien Städten unseres Landes befasst hat. Dem ist eine eingehende Befassung mit der Thematik durch die zuständigen Fachausschüsse unter Einbeziehung von externer Fachexpertise vorausgegangen. Durch die Demonstration gestern hat dies noch einmal Fahrt aufgenommen.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass wir uns auch hier gewissenhaft der Fragestellung gewidmet haben, ob im Land SachsenAnhalt bereits eine vertragszahnärztliche

und -kieferorthopädische Unterversorgung besteht. Ich will betonen, dass wir in der Landesregierung an die Verfassung und an das Gesetz gebunden sind und dass auch die Arbeitsebene in meinem Haus an Gesetze gebunden ist.

Per Gesetz obliegt die Feststellung, ob eine Unterversorgung im Land vorliegt, allein dem Landesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen. Dieser hat bisher für keinen Landkreis und für keine kreisfreie Stadt im Land eine bestehende Unterversorgung festgestellt. Lassen Sie es mich so deutlich sagen: Der Landtag kann eine Feststellung über eine Unterversorgung nicht treffen. Diese Aufgabe hat der Bundesgesetzgeber dem Landesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen übertragen, also einem Selbstverwaltungsgremium der Zahnärzteschaft und der gesetzlichen Krankenkassen mit einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei unpar- teiischen Beisitzern.

Weil ich den Eindruck gewonnen habe, dass diese Regelung nicht jedem gefällt, möchte ich an dieser Stelle noch etwas ganz deutlich sagen: Die Arbeit meines Hauses ist an die Einhaltung von Recht und Gesetz gebunden. Dennoch haben wir uns an den Landtagsbeschluss gehalten. Wir haben alle Prüfungen durchgeführt und auch einen sachlichen Dialog insbesondere mit der Kammer und der Vereinigung geführt.

(Zustimmung bei der SPD)

Deswegen haben wir auch dort eine Landzahnarztquote thematisiert. Eine solche Quote einzuführen ist für das Land mit sehr hohen Kosten verbunden. Sie wissen - Sie haben es schon an-

gesprochen -, wir haben bei der Quotenregelung für eine Vorabquote nur noch ganz geringen Promillebereich übrig, weil wir schon die Landarztquote und die Arztquote für den öffentlichen Gesundheitsdienst eingeführt

haben. Wir können die Quotenregelung, wenn wir nicht die Quotenregelung generell beim Bund verändern, nur noch auf drei weitere Personen ausdehnen. Gleichwohl brauchen wir dazu die zahnärztliche - -

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

- Ja, genau. - Die Vereinigung auf jeden Fall und auch jeweils die Kammer. Diese müssen dafür nämlich alles organisiert und müssen geprüft haben, ob die Versorgung nicht anders sicherzustellen ist. Erst wenn das Ergebnis dieser Prüfung vorliegt, können wir dieses Gesetz in Bezug auf diese Quote überhaupt anpassen.

Ich möchte noch einen Punkt deutlich machen: Die Zahnärztekammer ist das Selbstverwaltungsorgan, das ihren Nachwuchs qualifizieren und ausbilden muss. Dabei können wir sie nur unterstützen, aber es ist die originäre Aufgabe einer Kammer. Ein anderes Vorgehen würde dazu führen, dass wir die Ärztekammer im Land auch noch entsprechend ausstatten müssen, dass wir als Staat einspringen müssen, weil deren Aufgabe nicht erfüllt wird. Das ist auch für die Mitglieder, die sozusagen eine Kammer und eine Vereinigung bilden, das originäre Anliegen, so etwas zu machen.

Deswegen bitte ich eindringlich darum, dass wir - meinetwegen auch im Ausschuss - noch einmal darüber debattieren. Ich habe auch mit Herrn S. schon mehrmals darüber debattiert. Es besteht auch die Frage, ob wir uns an zusätzlichen Studienplätzen finanziell beteiligen. Aber das muss tatsächlich alles nach Recht und Gesetz

gehen und es muss erst einmal ein Versorgungsnotstand festgestellt werden. Das fehlt uns leider alles.

Frau Grimm-Benne, Sie gucken auf die Uhr?

Ich weiß. - Es war mir wichtig, das zu erwähnen, weil wir den ganzen Aufguss noch einmal gehabt haben und weil es wehtut, wenn man gesagt bekommt: Faule Politik - faule Zähne. Denn wir sind eigentlich immer mit beiden Organisationen im Dialog und haben Herrn S. schon mehrmals erklärt, wie er es machen muss, damit die Versorgung verbessert werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen. Deswegen treten wir direkt in die Debatte ein. Die erste Debatten- rednerin ist Frau Dr. Schneider von der CDUFraktion.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Antrag der LINKEN verweist einmal mehr auf den Mangel von Fachkräften. Das betrifft aber gegenwärtig alle Branchen. Für die Zahnärzte und Kieferorthopäden gibt es aber noch eine Besonderheit. Das Studium dauert elf Semester, die Studienplätze sind rar,

der NC ist sehr streng und die Investitionen für Berufsanfänger sind immens hoch. On top - es ist gerade schon berichtet geworden - rollt eine Ruhestandswelle auf uns zu, weil mehr als 60 % der derzeit aktiven Zahnärzte über 55 Jahre alt sind.

Es besteht also eine Versorgungslücke. Nach aktueller Umfrage kann teilweise nur noch jede zweite Praxis ggf. neue Patienten aufnehmen, insbesondere im ländlichen Raum. Ich habe gerade eine Besuchergruppe aus Dessau hier im Landtag gehabt; das haben Sie gesehen. Es war eine Zahnärztin dabei, die auch auf der Demo war. Sie hat ihren Sohn aus Bayern wieder zurückgeholt. Dem haben sie einmal gesagt: Gehe nicht in diese grauen Ostländer. Dort hast du irgendwann keine Patienten mehr. Und wir kriegen die Versorgung kaum noch sichergestellt.

Ich möchte an dieser Stelle der Kassenärztlichen Vereinigung einen Dank aussprechen, die in vielfältiger Weise bereits reagiert hat. Das Thema Studium in Pécs ist bereits angesprochen worden. Man muss aber auch sagen, dass eine Förderung dieser Studienplätze mit Landesmitteln geprüft werden muss. Diese wird auch in den entsprechenden Ausschüssen geprüft werden. Auch die Kommunen sind primär aktiv. Ich möchte einmal Gardelegen nennen. Das ist ein gutes Beispiel, Kollegin Hietel-Heuer. Kommunen, die von sich aus fragen: Wie können wir die Ärzte herholen? Wie können wir sie mit entsprechenden Maßnahmen der Region, mit Förderungen, Stipendien usw. halten?

Die CDU fordert vom Ministerium, dass die KZV in die Erarbeitung von Lösungsansätzen gezielt mit einbezogen wird. Die CDU-Fraktion kritisiert die Weigerung von Gesundheitsminister Lauterbach, die Gebührenordnung für Zahnärzte zu novellieren. Über eine Erhöhung der Zahl an Studienplätzen - auch darüber haben meine Kollegen gerade schon gesprochen - kann aber

auch erst diskutiert werden, wenn die Rahmenbedingungen vor Ort geklärt sind. Gleiches gilt unter anderem für die Einführung einer Landzahnarztquote, wie sie von der KZV gefordert wurde.

Flankierend - das möchte ich an dieser Stelle ganz dringend sagen - ist es einfach wichtig, dass die Regionen vor Ort eine gewisse Willkommenskultur haben und selbst für sich werben, d. h., günstige Praxisräume, Bauland usw. anbieten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns weiter einer guten Mundgesundheit erfreuen und zahnmedizinisch versorgt werden wollen, dann bitte ich um Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Finanzen sowie für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)